IM RAUSCH(EN) DER DINGE: FETISCH IN DER KUNST

10. April – 7. Juli 2024

Dinge erzählen oft Geschichten. Seit der Renaissance ist die Kunstgeschichte voll von ebenso offen zur Schau gestellten wie tiefverborgenen Passionen, welche uns an Objekte der Kunst oder an ihre UrheberInnen fesseln – auf durchaus erklärungsbedürftige Weise. Der Begriff Fetisch stammt ursprünglich aus dem kolonialen Kontext, wo er zur Beschreibung heterogener Gegenstände und Praktiken der sogenannten Anderen diente, die damals aus europäischer Perspektive fremd erschienen. Einerseits ein heiliger Gegenstand, dem magische Kräfte zugeschrieben werden, kommt er dem religiösen oder ethnographisch identifizierten Götzenbild nahe. Andererseits kann darunter auch ein Gegenstand oder Körperteil verstanden werden, der aus psychoanalytischer Sicht für die Sublimierung eines sexuell aufgeladenen Bedürfnisses steht, als Ersatz für ein begehrtes Sexualsubjekt. Und so wie die Kunst an sich von der rauschhaften Obsession von Gegenständen zeugt, lässt auch das darin oft dargestellte «gemachte Zauberding» (von lateinisch: facere – machen; portugiesisch: feitiço – Zauber) die rätselhafte Fetischisierung der die Menschen umgebenden
Wirklichkeit zu Tage treten.
Nicht jede Darstellung der ikonischen Szene von Adam und Eva ist «unschuldig», jede Judith triumphiert anders über Holofernes. Da gibt es einige «Femmes fatales» mit vielsagenden Attributen: nackte Frauen, die auf abgeschlagenen männlichen Köpfen hocken, Damen mit reizvollen Handschuhen und Diven mit Mercedes-Sternen statt Brustwarzen. In der geplanten Ausstellung soll es um auffällige Gesten und Körperhaltungen gehen, aber auch um grandiose wie skurrile Über-Inszenierungen von banalen Dingen. Vom Mittelalter über die Romantik bis in die Gegenwart sollen die Spielarten der fetischistischen Mechanismen in den Künsten erkundet werden: Blätter von Barthel Beham, Wenzel Hollar, Odilon Redon oder Max Klinger stehen neben den Werken von Urs Lüthi, Louise Bourgeois, Robert Gober und Sylvie Fleury – stets unter dem Aspekt der künstlerischen Suche nach unterschiedlichen Kodierungen von Geschlechtlichkeit und neuen Formen von Allegorien. Zusammen mit der Kulturwissenschaftlerin Elisabeth Bronfen sind wir durch die Bestände der Graphischen Sammlung gegangen. Dabei konnten über die Jahrhunderte thematische Konstanten und überraschende Parallelen ausgemacht werden, die im Stile der legendären ikonographischen Studien von Aby Warburg aufgezeigt werden sollen.

Kuratorisches Team: Alexandra Barcal, Graphische Sammlung ETH Zürich, Prof. em. Elisabeth Bronfen (Kultur- und Literaturwissenschaftlerin und ehemalige Professorin für Anglistik an der Universität Zürich)

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