AUSSTEL­LUNGEN VON 1891–2024

Die Graphische Sammlung stellt seit 1891 aus.
Alle Ausstellungen sind hier chronologisch aufgelistet.


2023

Stetige Bewegung und Formveränderung sind die Wesensmerkmale der Wolke. Indem sich die Wolke in ihrer mobilen Vielgestaltigkeit erfolgreich jeglicher Fixierung entzieht, ist es ihr im Umkehrschluss möglich, alles zu sein: vom sublimen Sehnsuchtswesen und bedeutungsschwangeren Gebilde über Wohnstatt der Götter bis hin zu nichts als einem Haufen kondensierten Wassers. Wenn aber das Wesen der Wolke in ihrer fortwährenden Beweglichkeit und Gestaltmetamorphose besteht, wie soll sie dann im Bild festgehalten werden? Ist eine auf Papier oder Leinwand gebannte Wolke per se eine gefangene oder gar tote Wolke? Die Bilder der Ausstellung zeigen, wie die Wolke den Ortswechsel vom Himmel aufs Papier mit Gewinn überstehen kann. Vorausgesetzt der Wolkenfänger versteht sein Handwerk. Denn in den graphischen Künsten ist jede der vielen Techniken geeignet, einem anderen Aspekt der Wolke zu huldigen und will deshalb gezielt eingesetzt sein.
Spätestens seitdem Johann Wolfgang von Goethe in einem Gedicht die Einteilung der Wolkentypen durch den Meteorologen Luke Howard dichterisch reflektierte, wird die Kraft der Wolken gefeiert, Kunst für Wissenschaft zu begeistern. Und sind die Namen, die Howard den Wolken gab – Cirrus, Cumulus und Stratus (lateinisch Haarlocke, Haufen und hingebreitete Decke) – nicht wiederum Ausweis von dessen Poesie?
Diesem anregenden Verschmelzungspotenzial der Wolke wird in der Ausstellung Rechnung getragen. Die Perspektive von Kunstschaffenden aus sieben Jahrhunderten – darunter Lucas van Leyden, Lorenzo Tiepolo oder Meret Oppenheim – wird durch Werke aus dem schier unerschöpflichen Fundus des Bildarchivs der ETH-Bibliothek ergänzt, das hier vor allem durch Fotografien von den Naturwissenschaftlern und Forschungsreisenden Arnold Heim und Walter Mittelholzer vertreten sein wird.

Kuratiert von: Susanne Pollack (Graphische Sammlung ETH Zürich) und Nicole Graf
(Bildarchiv der ETH-Bibliothek)

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Die Ausstellung «Lill Tschudi. Die Faszination des modernen Linolschnitts», die im Winter 2021/22 in der Graphischen Sammlung ETH Zürich zu sehen war, wird im Herbst 2023 in einer überarbeiteten Form in Wien in der Universitätsgalerie gezeigt.

Diese Kooperation bietet sich aus zwei Gründen an: Die Glarner Künstlerin Lill Tschudi (1911–2004) ging 1929 nach London, um sich an der Grosvenor School of Art für Linolschnittkurse einzuschreiben. Ihr Lehrer Claude Flight (1881–1955) begeisterte sich für den Werkstoff des Linoleums wegen Franz Čižek (1865–1946), dem österreichischen Maler und Kunstpädagogen, der an der «Angewandten» den Linolschnitt als innovatives und gestalterisches Ausdrucksmittel anwendete. In der sogenannten Čižek-Schule liess er seine Schüler mit einfach geschnitzten Formen experimentieren, um ihren Sinn für Bewegung zu schärfen. Nach einer persönlichen Begegnung begann Flight ab 1919 nicht nur selbst in Linol zu arbeiten, sondern später auch Teile von Čižeks Methodik im eigenen Unterricht zu integrieren.

Die lebenslange Faszination von Lill Tschudi für diese Technik ist gleichzeitig auch auf ihr grosses Vorbild, die österreichische Tiermalerin Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978) zurückzuführen, deren farbenprächtige Linolschnitte sie bereits als junges Mädchen für sich entdeckt hatte.
Um diese Parallelen herausarbeiten zu können, wird der eigene Bestand an ikonischen Werken der Künstlerin mit aufschlussreichen Originalen aus dem Bestand von Kunstsammlung und Archiv der Universität für Angewandte Kunst Wien ergänzt.

Eine Ausstellung von Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien in Kooperation mit Graphischer Sammlung ETH Zürich

Kuratorenteam: Stefanie Kitzberger und Robert Müller in Kooperation mit Alexandra Barcal (Graphische Sammlung ETH Zürich)

 

 

Lill Tschudi
Telephonmonteure/ Fixing the Wires, 1932
Farblinolschnitt auf Japanpapier
30.2 × 20.2 cm
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. 1933.87

Die ETH Zürich besitzt mit ihrer Graphischen Sammlung eine einmalige Preziose: 1867 als klassische Studien- und Lehrsammlung gegründet, hat sie sich inzwischen zu einer Institution entwickelt, die das Verständnis und die Vermittlung für Kunst auf Papier aktiv fördert – weit über die ETH hinaus. Heute zählt die Graphische Sammlung ETH Zürich zu den bedeutendsten und umfangreichsten Museen ihrer Art in der Schweiz wie auch im internationalen Vergleich. Von Albrecht Dürer bis Louise Bourgeois, von Rembrandt bis Miriam Cahn und von Francisco de Goya bis Andy Warhol – grosse nationale und internationale Namen sind genauso vertreten wie junge Kunstschaffende. Ihre rund 160’000 Werke repräsentieren auf einzigartige Weise die Kunstgeschichte vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Bisher waren punktuell einzelne Schwerpunkte der Graphischen Sammlung ETH Zürich in externen Ausstellungen gezeigt worden. Doch nun wird im Museo d’arte della Svizzera italiana (MASI) in Lugano zum ersten Mal überhaupt ein umfangreicher Querschnitt des hochkarätigen Bestandes präsentiert. Rund 300 Werke von so bekannten Kunstschaffenden wie Rembrandt, Goya, Picasso, Warhol und Bourgeois sind in der Ausstellung zu entdecken. Die Präsentation der Highlights bietet einen Augenschmaus für Besucher:innen. Zugleich vermittelt sie Hintergrundinformationen zum Kontext der Entstehung, Verwendung und Wertschätzung der Werke durch die Jahrhunderte hindurch.

Zur Ausstellung ist ein reich illustrierter Katalog erschienen (DE / ENG / IT).

Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung

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Albrecht Dürer
Rhinocerus
1515
Holzschnitt und Typendruck
24.3 × 30.8 cm
Inv.-Nr. D 13000
Graphische Sammlung ETH Zürich

Unzählige Geschichten ranken sich um die Kulturlandschaft Tessin. Mit romantischen Vorstellungen über die Schönheit der Natur, dem mediterranen Klima und seiner «Italianità» zieht der Kanton seit Jahrhunderten nicht nur Reisende, sondern auch immer wieder Kunstschaffende in seinen Bann. Stetig fliesst ein reichhaltiges und diverses Spektrum an künstlerischen Positionen durch die Kulturlandschaft des Tessins und zeichnet sie. Diese Vielfalt geht nicht zuletzt auch auf die einzigartige geografische Situation der Region zurück. Durch die Lage komplett südlich der Alpen bildet sich über die Jahrhunderte hinweg eine kulturelle Nähe zu Italien, die Tessiner Künstler:innen zu Studienaufenthalten und Erwerbstätigkeit in die italienischen Zentren verleitet. Der Aufschwung des Tourismus in der Schweiz im 18. und 19. Jahrhundert hinterlässt seine Spuren auch im Tessin, welches vermehrt zu einem Motiv malerischer Landschaften wird. Mit der Eröffnung des Gotthardtunnels 1882 entsteht erstmals eine schnelle und direkte Verbindung zwischen dem Süden und Norden der Alpen, die das Reisen und den Austausch zwischen Kunstschaffenden befördert. Im Zuge dieser neuen Beweglichkeit zwischen Nord und Süd wird die Region zu einem Zentrum regerkünstlerischerTätigkeit, in dem verschiedene Persönlichkeiten und Positionen aufeinandertreffen, sichtbar an der Gründung diverser Künstlergruppenwie «Der Grosse Bär» und «I Solidali», oder an den Aktivitäten um die Künstlerkolonie auf dem Monte Verità.
Anhand ihrer eigenen Bestände setzt die Graphische Sammlung ETH Zürich eine Auswahl an Kulminationspunkten künstlerischer Aktivität in und um den Kanton Tessin vom 17. Jahrhundert bis heute in den Fokus. Einerseits wird das Tessin in der Ausstellung als Motiv aufgegriffen: In Landschaftsdarstellungen, als Entstehungsort von Kunst oder als wesentlicher Bestandteil von Künstlerbiografien. Andererseits wird das Tessin als Kulturraum behandelt: als Wirkungsstätte von Kunstschaffenden, als Ort der Begegnung unterschiedlicher Positionen oder als Ort der Inspiration. Präsentiert werden Tessiner Kunstschaffende sowie weitere Künstler:innen, für die der Kanton ein wichtiger Bezugsort in ihrer Tätigkeit darstellt. So reichen die gezeigten Positionen von der Federzeichnung des Pier Francesco Mola (1612–1666), Landschaften von Ludwig Hess (1760–1800) über Werke von Hans Arp (1889–1966), Imre Reiner (1900–1987), Anita Spinelli (1908–2010) oder den in der Druckerei Lafranca entstandenen Grafiken von Mark Tobey (1890–1976) und Flavio Paolucci (*1934) bis zu den Architekturentwürfen von Mario Botta (*1934).

Kuratiert von: Saskia Goldschmid, Graphische Sammlung ETH Zürich

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Heutzutage sind Themen wie Globalisierung, der Klimawandel und das Anthropozän in aller Munde. Sie haben auch einen grundlegenden Einfluss darauf, wie das Verhältnis zwischen Mensch und Pflanze interpretiert oder gar neu gelesen wird. In der Ausstellungsintervention in Vaduz wird diese Relation unter dem Aspekt einer «Politik der Pflanzen» in den Blick genommen und als Ausstellung in der Ausstellung präsentiert. Grenzziehungen, die Frage nach dem Eigenen und Fremden, nach der Dominanz von Kultur oder Natur, aber auch ökonomische Interessen, Spekulation oder geopolitische Dimensionen natürlicher Ressourcen geraten in den Fokus.

Ausgehend vom eigenen Bestand sind verschiedene – grösstenteils zeitgenössische – künstlerische Positionen zu entdecken, die sich mit diesen aktuellen Themen beschäftigen. Das kann ein kritischer Kommentar sein wie etwa derjenige von Melanie Smith (geb. 1965), die in ihrer Serie «Fordlandia» Henry Fords missglückten Versuch beleuchtet, mit dem er Mitten im brasilianischen Dschungel eine Kautschuk-Fabrikation westlichen Zuschnitts aufbauen wollte. Oder es kann eine künstlerische Umsetzung sein wie bei Sebastian Utzni (geb. 1981), der in seiner Serie «Herbarium Turicum» anhand von Neophyten (nicht-heimische Pflanzen) die Frage aufwirft, ab wann etwas ausländisch und ab wann etwas heimisch ist. Schliesslich kann auch das Zusammenspiel von natürlichen und urbanen Prozessen zur Sprache kommen, wie es Monica Ursina Jäger (geb. 1974) in ihren Collagen «shifting topographies» herausgearbeitet hat. Sie alle (und weitere mehr) bieten einen facettenreichen Blick auf die Politik der Pflanzen.

Eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich

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Monica Ursina Jäger
Shifting topographies. 10, 2018
Chlorophyllin, Aquarell, Gummi Arabicum, Graphit, Papierschnitt und Collage [Postkarte, Klebband] auf Velin
28.1 × 20.8 cm
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. 2020.356

Noch immer gibt es Kunstschaffende, die durch das Netz des Kanons fallen: Friedl Dicker-Brandeis (1898 –1944) gehört zweifellos dazu. Und dies, obwohl sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein beeindruckendes und weit verzweigtes Werk schuf. Es umfasst sowohl bildende wie auch angewandte Kunst, Bühnenbild, Architektur und Design. Geprägt vom Studium an der Wiener Kunstgewerbeschule, an der Itten-Privatschule und am Weimarer Bauhaus, arbeitete Dicker-Brandeis in unterschiedlichen Medien und Genres. In ihrem Schaffen spiegeln sich ihre reformorientierten Bestrebungen genauso wie ihre Beschäftigung mit Musik und mit Schrift-Bild. Herausragend ist dabei stets die gekonnte Übersetzung formaler Aspekte zwischen den Medien.
In Europa erlangte Dicker-Brandeis’ Werk seit den 1990er-Jahren eine grössere Aufmerksamkeit, doch in der Schweiz ist es bislang noch nie in einer Einzelausstellung präsentiert worden. Basierend auf dem einzigartig grossen Bestand in Kunstsammlung und Archiv der Universität für Angewandte Kunst Wien schliesst die Graphische Sammlung ETH Zürich nun diese Lücke. Die Ausstellung stellt Friedl Dicker-Brandeis’ Schaffen in ihrer Breite vor und beleuchtet ihre Stationen in Wien und Berlin, im Exil und als Deportierte. Wie viele ihrer Generation fand Dicker-Brandeis über Jahrzehnte keinen Eingang in die Kunstgeschichte der europäischen Moderne. Begründet ist dies nicht zuletzt in der Zerstörung ihres architektonischen Werkes und der Verfolgung und Ermordung als links positionierte, jüdische Künstlerin. Die erstmalige Präsentation in der Schweiz wird die hervorragende Qualität ihrer künstlerischen Arbeit in den Fokus rücken.

Zur Ausstellung erscheint im Verlag De Gruyter eine umfangreiche, reich illustrierte Publikation (DE / ENG). CHF 49.95 / EUR 49.95.

Eine Kooperation mit

Kuratiert von: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich, in Kooperation mit Cosima Rainer, Stefanie Kitzberger, Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien und Robert Müller, Künstler

Die Ausstellung steht unter dem Patronat der österreichischen Botschafterin in der Schweiz, Maria Rotheiser-Scotti.

Mit freundlicher Unterstützung von

 

Sowie jenen Fördergeber:innen, die anonym bleiben möchten.

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2022

Die Zürcher Druckwerkstatt von Thomi Wolfensberger gilt als eine der renommiertesten Adressen für den Steindruck weit über die Landesgrenzen hinaus. Was passiert genau, wenn Kunstschaffende mit dem Drucker vor Ort in einen Dialog treten? Drei Jahre lang beobachtete ein transdisziplinäres Forschungsteam die eingeübten wie intuitiven Abläufe, Arbeitsschritte und Handgriffe bei der Herstellung von künstlerischer Druckgraphik und dokumentierte diese auf vielfältige Art und Weise. Diese Untersuchung fand im Rahmen des von Christoph Schenker, Mara Züst und Michael Günzburger konzipierten SNF-Projekts «Hands-on. Dokumentation künstlerisch-technischer Prozesse im Druck» (2018–2021) der ZHdK statt. Den drei eingeladenen Künstler:innen Dominik Stauch, Sabine Schlatter und Michael Günzburger wurde dabei ganz genau auf die (er)schaffenden Finger geschaut.

Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung präsentiert nun einerseits eine Auswahl aus dem umfangreichen Archiv von «Artefakten», die dabei entstanden sind: von Druckvorlagen und Ausziehbögen über Schablonen und Farbtests bis zu Probe- und finalen Auflagedrucken – alles wurde genauestens inventarisiert und aufbewahrt. Andererseits kann der Prozess des Druckens für einmal multiperspektivisch erfahrbar gemacht werden. Das Projektteam hat das Geschehen nicht nur mit Hilfe von Kameras und ethnographischen Notaten festgehalten, sondern auch ein «Prozessvokabular» für das Erfassen der einzelnen Handhabungen entwickelt. Alle gesammelten Daten fanden schliesslich Eingang in einem «User Interface», einer Benutzerschnittstelle, die alle Beobachtungen, Texte und Gespräche sowie das komplette Inventar der Werkstatt mit all ihren Maschinen, Instrumenten und Materialien digital für das Publikum zugänglich macht. Nicht zuletzt bietet die Ausstellung den Besucher:innen die Möglichkeit, einen Teil des Archivmaterials selbständig zu erkunden und die eigenen Beobachtungen zu diskutieren. In einer eigentlichen «Schule des Beobachtens» sollen zentrale Momente im technischen und schöpferischen Prozess nachvollzogen werden. Und vielleicht werden auch einige Geheimnisse des Druckens enthüllt!

Kuratoren-Team:
Alexandra Barcal, Graphische Sammlung ETH Zürich, Prof. Christoph Schenker, ehemaliger Leiter Institute for Contemporary Art Research (IFCAR) an der ZHdK

 

Mit freundlicher Unterstützung von:

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Japanische und chinesische Farbholzschnitte gehören zu jenen Bildern, die ästhetisch  unmittelbar anziehend sind. Die Anerkennung des Reizvollen ihrer filigran  geschwungenen Linien, eigenwillig aneinandergefügten leuchtenden Farbflächen,  entwaffnenden Formenklarheit oder kühnen Bildausschnitte ist unabdingbar.

Die Graphische Sammlung ETH Zürich hat – schweizweit gesehen – früh begonnen  ostasiatische Kunst auf Papier in ihren Bestand aufzunehmen und damit Ansätze einer global denkenden Kunstgeschichte verfolgt. 1904 fand die bisher einzige Ausstellung dieses Bestandes in ihren Räumen statt. Damals wurden die Holzschnitte der japanischen Meister neben Werken der europäischen Heroen dieser Drucktechnik, allen voran Albrecht Dürer, gezeigt.

Ganze 118 Jahre später wissen wir um die entscheidende Bedeutung der japanischen
Farbholzschnitte für den Beginn der Moderne. In dieser Ausstellung werden die  ostasiatischen Graphiken deshalb durch europäische Meistergraphiken aus der eigenen Sammlung vom Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts ergänzt, darunter  Blätter von Edouard Manet, Edgar Degas, Henri de Toulouse-Lautrec, Emil Orlik oder Martha Cunz.

Die Heterogenität des Ostasiatika-Bestandes der Graphischen Sammlung erlaubt, ganz verschiedene Facetten japanischer und chinesischer Druckgraphik zu zeigen: von den berühmten Landschaften Utagawa Hiroshiges (1797 – 1858), über die idealschönen Frauen Utamaro Kitagawas (1753 – 1806) oder den einflussreichen Manga-Bänden von Katsushika Hokusai (1760 – 1849), bis hin zu Darstellungen von Schauspielern, aufmerksamen Pflanzen- und Insektenstudien sowie den kurzweiligen Shunga-Drucken mit teils überraschend explizit erotischem Gehalt.

Zur Ausstellung erscheint eine umfangreiche Begleitpublikation im Michael Imhof Verlag.

Kuratiert von: Susanne Pollack, Graphische Sammlung ETH Zürich und Hans Bjarne Thomsen, Abteilung für Kunstgeschichte Ostasiens, Universität Zürich

 

Mit freundlicher Unterstützung:

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Blau ist die Erde, wenn sie vom Weltall aus betrachtet wird. Blau ist ein synthetisch höchst schwierig herzustellender Farbstoff. Blau ist die Farbe der Cyanotypie, und Blau ist Symbol für die
geo-ökonomische Theorie der «Blauen Banane». Wenn die Schweizer Künstlerin Daniela Keiser (geb. 1963) sich mit der Farbe, oder genauer: dem Phänomen «blau» auseinandersetzt, klingen diese Bereiche in der einen oder anderen Form an.
Die Einzelausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich widmet sich nun einer – notabene blauen – Werkgruppe, die einen wichtigen Meilenstein für Keiser markiert. Ausgangspunkt für ihr Vorhaben ist ihre mehrjährige Beschäftigung mit der Cyanotypie. Dies ist ein fotografisches Verfahren, das blau gefärbte Abzüge generiert. Die Künstlerin aktualisiert die Technik aus der Gründerzeit der Fotografie im Hier und Jetzt: Digitale eigene Fotografien oder gefundene Abbildungen werden in einem mehrstufigen Prozess als Cyanotypie umgesetzt. Motivisch und inhaltlich beschäftigt sich die Künstlerin dabei mit Phänomenen wie Landschaftsformationen, Besiedlungsstrukturen, Agrarhandel oder mit der Farbe an sich. Wichtige Inspirationsquelle war dabei die Theorie der «Blauen Banane», mit der 1989 eine dicht bevölkerte Region zwischen Manchester und Mailand definiert wurde. Dieser Raum wird aufgrund seiner globalen Verflechtungen als aktive und dynamische Zone begriffen. Von dieser Theorie fasziniert, suchte Keiser einerseits NASA-Aufnahmen, welche die Erde vom Weltall aus zeigen und die dicht besiedelte Region anhand der Lichtbänder sichtbar machen. Andererseits ist sie selbst an die Ränder dieser wirtschaftlich prosperierenden Zone gereist und fotografierte Basalt- und Flysch-Gesteinsstrukturen. Es entstanden Bilder von Panská skála in Tschechien, vom Giant’s Causeway in Nordirland sowie von Regionen in Nordspanien und Südfrankreich, die Keiser ebenfalls in Cyanotypien transformierte. Die Reise zu diesen Orten wird auch kuratorisch aufgenommen. So sind in zwei der drei Regionen – in Belfast und Dresden – zeitgleich zur Zürcher Ausstellung einzelne Werke als gezielte künstlerische Interventionen zu sehen. Die multinationale Kooperation wird von einer reich illustrierten Publikation ergänzt.
Eine Kooperation der Graphischen Sammlung ETH Zürich, Dr. Linda Schädler, mit dem Kupferstich-Kabinett, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Dr. Stephanie Buck und Dr. Björn Egging, und dem Ulster Museum, Belfast, Anna Liesching.

Kuratorin: Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich

Mit freundlicher Unterstützung:

                        

 Stadt Zürich
Ernst und Olga Gubler-Hablützel Foundation
Erna und Curt Burgauer Foundation

 

 

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Scheibenrisse sind Entwurfszeichnungen für Glasmalereien. Die kleinformatigen Glasgemälde gelten als schweizerische und süddeutsche Eigenheit, die im 16. und 17. Jahrhundert durch die Sitte der Wappen- und Fensterschenkungen eine Hochblüte erlebten. Ein Scheibenriss legt das Bildprogramm mit dem Stifterwappen fest; manchmal sind auch Informationen zum Bleirutennetz oder zu den Farben der Gläser vermerkt.

Die Graphischen Sammlungen der Zentralbibliothek Zürich, der ETH Zürich, des Kunsthaus Zürich und des Schweizerischen Nationalmuseums besitzen bedeutende historische Bestände an Scheibenrissen. Sämtliche wichtigen Künstler ihrer Zeit sind darin mit herausragenden Blättern vertreten. Die Ausstellung in der Schatzkammer der Zentralbibliothek zeigt 60 Scheibenrisse aus den Beständen der vier Sammlungen.

Allegorien, biblische Geschichten, Szenen aus dem Alltag, aus der Berufswelt, repräsentative Standeswappen oder Familienwappen gehören zu den beliebtesten Sujets und geben einen vielfältigen Einblick in das damalige Leben. Kostbare Glasgemälde aus der Sammlung des Schweizerischen Nationalmuseums, die nach Scheibenrissen in der Ausstellung entstanden sind, erweitern die Thematik. Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog und unter https://www.zb.uzh.ch/de/exhibits können sich die Besucherinnen und Besucher zu den verschiedenen Begleitveranstaltungen informieren.

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Kuratoren-Team:
Jochen Hesse, Zentralbibliothek Zürich
Mylene Ruoss, Schweizerisches Nationalmuseum Zürich
Jonas Beyer, Kunsthaus Zürich
Susanne Pollack, Graphische Sammlung ETH Zürich

 

Daniel Lindtmayer, Oberlichtentwürfe mit fünf Darstellungen des Ackerbaus und der Käserei, um 1601, Feder in Schwarz, grau laviert, 308 x 204 mm, Graphische Sammlung ETH Zürich

2021

Technik, Tempo und Telefon – das war die moderne Welt, wie sie Lill Tschudi (1911–2004) in den grossen europäischen Metropolen erlebt hatte. 1929 ging die Glarner Kaufmannstochter nach London, um an der Grosvenor School of Modern Art eine künstlerische Ausbildung zu geniessen. Bald machte sich die  talentierte Künstlerin mit ihren Farblinolschnitten einen Namen. In den 1930er- und 1940er-Jahren erlangte sie innerhalb der Modernist British Printmaking-Bewegung grosse Bekanntheit im angelsächsischen Raum, die bis heute anhält. Das Metropolitan Museum in New York besitzt ein stattliches Konvolut von 118 Blättern, ihre Werke werden an Auktionen in England und  Australien nach wie vor erfolgreich angeboten und verkauft. In ihrer Schweizer Heimat jedoch ist sie weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung und der begleitende Katalog präsentieren Tschudis ikonische Werke aus dem eigenen Bestand zusammen mit Leihgaben aus dem In- und Ausland. Die Auswahl wirft neues Licht auf die grosse Meisterin des Linolschnitts.

Sport und Jazz, pulsierendes Grossstadtleben neben beschaulichen Szenen aus der ländlich geprägten Schweiz, aber auch Eindrücke aus dem Frauenhilfsdienst während des Zweiten Weltkrieges – das thematische Spektrum ist bei Lill Tschudi eindrücklich, die technische Brillanz sucht ihresgleichen. Im Zuge der umfassenden Recherchen zu ihrem Werk wurden erstaunliche Funde gemacht. Einblicke in private Sammlungen und in den Nachlass der Künstlerin erlauben es, das Spektrum der bekannten Linoldrucke um bislang unbekanntes Material wie Vorzeichnungen, Ölbilder, Skizzenbücher sowie Druckplatten aufzuspannen. Dazu sind auch Beispiele von angewandter Graphik, z.B. Entwürfe für Plakate oder Stoffmuster zu zählen. Tschudi hat in Paris bei Fernand Léger (1881–1955) «publicité» studiert und sich eine Zeit lang intensiv mit Werbung beschäftigt. Besonders hervorzuheben ist ausserdem ein neu entdecktes Album: in Form eines Leporellos hat hier die Künstlerin Motive aus der damals schillernden Welt der Illustrierten gesammelt, eingeklebt und damit einen eigentlichen Bildfundus angelegt. Diese Trouvaille kann als Schlüssel zum bewegten Leben und Schaffen dieser aussergewöhnlichen Frau bezeichnet werden. Auch wenn ihre Biographie in der damaligen Zeit eine Ausnahmeerscheinung war, so wird dennoch klar, dass es in der Schweiz damals begabte Künstlerinnen gab, die mit ihrem unbeugsamen Willen unbeirrt ihren schöpferischen Weg verfolgten.

Kuratorenteam: Alexandra Barcal, Graphische Sammlung ETH Zürich, und Marcel Just, Gastkurator

Mit freundlicher Unterstützung:

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Gesimse finden sich überall. Beginnt man nach ihnen Ausschau zu halten, wirkt ihre Omnipräsenz beinahe irritierend. Fenster, Türen, Decken, Spiegel und Wandverkleidungen aus allen Jahrhunderten weisen an ihren Rändern kunstvolle Profile auf. Die Trauflinie jeder Stadtstrasse stellt ein Sammelsurium von Gesimsen in verschiedensten Ausgestaltungen und Materialien dar. Doch damit nicht genug: Autos, Kleidung, Möbel und Haushaltsgegenstände weisen ihre eigenen gesimsartigen Elemente auf. Streifen, Bänder und Linien aus Farbe wirken wie Gesimse, wenn sie Artefakte unterschiedlichster Art einrahmen oder krönen. Und dennoch werden sie leicht übersehen. Sie erfahren weitaus weniger Aufmerksamkeit in der Architektur, Kritik und Theorie als beispielsweise Säulen und deren klassischen Ordnungen. Aus diesem Grund wird dieses unterschätzte architektonische Element in einer Ausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich einer Neubewertung unterzogen. Das Gesims erhält dort seinen längst überfälligen grossen Auftritt. Die gemeinsam von der Graphischen Sammlung ETH Zürich, Dr. Linda Schädler, und der Professur für Geschichte und Theorie der Architektur ETH Zürich, Prof. Dr. Maarten Delbeke, organisierte Ausstellung wird sich mit den zahlreichen Erscheinungsformen des Gesimses in Kunst und Architektur beschäftigen.

Das Gesims, einst ein wesentlicher Teil jeder klassischen Architekturkomposition, zog zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Zorn der Modernisten auf sich. Es wurde verschiedentlich als der ausdrucksstärkste, aber auch als der problematischste Teil der Architektur bezeichnet. In Zeichnungen, Radierungen und Kunstwerken hat es immer wieder die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Daher eröffnet die Geschichte des Gesimses in vielerlei Hinsicht eine neue Sichtweise auf die vielfältigen Geschichten der Architektur und ihrer Repräsentationen.

Um diese Geschichten freizulegen und die komplexe Rolle des Gesimses in Architektur, Städtebau und Kunst herauszuarbeiten, vereint die Ausstellung eine einzigartige Auswahl von über 150 Zeichnungen, Drucken, Büchern und Objekten vom 15. Jahrhundert bis heute, von denen einige zum ersten Mal in der Schweiz gezeigt werden. Zu den ausgestellten Autoren und Künstlern gehören neben vielen anderen Francesco di Giorgio, Gottfried Semper, Frank Lloyd Wright und Le Corbusier. Wichtige Werke früherer Jahrhunderte aus den ETH-Sammlungen – Druckgrafiken, Zeichnungen und seltene Bücher – werden in einen direkten Dialog mit Leihgaben aus bedeutenden Institutionen im In- und Ausland treten, unter anderem aus der Fondation Le Corbusier, Paris, dem Louvre, der Biblioteca Nazionale Centrale di Firenze, dem Art Institute of Chicago, dem Canadian Centre for Architecture, Montreal, dem Drawing Matter Archive (GB), den Staatlichen Museen zu Berlin sowie dem Museum Rietberg, Zürich. Dadurch wird die Ausstellung die «unterschätzte Horizontale» in fünf Jahrhunderten des Kunst- und Architekturschaffens sichtbar machen.

Kuratiert von der Graphischen Sammlung ETH Zürich, Dr. Linda Schädler, und der Professur für Geschichte und Theorie der Architektur ETH Zürich, Prof. Dr. Maarten Delbeke

Assistenzkurator*innen: Anneke Abhelakh (gta), David Bühler (gta) und Dr. Emma Letizia Jones (ehemals gta)

Mit freundlicher Unterstützung durch:

      ORAC, Oostende

 

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Saalblatt

 

 

«Mit dem Wissen wächst der Zweifel.» Gerade in Krisenzeiten gewinnt Goethes Ausspruch an Aktualität. Während die Sicherheit einer absoluten Gewissheit bröckelt und irrationale Erklärungsmuster Hochkonjunktur haben, geraten die Ideale der Aufklärung an vermeintliche Grenzen. Dass Wissen nicht in Stein gemeisselt ist, wird schon lange diskutiert. Seit einigen Jahrzehnten ist zudem die Frage ins Zentrum gerückt, wie Wissen räumlich organisiert ist. Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich knüpft an diese Diskussionen an. Sie lädt zu einer Auseinandersetzung mit den räumlichen Strukturen des Wissens ein und zeigt, wie unterschiedlich Gegenwartskünstler*innen damit umgehen.

Wo wird Wissen hervorgebracht, strukturiert, aufbewahrt und vermittelt? Wie kommen Ordnungsstrukturen in Architektur und Raumausstattung zum Ausdruck? Und umgekehrt: Wie stark definieren architektonische Gegebenheiten wiederum das Wissen, das eine Gesellschaft von sich und der Welt zu besitzen glaubt? Fragen nach der Rolle von Wissensräumen sind seit Ende der 1980er-Jahre zunehmend in den Fokus theoretischer Diskurse gerückt. Sie haben unser Bewusstsein dafür geschärft, dass die Auswahl, Organisation und Präsentation von Inhalten stets einen Einfluss auf deren Deutung haben. Auch Künstler*innen thematisieren in ihren Werken Wissensorte und machen darin versteckte Machtstrukturen sichtbar. So werden etwa Enzyklopädien, Archive oder Hochschulen in den Blick genommen und auf ihre Rolle in der Entstehung von Wissenssystemen befragt.

In der Ausstellung «Räume des Wissens» präsentiert die Graphische Sammlung ETH Zürich verschiedene künstlerische Zugänge zu Wissenskonzepten und ihren Ordnungssystemen. Verhältnisse zwischen physischen und virtuellen Sammlungsräumen werden ebenso ausgelotet wie die Beziehungen zwischen analogen und digitalen Schriftträgern. So setzt sich etwa die Künstlerin Fiona Tan (*1966) in ihrem Werk Shadow Archive (2019) mit Paul Otlets Mundaneum auseinander. Mit dem um 1900 entwickelten Projekt wurde kein geringeres Ziel verfolgt, als das gesamte Weltwissen an einem Ort zu speichern und jedem verfügbar zu machen. In Tans Bildern verwandelt sich das utopische Vorhaben, auch als «Papier-Google» bekannt geworden, in eine dystopische Szenerie. Der Künstler Luc Tuymans (*1958) wirft in seiner Arbeit The Temple (1996) ebenfalls Fragen nach der Inszenierung und Zugänglichkeit von Wissensbeständen auf. Dafür beschäftigt er sich mit dem grössten genealogischen Archiv der Welt, das Milliarden von Daten umfasst. Aufgebaut und betrieben von der Mormonischen Kirche, liegt es tief im Inneren eines Granitbergs. In seinen Darstellungen gewährt uns Tuymans seltene Einblicke in diese Räumlichkeiten. Er setzt allerdings auf Verschleierungs- und Verfremdungstaktiken, die beinahe zur Auslöschung jeglicher Bildinformation führen. Verstrickungen zwischen einem Geist, der von Neugierde und Wissensdurst angetrieben ist, und im Verborgenen wirkenden Allmachtsphantasien liegen der Erzählung Die Bibliothek von Babel von Jorge Luis Borges zugrunde. Die als unendlich beschriebene, fiktive Bibliothek erfährt in Érik Desmazières (*1948) Radierungen eine schaurig-schöne visuelle Umsetzung. Dagegen nähert sich die Fotografin Candida Höfer (*1944) mit einem nüchternen, distanzierten Blick Institutionen wie Hochschulen, Bibliotheken und zoologischen Gärten an. Sie zeigt uns beispielsweise die Innenräume der ETH Zürich, womit sie auch zu einer genaueren Betrachtung des lokalen Kontexts anregt.

Als roter Faden der Ausstellung scheint die Vorstellung von einer «Enzyklopädierbarkeit» des Wissens auf, die sich – und dies zeigen die Kunstwerke auf – jedoch als Trugschluss erweisen muss. Der Wunsch nach einem Wissen, das stabil ist, alles umfasst und das systematisch und möglichst einheitlich dargestellt werden kann, ist unerfüllbar. Ein universeller Überblick ist ebenso illusorisch wie die Vorstellung, dass sich die Komplexität der Welt bändigen und beherrschbar machen liesse. Es bleiben stets Bereiche des Ungewissen. Die Ausstellung möchte sich auch diesen Bereichen annähern – wissend, dass unser Erkenntnishorizont begrenzt ist und es Dinge gibt, die sich in ihrer Gesamtheit niemals ergreifen lassen.

Kuratorin: Laura Vuille, Graphische Sammlung ETH Zürich

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2020

Jede Zeit wählt ihre Stars. Und jede nachfolgende Epoche entscheidet, ob sie deren Licht verlöschen oder gar noch heller erstrahlen lässt. Zu gerne wüssten wir, welche Berühmtheiten unserer Tage auch unsere Urenkel noch begeistern werden. Es ist das Privileg der Kunst längst vergangener Jahrhunderte, diese Antwort schon zu kennen. Agostino Carracci (1557–1602) und Hendrick Goltzius (1558–1617) gehören zu denen, die es geschafft haben.
Sie waren die tonangebenden Kupferstecher des späten 16. Jahrhunderts, der eine in Italien, der andere in den Niederlanden, und auch heute werden ihre Werke in Ausstellungen gezeigt, auf dem Kunstmarkt gehandelt, in Seminaren besprochen und von Künstlerinnen und Künstlern als Inspirationsquelle verwendet. Erstaunlicherweise sind die beiden Künstler bisher noch nie im Vergleich ausgestellt worden. Denn neben dem Erfolg, den sie als Kupferstecher hatten, laden noch weitere Parallelen zu einer Gegenüberstellung ein: Beide waren literarisch und kunsttheoretisch interessiert und gründeten in ihrer Heimat eine Akademie. Unabhängig voneinander entdeckten Carracci und Goltzius das illusionistische Potential an- und abschwellender Linien. Durch die Weiterentwicklung dieser technischen Innovation legten sie die Grundlage für den Kupferstich des Barockzeitalters. Trotz ihrer herausragenden Erfolge im Medium der Druckgraphik wandten sich beide als reife Künstler von dieser Technik ab und vermehrt der Malerei zu.

Die Ausstellung zeichnet aber nicht nur ihre parallelen Lebenslinien nach, sondern fragt auch nach Berührungspunkten.  Um aufzuzeigen, wie sich die beiden Künstler gegenseitig wahrnahmen und beeinflussten, wird das gesamte thematische Spektrum ihrer Werke präsentiert, das von Bildern der Andacht über Porträts bis hin zu explizit erotischen Darstellungen reicht.  Den unterschiedlichen Funktionen der Bilder entsprechen unterschiedliche Formate. Zu sehen sind daher Werke so klein wie  Briefmarken und andere, die die Grösse einer Tischplatte haben.

Zur Ausstellung ist eine umfangreiche Begleitpublikation im Michael Imhof Verlag in deutscher sowie in englischer Sprache erschienen.

Kuratoren: Dr. Susanne Pollack, Graphische Sammlung ETH Zürich und
Dr. Samuel Vitali, Kunsthistorisches Institut in Florenz – Max-Planck-Institut

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BEGLEIT-APP ZUR AUSSTELLUNG
Man sieht nur, was man weiss – das gilt natürlich immer und heisst konkret für uns: Wissen zu Bildern macht Freude. Wer es hat, dem fallen Dinge auf, die andere übersehen. Unsere Begeisterung für Bilder und Wissen möchten wir unbedingt mit Ihnen teilen.

Anlässlich der Ausstellung entstand eine kostenlose Begleit-App, die wir mit dem Game Technology Center der ETH Zürich mit Unterstützung von LGT Private Banking entwickelt haben. Sie können die App mit dem unten stehenden QR-Code oder auf artifact-ar.ch/web herunterladen.

So geht’s:
Öffnen Sie die App, starten Sie den Kunstscanner und richten Sie die Kamera Ihres Smartphones oder Tablets auf eines der abgebildeten Kunstwerke.
Nach einer kurzen Einleitung können Sie selbst Themenpunkte wählen.

                

 

 

Der unbekannte Gertsch? Der Künstler gehört zu den bedeutendesten seiner Generation, und seine riesigen fotorealistischen Gemälde und Holzschnitte, die ab 1969 entstehen, zählen zu den Ikonen Schweizer Kunst. Von einem unbekannten Gertsch zu sprechen, mag daher kühn erscheinen. Zu Ehren des neunzigsten Geburtstags hat sich die Graphische Sammlung ETH Zürich entschlossen, dem Publikum das weitgehend unbekannte Frühwerk zu erschliessen und den Künstler von einer für viele unerwarteten Seite zu zeigen.

Die Ausstellung blickt zurück auf die Anfänge, als der junge Gertsch noch verschiedene Ausdrucksweisen ausprobierte und stilistisch sehr unterschiedlich arbeitete – auch wenn er immer der Gegenständlichkeit verpflichtet blieb. Gemeinsam mit dem Künstler wurden einzelne Themen aus dessen Sammlung ausgewählt und punktuell um Arbeiten aus dem eigenen Bestand ergänzt. Zu sehen sind Studien, Blätter aus seinen Skizzenbüchern, Zeichnungen sowie Holzschnitte und Künstlerbücher. Alle diese Werke verdeutlichen, dass Gertsch früh einen auffällig melancholischen Blick auf die Welt entwickelt hat. Seine Affinität zu romantisch angelegten Szenerien vereint sich bereits da mit einem überaus intensiven Gespür für Stimmungen, für das Atmosphärische, das charakteristisch für sein späteres Schaffen werden sollte. Hier lassen sich klare Verbindungslinien feststellen. Auch in den monochromen Farbräumen seiner vielbeachteten Hauptwerke manifestiert sich dieser entrückte Blick, ein Blick in die Ferne, ein Blick, der Räume und Zeiten überspannt.

Die Präsentation ist nicht chronologisch, sondern nach verschiedenen Motivgruppen gegliedert. Gertschs filigrane Naturstudien lassen den virtuosen Zeichner erkennen. Seine Landschaften – im Frühwerk zuweilen von der Zeit der Romantik oder von Ferdinand Hodler geprägt – wie auch seine Porträts, Figuren und Innenraumdarstellungen tauchen sowohl in den Zeichnungen wie auch als Linol- und Holzschnitte auf. Bereits mit sechzehn Jahren wandte sich Gertsch diesen Drucktechniken zu, wobei er sich zu Beginn an den altdeutschen Xylographien sowie an den linearen Holzschnitten von Aristide Maillol orientierte. Die vier ausgestellten Künstlerbücher und viele Einzelblätter zeugen zudem von Gertschs Beschäftigung mit Märchen und Sagen. Dies rührt nicht zuletzt von seiner aktiven Mitwirkung im Zirkel «Tägelleist» der Berner Subkultur. Ab 1957 und bis in die 1960er-Jahre setzte er sich mit Gleichgesinnten – unter anderem mit seinem engen Freund Sergius Golowin und mit Maria Meer, seiner späteren Ehefrau – für eine neue Wertschätzung der volkskulturellen Tradition ein. Die Mitglieder des «Tägelleists» trugen Mythen des Berner Oberlands zusammen und trafen sich regelmässig zu Vorträgen und Lesungen, was sich in einigen Motivgruppen Gertschs niederschlug.

Ergänzt wird dieser Teil der Ausstellung durch prachtvolle Farbproben, die im Korridor gezeigt werden. Sie entstehen im Verlauf des komplexen Druckprozesses der grossformatigen späteren Holzschnitte und laden dazu ein, eine weitere Facette von Gertschs Werk kennenzulernen. Die farbigen Testreihen, die der Künstler liebevoll als «études (de) couleurs» bezeichnet und für sich als eigene Sammlung abgelegt hat, fördern eine reizvolle Vielfalt von Erscheinungsformen zu Tage.

Kuratorinnen: Dr. Linda Schädler und Alexandra Barcal

Ein umfangreicher Katalog (in Deutsch und Englisch) ist im Hirmer Verlag zur Ausstellung erschienen.

Die Ausstellung wurde unterstützt durch die Stadt Bern und «SWISSLOS/Kultur Kanton Bern» und der Georges und Jenny Bloch-Stiftung.

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2019

 Intervention in der Haupthalle ETH Zürich, 4. bis 12. Dezember 2019, 6 Stunden in Zeitraffer: In einer nächtlichen Aktion hat ein Roboter in der ETH-Haupthalle mit einem einzigen Seil von ca. 1 km-Länge eine monumentale Zeichnung nach Motiven von Yves Netzhammer ausgelegt; © Yves Netzhammer / Gramazio Kohler Research, ETH Zürich

Künstliche Intelligenzen drängen immer stärker in die unterschiedlichsten Bereiche unseres Lebens. Viele Fragen drehen sich dabei um die Menschlichkeit von Robotern. Was passiert, wenn man die Maschine weiterdenken und weiterführen lässt, was der Mensch initiiert hat? Auch in der Kunst ist die Thematik relevant: Wie lassen sich Roboter in die künstlerische Produktion einbeziehen? Wer oder was bestimmt die Form? Wie geht man um mit der Ungewissheit über die eigentliche Autorschaft?

Die Graphische Sammlung ETH Zürich realisiert immer wieder Ausstellungsprojekte an der Schnittstelle zu ETH-Disziplinen. Vor diesem Hintergrund ist auch die Kooperation zwischen dem bekannten Schweizer Künstler Yves Netzhammer (*1970) und der international renommierten Professur für Architektur und Digitale Fabrikation, Gramazio Kohler Research, zu sehen. Im initiierten Austausch hat sich rasch gezeigt, dass der Faden eine zentrale Rolle im gemeinsamen Projekt spielen soll. Einerseits kommt das Material wiederholt in den Bildwelten des Künstlers vor, andererseits greifen auch die Architekten Fabio Gramazio und Matthias Kohler bei ihrer Forschung auf Geflechte aus Schnur, Garn oder Faser zurück. Entstanden ist eine raumgreifende Installation mit Robotern, die für die digitale Fabrikation in der Architektur an der ETH entwickelt worden sind. Diese Apparaturen wurden um neue Funktionen erweitert. Während man den einen Roboter eine Schnur nach Zeichnungen von Netzhammer legen lässt, wird der andere eine durch das Gleichgewicht bestimmte Maschenstruktur aus hängenden Schnüren in den Raum bauen. In einem sich wiederholenden Prozess von aufgebauten, zerfallenden und erneut erstellten Gebilden werden von der Maschine berechnete Formen an die Seite von auf menschliche Inspiration basierende Schöpfungen gestellt – und somit auch das fragile Verhältnis zwischen Mensch und Maschine thematisiert.

Die Schnur aus dem dreidimensionalen Raum findet ihre Entsprechung aber auch in Form von Linien auf dem Papier. Parallel kann das Resultat der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Druckprozess eingesehen werden: zusammen mit dem Drucker Arno Hassler (Atelier de gravure, Moutier) hat sich Yves Netzhammer auf den Tiefdruck eingelassen – dies zum allerersten Mal in seinem Schaffen. Aus den druckgraphischen Experimenten ist eine Graphikedition hervorgegangen, die zusammen mit einer umfangreichen Serie an Varianten in den Gangvitrinen präsentiert wird.

Kuratorin: Alexandra Barcal, Graphische Sammlung ETH Zürich
Mitarbeit: Petrus Aejmelaeus-Lindström und Nicolas Feihl

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Wer kennt sie nicht, die vielen Baukräne in Grossstädten. Unerbittlich und rasant schreitet die städtebauliche Entwicklung voran und scheint vor fast nichts Halt zu machen. Die spanische Künstlerin Lara Almarcegui (*1972) hinterfragt das Mass an urbaner Durchgestaltung und erforscht die komplexen Beziehungen zwischen Rohstoffen, Konstruktion und Verfall unserer gebauten Welt. Die international bekannte Künstlerin hat sich einen Namen damit gemacht, dem Übermass an städtebaulicher Gestaltung gezielt das Unförmige entgegenzusetzen. Berühmt geworden ist sie 2013 mit ihrem Werk für den spanischen Pavillon an der Biennale von Venedig. Dort trug sie im Innern das für die Erstellung des Pavillons verwendete Material in Form von Bauschutt zusammen. Die Materialität und Konstruktion des Gebäudes wurde mit einer unmittelbaren physischen Direktheit erfahrbar und die unförmigen Haufen riefen ins Bewusstsein, was für eine unglaubliche Menge an Rohstoffen für seine Erstellung verwendet wurde. Mit Arbeiten wie dieser kommentiert Almarcegui unsere durchgeplante und gebaute Welt ohne selbst gestalten zu müssen: «Ich suche nach einem Weg über Architektur zu sprechen, ohne Bilder zu benutzen.» Dies gelingt ihr durch ihre spezifische Herangehensweise, für die sie zuerst – einer Wissenschaftlerin ähnlich – akribisch recherchiert und ein dichtes Netz von Informationen zusammenträgt.

Während Almarcegui bisher vor allem für ihre Installationen bekannt ist, legt die Graphische Sammlung ETH Zürich zum ersten Mal den Fokus auf die Kunstwerke auf Papier. Anhand ihrer Zeichnungen, Fotografien, Zeitungsausschnitten oder Statistiken lassen sich die Herangehensweisen von Almarcegui in idealer Weise nachvollziehen und zudem eine grosse Auswahl ihrer Projekte auf neue, andere Weise erfahrbar machen. Es gelingt, den Blick auf das Schaffen dieser wichtigen Künstlerin zu erweitern und zugleich einen bisher eher weniger bekannten Teil ihres Werkes vorzustellen.

Mit freundlicher Unterstützung durch:
– Ernst und Olga Gubler-Hablützel Stiftung
– Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung

Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich

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Wer wissen will, was die Welt im Innersten zusammenhält, schneidet sie am besten auf. Kathedralen, Schädeldecken, Brunnenanlagen, Höllenkreise, Fruchtknoten, Vulkane, Raupen oder ganze Bergketten — dem neugierig forschenden Schnitt kann sich schier nichts und niemand entziehen. Ob quer, ob längs, einfach immer mittendurch! Präsentiert wird die geöffnete Welt dann in Bildern, in Modellen oder direkt am Objekt der Wissbegierde selbst.
Die Ausstellung zeigt, wie der Schnitt als Darstellungsprinzip des Einblicks funktioniert.
Er wird als eine so vielseitige wie effektive Methode der visuellen Vermittlung vorgestellt, sei es in der Medizin, in der Architektur, Biologie oder Geologie. In exemplarischer Weise erzählen die Werke darüber hinaus viel über das symbiotische Verhältnis von Kunst und Wissenschaft. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler greifen zur Verbildlichung ihrer Erkenntnisse auf etablierte Methoden, Techniken und Inszenierungsstrategien der Kunst zurück, während sich Kunstschaffende die spezifische Bildsprache der Wissenschaften in einer Weise aneignen, die nicht selten einer Enteignung gleichkommt.
Unsichtbare Innenwelten mit einem glatten Durchschnitt offenzulegen, verbindet aber nicht nur Kunst und Wissenschaften, sondern auch ganz unterschiedliche Epochen. Die Ausstellung zeigt Querschnitte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Nicht alle davon stammen aus der Graphischen Sammlung ETH Zürich: Schillernde Gäste aus verschiedenen Sammlungen und Archiven der ETH treten mit ihnen in einen Dialog.

Zu ausgewählten Werken sind Audiodateien über einen QR-Code abrufbar, die von den KuratorInnen der Sammlungen und Archive oder von den Kunstschaffenden selbst gesprochen werden.

Kuratorin: Dr. Susanne Pollack

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Die Ausstellung «Ding / Unding» wirft einen Blick auf Künstler*innenbücher der Graphischen Sammlung ETH Zürich. Bob Brown (1886 – 1959) war Anfang der 1930er Jahre überzeugt: «Books are antiquated word containers» – und obwohl er schon damals der Meinung war, dass Bücher veraltet seien, haben sich bis heute die Prophezeiungen des Tods des Mediums alles andere als eingelöst. Immer wieder erweitern Kunstschaffende unsere Vorstellung, was überhaupt noch als Buch gelten kann. Muss es gebunden sein? Gedruckt? Aus Papier bestehen?

Was bleibt, ist einerseits das Buch als Ding. Wenn Leporellos sich zu Räumen entfalten oder Bücher als Reise-Orakel konzipiert werden, wie bei Željka Marušić / Andreas Helblings (Zusammenarbeit 1998 – 2006) Nada, geht es nicht länger um einfache Informationsübertragung, sondern um eine spielerische Untersuchung des Objekthaften. Andererseits kann das Buch auch zum Unding werden, wenn es statt seinen Objektcharakter zu zelebrieren, vielmehr ein Dasein an der Schwelle führt. Die in überdimensionale Buchstaben zerlegten Wörter in Christopher Wools (*1955) Black Book, die kaum auf einen Blick lesbar sind und ungebundene Bücher, bei denen sich die festgelegte Ordnung und Narrative aufzulösen scheinen, sträuben sich gegen ihren eigenen Status als Objekt. Ebenso sind post-digitale Publikationsformen, wie Print-on-Demand, Undinge, reflektieren sie doch oft ihre Position zwischen digitalem Code und analogem Objekt. «Ding / Unding» untersucht das Künstler*innenbuch zwischen seinem eigenen Zelebrieren, kritischer Reflexion und möglicher Auflösung.

Kuratorin: Lena Schaller

 

2018

Thomas Schütte (*1954, Oldenburg) gehört zu den wichtigsten Künstlern der Gegenwart. Als wohl bedeutendster deutscher Bildhauer unserer Zeit ist er hierzulande bislang vor allem mit seinen Bronze-Figuren und Keramiken in Erscheinung getreten. Die Graphische Sammlung ETH Zürich fokussiert in der aktuellen Ausstellung auf das graphische Schaffen und macht dieses zum ersten Mal in der Schweiz einem breiten Publikum zugänglich. Seine Graphiken sind ein wesentlicher Bestandteil seines Œuvres, was nicht zuletzt das eindrückliche thematische wie technische Spektrum der zahlreichen Mappen und Portfolios beweist. Die Ausstellung präsentiert daraus ein Panorama aus den letzten dreissig Jahren, das neben den berühmten Frauen- und Blumen-Sujets auch weniger bekannte Seiten des deutschen Künstlers zeigt.

Thomas Schütte ist nicht nur bedeutendster deutscher Bildhauer unserer Zeit, sondern ebenfalls ein genuiner Zeichner. Der Besuch der Documenta 5 (1972) wird für den damals Achtzehnjährigen zum eigentlichen Initiationsmoment: Er beginnt zu zeichnen; ein Jahr darauf immatrikuliert er sich an der Kunstakademie in Düsseldorf. Mit der ihm eigenen stark ausgeprägten Eigenständigkeit und technischen Virtuosität schafft Schütte neben seinen Skulpturen und Zeichnungen auch ein meisterhaftes graphisches Œuvre. In Zusammenarbeit mit Till Verclas produziert er seit 2001 Drucke, die er mit Vorliebe zu Folgen und Zyklen ausweitet. Mit dem renommierten Drucker und seinem Atelier für Druckgrafik bei Hamburg schuf er Werke von ungeahnter Schönheit und stiller Poesie, voll intimer Momente, aber auch existenzieller Abgründe und Brüche. Dieses ausserordentlich dichte Schaffen gilt es in einer stringenten Auswahl von Werken unter anderem auch aus bedeutenden Privatsammlungen zu entdecken.

Die Graphische Sammlung ETH Zürich verfügt in ihrem Bestand über zwei wichtige Werke von Thomas Schütte: Es handelt sich um Beispiele seiner bekannten, aufwendig gestalteten Buch-Editionen – Volume II. The Big Nix von 2005 und Sweet Nothings von 2008. Angelehnt an die klassischen Malerbücher, die in Frankreich zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgekommen sind, widmet sich der Künstler über mehrere Jahre hinweg diesem Genre. Wenn er die Bücher nicht selber verlegt, so lässt er sie mit grossem typographischen und drucktechnischen Aufwand auf handgeschöpftem Papier und in einer kleinen Auflage publizieren. In der Tradition dieser «livres de peintre» sind die Künstlerbücher von Thomas Schütte neben Texten auch mit Original-Druckgraphiken versehen. Letztere dienen jedoch weder als reine Illustration noch als freie Interpretation einer literarischen Vorlage. Vielmehr liefert der Künstler den Text gleich selbst – ob als Kurzgeschichte im Anhang oder aber in Form von tagebuchartigen Notaten.

Im Zentrum der Präsentation stehen deshalb die «druckgraphischen Bücher» von Thomas Schütte. Daneben sollen aber auch ausgewählte Graphikfolgen die überraschende thematische Bandbreite sowie gleichzeitig das umfangreiche technische Repertoire des Künstlers in diesem Medium abstecken. Hier lässt sich einerseits seine generelle Tendenz ausmachen, unter dem eigenen Motto «müde Mythen» und ganz im Geiste der Reformbewegungen der 1960-1970er Jahre, die alte, vertraute, aber abgenutzte Bildsprache aufzubrechen. Andererseits paart sich in seinem graphischen Schaffen eine unerhörte Raffinesse mit einer traumwandlerischen Souveränität im Umgang mit den klassischen Drucktechniken, die in seiner Interpretation eine vitale Weiterentwicklung erfahren. Diese singuläre Meisterschaft soll in einem Panorama über die letzten dreissig Jahre erfahrbar gemacht werden. Eine solche Übersicht ist in der Schweiz bis anhin ausgeblieben.

Kuratorin: Alexandra Barcal, Graphische Sammlung ETH Zürich

Heutzutage machen Top Ten-Nennungen und Ratings der berühmtesten und teuersten Kunstschaffenden regelmässig die Runde. Doch wie entstehen und entstanden solche Listen und damit ein Kanon, in dem die Wichtigkeit von einzelnen Positionen definiert wird? RELAX (chiarenza & hauser & co) gehen auf Spurensuche. In der Graphischen Sammlung ETH Zürich ergründen Marie-Antoinette Chiarenza und Daniel Hauser die Werke aus den eigenen Beständen, den Ort wie auch die Entwicklung der Sammlung seit ihrer Gründung vor 151 Jahren und setzen sie in Bezug zur Kanonisierung.

Mit der Ausstellung wird ein völlig neuer Blick auf die Graphische Sammlung ETH Zürich geworfen. Leitfragen bei der Erarbeitung und Werkauswahl waren: Wie entsteht eine Sammlungsstruktur und was bedeutet sie? Welche Positionen wurden und werden gesammelt? Welche gezeigt? Und schliesslich: Wie beeinflusst die Sammlungs- und Ausstellungstätigkeit die Herausbildung eines Kanons und umgekehrt? Chiarenza und Hauser wagen eine alternative Lesart und wissen, dass sie damit wieder auswählen und weglassen müssen. Hierzu sagen sie: «Wir können also nur scheitern, denn die einzig gültige Wahl ist eine Illusion». Und doch vermögen sie durch ihre explizit unkonventionelle Wahl die traditionell gefestigten Kriterien zu hinterfragen, in dem sie etwa Werke von Künstlerinnen herausheben oder unbekannte Positionen präsentieren. Sie zeigen Druckgraphik aus den Beständen der Graphischen Sammlung ETH Zürich aus verschiedenen Jahrhunderten und von unterschiedlichen Kunstschaffenden – etwa von William Hogarth oder Angelika Kauffmann –, auf denen Schauspiel, Markt, Dienstpersonal oder Selbstporträts zu finden sind.

Entstanden ist eine Installation, die eigene Videos, Arbeiten auf Papier, sowie räumlich angelegte Werke enthält und Druckgraphik aus der Sammlung integriert. Zudem ist zum ersten Mal die neue Werkgruppe von RELAX (chiarenza & hauser & co) mit dem Titel «was wollen wir behalten?» ausgestellt, in welcher Bilder von Frauen und Geld hervorgehoben sind. Chiarenza und Hauser lassen den Ausstellungssaal mit ihrer Installation ganz eigentlich zu einem Studienraum werden, in dem die Besucherinnen und Besucher recherchieren, lesen, schauen und verweilen können.

Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich

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Klimawandel, Gletscherschwund und sich verändernde Wasserpegel: Glaziologinnen und Glaziologen erforschen seit Jahrzehnten die Veränderungen der Gletscher und ihre Auswirkungen auf die Natur. Was passiert, wenn eine Künstlerin die Forschenden begleitet?

Die argentinische Künstlerin Irene Kopelman (*1974) ist mit auf Expedition. Ein Stipendium der Stiftung Laurenz-Haus Basel (2012 –13) gab den Anstoss, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des «World Glacier Monitoring Service» und der «Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft» in die Schweizer Alpen zu gehen. Unterwegs hat Kopelman, die ihre Zeit zwischen Amsterdam und Argentinien aufteilt, gezeichnet: Fragmente des Aletsch- oder des Gornergletschers etwa. Sie hat sich den Orten und den oft garstigen Wetterbedingungen ausgesetzt und mit den Spezialistinnen und Spezialisten diskutiert: Kopelman machte sich mit der Komplexität der Gletscher und den konstanten Formveränderungen vertraut und erfuhr, wie diese von den Forschenden analysiert und katalogisiert wurden. Gleichzeitig mündet ihre eigene künstlerische Recherche in feine zarte Zeichnungen wie auch in Bücher. Dort beschreibt sie ihre Erfahrungen auf den Forschungsreisen und arbeitet eine Analyse der «Repräsentation» heraus.

Die Ausstellung in der Graphischen Sammlung zeigt Kopelmans Zeichnungen mit Werken aus den Beständen der ETH Zürich: unter anderen von Caspar Wolf oder Hans Conrad Escher von der Linth und dessen Sohn Arnold. Auch wenn diese historischen Arbeiten immer als Kunst begriffen wurden, so waren sie doch zugleich wichtige Quellen für Forschende. Die Ausstellung fragt danach, was eine Künstlerin zu der langen Tradition von Bergdarstellungen hinzufügen kann und welchen Stellenwert Kunstwerke innerhalb der naturwissenschaftlichen Forschung heute haben. Das Veranstaltungsprogramm ist daher dezidiert interdisziplinär angelegt, und es gibt unter anderem einen Austausch mit Glaziologen.

Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich

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Die Schweizerische Graphische Gesellschaft (SGG) steht zwischen Konstanz und Wandel. Seit hundert Jahren beauftragt sie ausgewählte zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler mit einer Graphik, die in einer Auflage von 125 gedruckt und allen Mitgliedern der SGG zugestellt wird. Und seit hundert Jahren fördert sie nicht nur traditionelle und neuartige Druckgraphik, sondern hinterfragt und diskutiert ihre Entscheidungskriterien.

Im Fokus der Jubiläumsausstellung stehen daher für einmal die Wendepunkte in der Geschichte der SGG. Werke, mit denen Neuland betreten wurde und die durchaus zu Kontroversen führten. Von Emil Nolde etwa, der trotz vieler Gegenstimmen 1937 als erster Künstler ohne ausgeprägten Bezug zur Schweiz den Auftrag erhielt. Oder mit einem Werk von Meret Oppenheim, das den Begriff der Druckgraphik erweiterte und sich nicht mehr auf das Zweidimensionale reduzieren lässt. Solche Entscheidungen ermöglichten in den Folgejahren viele anregende Positionen. 100 Jahre Kunstförderung bedeutet auch 100 Jahre Vielfalt: In Ergänzung zu den Wendepunkten wird für jedes zweite Jahr exemplarisch ein Werk ausgestellt.

Die Graphische Sammlung ETH Zürich ist eng mit der SGG verbunden. Sie übernahm lange das Präsidium und bewahrt bis heute das Archiv. Da sie seit der ersten Jahresgabe Mitglied ist, hat sie die Möglichkeit, die Entwicklungen und Bandbreite der dank der SGG verwirklichten Ideen aufzuzeigen – von Paul Klee über Rosemarie Trockel bis zu Roman Signer.

Kuratorin: Lena Schaller, Graphische Sammlung ETH Zürich

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2017

Antike, Akt, Natur: in der vierten und letzten Ausstellung zum 150-Jahr-Jubiläum nimmt die Graphische Sammlung ETH Zürich die Besucherinnen und Besucher mit auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Zeichenunterrichts. Graphik aus vier Jahrhunderten beleuchtet die Entwicklung der ästhetischen Bildung von der Renaissance bis zum 19. Jahrhundert. Als Zeugnisse des Zeichenunterrichts verdeutlichen sie die verschiedenen Ansätze und Institutionen innerhalb der künstlerischen Ausbildung und zeigen die entsprechenden didaktischen Verfahren auf. In mehreren Themenbereichen der Ausstellung vermitteln Zeichen- und Vorlagenbücher einen Eindruck von Theorie und Praxis des historischen Zeichenunterrichts. Anhand ausgewählter Exponate werden die Disziplinen der Künstlerausbildung, wie das Zeichnen nach der Natur, die Lehre der Anatomie und das Antikenstudium, aufgegriffen und näher betrachtet. Fragen nach der Zugänglichkeit der ästhetischen Erziehung von ihren Anfängen bis zu den Gründungen der grossen Zeichenakademien verhandelt die Ausstellung ebenso wie den Kunstunterricht am Hof.

Kuratiert wird die Ausstellung unter der Leitung von Dr. Michael Matile von Studierenden des Kunsthistorischen Instituts der Universität Zürich in Zusammenarbeit mit Zilla Leutenegger. Die Zürcher Künstlerin begleitet Studierende des Departements Architektur an der ETH Zürich als Mentorin und lässt die Handzeichnung als ehemals wichtigste Kompetenz des Architekten wieder aufleben.

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Die Graphische Sammlung ETH Zürich besitzt umfangreiche Folgen und Serien. Die Frage der relevanten Auswahl daraus bedeutet für Kuratorinnen und Kuratoren stets eine grosse Herausforderung. In dieser Ausstellung wird sich das Zürcher Künstlerduo huber.huber (Markus und Reto Huber, beide *1975) dieser delikaten Aufgabe annehmen. Sie sorgen für einen künstlergerechten Blick auf die weitverbreitete Kunstform und machen sie mit Hilfe von Film und Musik in Zusammenarbeit mit Michael Bucher auf unterschiedliche Weise erfahrbar. Parallel dazu werden in einem Zwei-Wochen-Rhythmus Positionen zeitgenössischer Kunstschaffender gezeigt, die den Begriff des Seriellen um zusätzliche Interpretationen erweitern.

Kuratoren-Team: Alexandra Barcal, Graphische Sammlung ETH Zürich und huber.huber. Intervention in Zusammenarbeit mit dem Jazzmusiker und Komponisten Michael Buche

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Publikation

Ausstellung und Publikation wurden grosszügig unterstützt durch:

 

 

 

Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Graphik-Serie «Reaper» (dt. Getreidemäher, 1949) des berühmten englischen Pop-Art-Künstlers Richard Hamilton. Sie entstand als Reaktion auf Sigfried Giedions Buch «Mechanization Takes Command» von 1948, in dem der Schweizer Architekturhistoriker die Mechanisierung des Lebensalltags beschreibt. Zum ersten Mal ist die vollständige «Reaper»-Serie Hamiltons ausgewählten Bildvorlagen Giedions gegenübergestellt worden. Es ist bekannt, dass der Architekturhistoriker die Illustrationen seines Buches sorgfältig gewählt und platziert hat, sodass man ganz eigentlich von spezifischen Bildstrategien sprechen kann. Interessant an dieser Gegenüberstellung ist der Prozess von Giedions wissenschaftlicher Recherche zu Hamiltons künstlerischer Herangehensweise, die in der Ausstellung herausgearbeitet und anschaulich gemacht worden ist. Dabei konnte auf das ausserordentliche Archivmaterial des gta Archivs zurückgegriffen werden, in dem sich Giedions Nachlass befindet.

In der Ausstellung an der Schnittstelle von Kunst und Architektur war darüberhinaus die Ausstellungsarchitektur thematisiert worden. So sind für die «Reaper»-Präsentation eigens neue Wände und Vitrinen gestalten worden, wofür der renommierte ETH-Professor und Architekt Adam Caruso gewonnen werden konnte.

Das Doppeljubiläum 150 Jahre Graphische Sammlung und 50 Jahre Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) der ETH Zürich gab Anlass zu dieser Kooperation mit gta Ausstellungen und gta Archiv.

Kuratorenteam:
Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich, Fredi Fischli und Niels Olsen, Kuratoren gta Ausstellungen, Filine Wagner, Mitarbeiterin gta Archiv, und Carson Chan, Princeton

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Publikation

Ausstellung und Publikation wurden grosszügig unterstützt durch:

 

 

 

Kunst aus den letzten zwanzig Jahren, die Eingang in die Graphische Sammlung ETH Zürich gefunden hat, ist Gegenstand einer Ausstellungskooperation mit dem Helmhaus Zürich. Sie findet aus Anlass des 150-Jahr-Jubiläums der Graphischen Sammlung ETH Zürich statt und zeigt Arbeiten von gut 40 Künstlerinnen und Künstlern − sowie zehn thematisch ausgesuchte Referenzwerke aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Die in beiden Institutionen gemeinsam präsentierte Ausstellung gibt Gelegenheit zu einer Übersicht über das jüngere Kunstschaffen in einem Medium, das in seiner Kombination aus Handwerk, Form und Inhalt auf eine grosse Tradition verweist − und das immer wieder innovative, überraschende Ergebnisse hervorbringt.

Kuratorenteam:
Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich und Simon Maurer, Leiter Helmhaus Zürich

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2016

Der Bankenplatz Zürich weiss von spannenden Geschichten zu erzählen. Von Grosszügigkeit und vom Wissen um kulturelle Verbundenheit mit der Stadt Zürich berichtet jene über den Bankier Heinrich Schulthess-von Meiss (1813-1898). Mit grosser Kenntnis und den nötigen finanziellen Mitteln ausgestattet, war es ihm bis zu seinem Lebensende gelungen, eine Kollektion zusammenzutragen, die fast lückenlos die Geschichte der Druckgraphik von 1450 bis 1800 aufzeigen kann. Seiner Sammelleidenschaft und seinem Enthusiasmus für die Druckgraphik verdankt die Graphische Sammlung ETH Zürich ihren wertvollsten Bestand und den Ruf, zu den weltweit bedeutendsten Kupferstichkabinetten zu zählen: Als Geschenk kamen 1894 rund 12‘000 Kupferstiche, Radierungen und Holzschnitte aus der Zeit vor 1800 an die ETH und damit in öffentlichen Besitz.

Kurator der Ausstellung: Michael Matile

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In seiner «Sammlung architektonischer Entwürfe» vereint der grosse Architekt Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) gekonnt Zeichnungskunst und Architektur. Als Werber in eigener Sache erreichte er mit den kunstvoll inszenierten Bauentwürfen bereits zu Lebzeiten europaweite Ausstrahlung.

Das Reizvolle an seiner «Sammlung» ist, dass die insgesamt 174 Radierungen nicht nur Entwürfe von später umgesetzten Werken, sondern auch nie ausgeführte Alternativ- und Musterentwürfe des Baumeisters zeigen. Diese ermöglichen einen intimen und einmaligen Einblick in das Schaffen und Denken des Architekten. Schinkels Entwürfe, bei denen die Neue Wache in Berlin den Auftakt bildet, begeistern durch ihre filigrane Klarheit und hohe Qualität in der Bildgestaltung.

Die Graphische Sammlung zeigt in ihrer Ausstellung eine Ausgabe der «Sammlung architektonischer Entwürfe» von 1858. Die ausgewählten Exponate geben einen reichhaltigen Einblick in das Schaffen des grossen Architekten und machen deutlich, wie kunstvoll er seine Entwürfe inszeniert hat.

Isabelle Scheck, Kuratorin

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Aufgrund einer grosszügigen Schenkung des Architekten und Künstlers Bryan Cyril Thurston (*1933) widmet ihm die Graphische Sammlung eine Ausstellung. Parallel zur strengen, klassizistischen Architektur von Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) werden Thurstons vielschichtige und poetische Werke ausgebreitet: neben Skizzenbüchern und architektonischen Plänen zu realen wie imaginären Bauvorhaben aus seinem Besitz werden auch Aquarelle, Collagen und Radierungen aus dem eigenen Bestand gezeigt.

Vielschichtig wie seine Bauprojekte ist auch Thurstons künstlerisches Schaffen. Inspiriert vom berühmten britischen Maler und Radierer Stanley William Hayter (1901–1988) und dessen druckgrafischen Atelier-Workshop ATELIER 17 in Paris hat der Künstler unzählige graphische Blätter geschaffen. Im Sinne des Meisters sind Thurstons Drucke immer auf der Suche nach einer neuen experimentellen Ausdrucksweise: Techniken werden kombiniert, verfremdet und weiterentwickelt. Zeitlebens äusserst umtriebig kreiert der passionierte Drucker bis heute aber auch feingliedrige Aquarelle, Collagen und Pläne.

Alle seine Werke sind durchzogen von Musik, einem lyrisch-göttlichen Spiel. Nicht umsonst wählte er als Ausstellungstitel ein Zitat aus dem Libretto zu „Peter Grimes“ des englischen Komponisten Benjamin Britten (1913–1976).

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal, Kuratorin

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André Thomkins (1930–1985) gehörte zu einer Generation Schweizer Künstler, die international anerkannt und beachtet wurde wie keine davor oder danach. Zu dieser Generation zählen ausserdem Jean Tinguely, Bernhard Luginbühl, Franz Eggenschwiler, Franz Gertsch, Dieter Roth und Rolf Iseli. Typisch für die meisten ihrer Vertreter war, dass sie sich in ganz verschiedenen Medien auszudrücken vermochten. Thomkins war nicht nur Maler und Zeichner, sondern auch ein sehr begabter Objektkünstler, Musiker und ein herausragender Wortkünstler. Als er sich entschloss, seinen Lebensmittelpunkt wieder in seine schweizerische Heimat zu verlegen, konnte er bereits auf ein aussergewöhnlich reiches Werk zurückblicken. In den Zürcher Jahren von 1978 bis 1985 führte er vieles davon weiter oder nahm es wieder auf, beispielsweise die Lackskin-Technik, die er bereits in den späten 1950er-Jahren entwickelt hatte. Auch der Ölmalerei wandte er sich wieder zu. Man könnte seine Zürcher Jahre als die Jahre der Reife bezeichnen, als jene Jahre, in denen er international Anerkennung fand. War er insbesondere für seine Zeichnungen im kleinen Format schon lange bekannt, zeichnete sich in den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren eine Tendenz zum grösseren Format ab. Es ist wohl kein Zufall, dass genau in dieser Zeit das monumentale Xylophon für Flüeli-Ranft entstand – oder dass André Thomkins sich entschloss, mit Rolf Winnewisser den Auftrag für zwei Wandbilder in der Nationalbank in Luzern anzunehmen. Mit dem Kupferdrucker Peter Kneubühler realisierte er in Zürich wunderbare Drucke in der Vernis mou-Technik.

Paul Tanner, Kurator 

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Druckgraphische Veduten der Lagunenstadt und rätselhafte, der Künstlerphantasie entsprungene Radierfolgen prägen das Bild der Venezianischen Druckgraphik im 18. Jahrhundert. Inmitten eines illustren Künstlerkreises – unter ihnen Giambattista und Domenico Tiepolo, Marco Ricci und Canaletto – blieb eine massgebliche und umtriebige Figur fast unbekannt: Anton Maria Zanetti der Ältere (1680-1767), Kunstsammler, Kenner, Verleger, Zeichner, Radierer und Formschneider.

Zanetti erhielt in jungen Jahren eine Ausbildung als Künstler und verkehrte in den namhaftesten Künstlerateliers der Zeit. Aus begütertem Haus stand er als bedeutende Persönlichkeit mitten im kulturellen Leben Venedigs und pflegte ein weitgespanntes, von langjährigen Freundschaften geprägtes Beziehungsnetz in ganz Europa. Die überlieferten Beschreibungen skizzieren einen Kunstliebhaber, der sich mit seinem ganzen Leben der Kunst und vor allem der Zeichnung und Druckgraphik verschrieben hatte. Ihn brannte das Thema ‘unter den Nägeln’. Er animierte mit seiner Begeisterung viele Künstler in seinem Umfeld, darunter vor allem Marco Ricci, Giambattista und Domenico Tiepolo, sich der Radierung zu widmen und an neuen Druckgraphik-Folgen zu arbeiten. Selbst widmete er sich dem Farbholzschnitt, einer alten Technik aus dem 16. Jahrhundert, mit der er seine grosse Sammlung an Zeichnungen von Parmigianino reproduzierte und so vielen Connaisseurs in ganz Europa bekannt machte.

Die Ausstellung zeigt die berühmten Ansichten Venedigs und die nicht minder faszinierenden Scherzi, Capricci und Grotteschi Giambattista Tiepolos und Giovanni Battista Piranesis. Sie macht es sich zur Aufgabe, innerhalb dieses künstlerischen Kontexts erstmals Zanettis Bemühungen und Bedeutung um die venezianische Druckgraphik im 18. Jahrhundert darzustellen.

Ermöglicht wurde die Ausstellung durch die 2014 erfolgte grosszügige Schenkung von Venezianischer Druckgraphik aus der Sammlung von Karin und Cesare Morini. Mit ihr konnte die Graphische Sammlung ETH eine zuvor schmerzliche Lücke im Sammlungsbestand mit hervorragenden Blättern schliessen.

Kontakt für diese Ausstellung:
Dr. Michael Matile, Kurator

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2015

Es war 2011, als ein sensationeller Fund vermeldet werden konnte: Unter den im Nachlass von Andy Warhol (1928–1987) verbliebenen Werken wurde ein umfangreiches Konvolut von Zeichnungen aus den 1950er Jahren entdeckt – aus der allerersten Zeit also, die der Künstler in New York verbracht hatte. Ihr „Entdecker“, der Münchner Kunsthändler Daniel Blau, hat seitdem nicht geruht, die Erforschung dieses wertvollen Materials voranzutreiben und den Schatz der (Kunst)Welt zu vermitteln. Was den Fund so fulminant macht, ist die Tatsache, dass diese Werke überraschende Facetten eines der wohl bekanntesten Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts enthüllen. In diesen frühen Zeichnungen hat Andy Warhol bereits den Grundstein für sein gesamtes weiteres Schaffen gelegt: Sie zeigen bereits das motivische Spektrum seiner späteren Werke und die Entwicklung seiner ureigenen technischen Vorgehensweise – etwa der sog. „blotted-line“-Technik.

Aus einem Pool von etwa 400 Zeichnungen – von denen einige bereits öffentlich gezeigt worden sind, aber noch nie in dieser opulenten Fülle – wurde nun eine Auswahl getroffen, die den Fokus auf die spezifische Verwendung von Vorlagen-Material und hier im Besonderen auf die Photographie legt. In der Zwischenzeit konnte in einer aufwendigen Recherche ein grosser Teil der verwendeten Vorlagen ausfindig gemacht und identifiziert werden. Es zeigte sich, dass einige Werke nach Aufnahmen bekannter Photographen wie etwa Edward Steichen entstanden sind. Die Mehrheit der Vorlagen konnte dabei eindeutig auf Abbildungen zurückgeführt werden, die der Künstler in der damals aufkommenden Illustrierten-Kultur vorgefunden hat – darunter insbesondere in der amerikanischen Zeitschrift LIFE. Die 1950er Jahre sahen eine regelrechte Explosion an schillernden und schicken Magazinen, die das verführerische moderne Leben reflektierten. Aus ihrem reichen Bildfundus bezog der passionierte Voyeur nicht nur seine allererste Inspiration, sondern auch sein künstlerisches Vokabular – indem er durch spezifisches Reduzieren und Transformieren der Vorlagen eine eindrückliche Intensivierung der eigenen Bildsprache erreichen konnte.

In der geplanten Ausstellung sollen nun herausragende Beispiele der „blotted line“-Entwürfe präsentiert werden, vor allem aber – und das teilweise zum allerersten Mal überhaupt – eine stattliche Gruppe an Zeichnungen aus Warhols früher Schaffensphase in die Nachbarschaft zu den primären Bezugsquellen der darin verwendeten Vorlagen gesetzt werden – in Form von Original-Zeitschriftenausgaben und Photographien. Ein Katalog mit wissenschaftlichen Essays zum singulären gestalterischen Verfahren von Andy Warhol und seiner ureigenen Methode des Transfers zwischen den beiden Medien Photographie und Zeichnung soll die exquisite Schau begleiten.

Eröffnung: Dienstag, 3. November 2015, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal, Kuratorin

Pressemitteilung

Seit 1989 widmet sich der in Bern lebende Künstler Daniel Breu (*1963) dem Zeichnen. Seine experimentelle künstlerische Suche nach ästhetischen Formen für das Gegenständliche brachte ein Spektrum an Darstellungen hervor, welche das reiche Potenzial, aber auch die Grenzen der Bildlichkeit ausloten. Der eigentliche Vorgang des Zeichnens ist bei ihm weit entfernt von der spontanen Skizze, vom rasch umgesetzten künstlerischen Einfall. Die Arbeit mit dem Bleistift bedeutet für ihn ein Vorgehen und Ausführen nach minutiöser Planung. In den meisten Fällen entstehen ganze Werkserien. Dabei erfährt sein Vorgehen eine ganz eigene Prägung, die in manchen Aspekten dem herkömmlichen Zeichnungsbegriff, der mit der Vorstellung der spontanen Skizze verknüpft ist, entgegensteht oder ihn gar auf den Kopf stellt. Denn immer bleibt die persönliche Handschrift im Hintergrund, zurückgenommen zugunsten der Repräsentation des Gegenstands.

Die Themenfindung erfolgt bei Daniel Breu auf vielfältige Art und Weise. Nicht selten sind es neben fotografisch festgehaltenen Situationen und Gegenständen auch visuelle Eindrücke anderer Kunstwerke, welche eine nähere Beschäftigung mit dem Thema auslösen. Grössere Werkserien mit Darstellungen von Drahtgittern entstanden etwa unter dem Eindruck von Fabrice Gygis grossformatigem Linolschnitt Treillis aus dem Jahr 2002 oder eine Serie von spielerischen Paraphrasen nach einem Holzschnitt aus einer Totentanzfolge von Hans Holbein d. Jüngeren aus den Jahren 1524–1525.

In jüngerer Zeit erprobt er Ansätze, Gegenständliches mittelbar durch das Nachzeichnen mit Bleistift von vorgegebenen Formen – etwa zerbrochene Glasscheiben – geradezu beiläufig entstehen zu lassen. Durch Gletscher verursachte Moränen- und Gesteinslandschaften erhalten wie zufällig ihre Entsprechung in seinen Werken. In der zeichnenden Annäherung an solche Formationen wird Daniel Breu zum subtilen Regisseur, ohne je selbst in den Vordergrund zu treten. Die Zurückhaltung der persönlichen Handschrift ist Programm.

Die Ausstellung zeigt erstmals einen Überblick über das gesamte Schaffen von Daniel Breu, dessen vielfältiges und spannendes Werk bisher dem breiteren Publikum kaum bekannt war.

Eröffnung: Dienstag, 18. August 2015, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Dr. Michael Matile, Kurator

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Érik Desmazières (geb.1948) Kunst bricht mit der Realität trotz ihrer unglaublichen Wirklichkeitsnähe – dieser Bruch erfolgt entweder über die Raumdarstellung oder über das vermittelte Zeitgefühl. Sein Oeuvre offenbart realitätsnahe, oftmals menschenleere Bildwelten von eindrucksvoller Präzision und ungewöhnlicher Zeitlosigkeit. Der eindringliche Blick des Künstlers fällt in üppig gefüllte Innenräume der Vergangenheit, wie Ateliers und Bibliotheken, und schweift grosszügig über menschenleere Stadtansichten der Gegenwart.

Der in Paris lebende, französische Künstler gehört zu den besten Radierern seiner Generation. Virtuos reizt er die technischen Möglichkeiten der Radierung und Aquatinta bis zum Äussersten aus. Dabei nuanciert er mit bemerkenswerter Kunstfertigkeit die Grautöne und zaubert atmosphärische Licht- und Schatteneffekte. Er bleibt einem Motiv lange treu und variiert es, so dass zahlreiche verschiedenartige Zustände entstehen.

Manche Blätter schaffen dank der sich scheinbar über die Bildgrenzen fortsetzenden Raumlinien eine eigene Dynamik und üben so einen schwindelerregenden Effekt auf den Betrachter aus. Andere hingegen sind so detailgetreu und beschaulich, dass sie wie das exakte Abbild der Realität erscheinen. Desmazières üppige Bildsprache ist inspiriert von einer älteren, vergangenen Bildtradition und erscheint so anachronistisch. Der Verlust des Zeitgefühls manifestiert sich insbesondere in seinen realitätsnahen Stadtansichten – zeigen diese doch weder technologischen Fortschritt noch Modernität. Die menschenleeren Innenräume sind häufig Erinnerungen an Orte, die in der Realität nicht mehr existieren. Zugleich sind sie intime Charakterisierungen der im Bild abwesenden Personen. So wirklichkeitsnah Desmazières Räume auch erscheinen, sie sind Fenster in andersgeartete Welten, die einem eigentümlichen Raum-Zeit-Gefüge untergeordnet sind. Sie zeigen seine eigene Interpretation der Wirklichkeit.

Marc-Antoine Fehr (geb. 1953) und Érik Desmazières verbindet eine langjährige Freundschaft. In ihrem Werk lassen sich gelegentlich Reminiszenzen dieser Verbindung ausmachen. In den Korridorvitrinen werden daher Arbeiten des schweizerischen und im Burgund lebenden Künstlers gezeigt.

Eröffnung: Dienstag, 21. April 2015, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Patrizia Solombrino, Kuratorin

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Seit über zwanzig Jahren sammelt die Graphische Sammlung ETH Zürich Werke des amerikanischen Künstlers Matt Mullican (1951 in Santa Monica/Kalifornien geboren, lebt und arbeitet in Berlin und New York). Erstmals sollen die erworbenen Werke in ihrer Gesamtheit gezeigt werden. Als Höhepunkt der Ausstellung darf der 1993 erworbene Holzkasten mit 16 Kassetten gelten, die 554 Ölkreide-Frottagen, sogenannte Rubbings, enthalten. Diese von Brooke Alexander, New York, 1991 herausgegebene umfangreiche Edition gibt Abbildungen der „Edinburgh Encyclopædia“ (zwischen 1808 und 1830 erschienen) wieder. Mullican bedient sich der Gattung der Enzyklopädie, um sein von ihm entwickeltes Ordnungssystem zu demonstrieren.

Er hat seine fünf Ordnungskategorien folgendermassen benannt: Die in der Hierarchie unten stehende Kategorie, Physical Elements, umfasst alles, was der Mensch vorfindet, aber nicht selber gestaltet und bearbeitet hat; World Unframed steht für die vom Menschen eingerichtete Welt; World Framed bezeichnet die Künste, die künstlerischen Aktivitäten in jeglicher Form; Language ist die Sprache, die Bild- und Schriftzeichen; Subjective Meaning, als höchste Kategorie seines Ordnungssystems, erfasst das Subjektive, die geistige Aktivität des Menschen, die Philosophie. Mullican ordnet jedem Enzyklopädie-Auszug eine oder mehrere Kategorien seines Ordnungssystem zu: Eine bestimmte botanische Darstellung, eine Pflanze, kann sowohl vom Menschen vorgefunden (Physical Elements), als auch vom Menschen als Nutzpflanze gehalten werden (World Unframed).

Eine kleine Gruppe ausgestellter Zeichnungen und einzelne druckgraphische Arbeiten leisten einen weiteren Beitrag zur Erklärung seines Systems.

Für die Edition Cestio – ein exklusiver Graphikverlag, der jährlich höchstens eine Graphik herausgibt – hat Mullican erst kürzlich ein Blatt realisiert: „Untitled (Cosmology, Subject, Model)“, 2014, ein Linoldruck kombiniert mit Ölstift-Frottage. Dieses Blatt wird zum Anlass genommen, im Korridor die Drucke der Edition Cestio der letzten Jahre zu zeigen.

Eröffnung: Dienstag, den 3. Februar 2015, 18 Uhr

Kuratorin der Ausstellung: Patrizia Solombrino

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2014

„Essen und Trinken, mein ich, ist des Menschen Leben“ – so Goethe im Götz von Berlichingen. Dagegen spricht Antonius Anthus in seinen Vorlesungen über die Esskunst (1838): „Der Mensch isst ebenso wenig, um zu leben, als er lebt, um zu essen, er isst, weil er Hunger oder Appetit hat, oder weil’s zwölf Uhr schlägt.“ So oder so: Essen und Trinken muss sein. Und auf die substanzielle Bedeutung dieser vermeintlich banalen wenn auch fundamentalen Tätigkeiten weist doch schon die Vokabel ‚Lebensmittel’ hin.

Essen und Trinken darzustellen, ist so elementar wie Essen und Trinken selber. Allerdings ist dies nicht immer ganz so einfach. Manche Kochbuch-Illustrationen bezeugen das. Auch der gegenwärtig zelebrierte Kult um Starköche und Sommeliers, um Fernsehkochshows, Restaurants oder Food-Magazine und Food Porn bietet doch auch recht bizarre Präsentationen dessen, was Essen ist.

Da braucht es zum Augenschmaus schon ein wenig Kunst – und neben der Kochkunst ganz besonders auch die bildende Kunst. Ihr ist diese Ausstellung gewidmet, wo es natürlich auch zuerst ums Sehen geht. Ums Sehen von Speis und Trank und von allem Drumherum: Produktion und Produkte, Zubehör, Zubereitung und Darreichung und – im Bild seltener – ums Verzehren selbst. Es geht um etwas uns allen Gemeinsames, aber in seinen vielen Variationen und Situationen nicht Gleichbleibendes.

Zu sehen sind Druckgraphik, Zeichnungen und Multiples vom Essen und Trinken – freilich nicht zum Essen und Trinken. Aber: Das Auge isst mit, sagt der Volksmund. Aufgetischt wird ein abwechslungsreiches Menu von stilistisch und künstlerisch unterschiedlichen Werken aus mehreren Jahrhunderten, von Hoch und Niedrig, Alt und Neu – wie es sich bei einer solchen thematischen Rundumschau ergibt. Wie das eine und andere auf so einer ‚Tafel’ aus dem Bestand der Graphischen Sammlung der ETH jeweils goutiert wird, ist auch wieder Geschmackssache.

Eröffnung: Dienstag, 4. November 2014, um 18 Uhr

Kuratorin der Ausstellung: Eva Korazija

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Licht, Farbe und etwas Magie zeichnen die märchenhaften Madonnenbilder der Schweizer Künstlerin Annelies Štrba aus. Bereits in frühester Kindheit in den Bann der Muttergottes-Darstellungen gezogen, blieb die Faszination für das Thema ihr ständiger Begleiter. Für Štrba ist Maria Urbild aller Frauen und Mütter, Symbol für das Weibliche schlechthin; sie ist Ikone im wahrsten Sinne des Wortes.

In den beiden präsentierten Bildserien – die eine auf Leinwand, die andere auf Papier gedruckt – spiegelt sich Štrbas intensive Auseinandersetzung mit einem der ältesten, christlichen Themenkreise in konzentrierter Form wider. Seit Jahren fotografiert die Künstlerin Mariendarstellungen in Kirchen und Kapellen, um sie danach einer geheimnisvoll anmutenden, kunstvollen Verwandlung zu unterziehen. Mutig bricht sie dabei mit Sehgewohnheiten und spielt, einer Magierin gleich, mit der Wahrnehmung des Betrachters. Dabei greift Štrba nicht zu Farbe und Pinsel sondern bedient sich des Computers als unentbehrliches Zauberwerkzeug bei der Erschaffung ihrer „Lichtmalereien“. Štrbas Arbeiten sind das Ergebnis eines freudvollen Experimentierens mit Verfremdungen, Verzerrungen und dem Vordringen in ungewöhnliche, neuartige Farbwelten.

Madonnen Alter Meister aus dem Bestand der Graphischen Sammlung bereichern die Ausstellung und bestechen durch ihre stilistische und ikonographische Vielfalt: In Martin Schongauers Maria mit Kind im Innenhof (ca.1470-1482) ist Jesus sanft in den Schoss seiner Mutter gebettet und das Göttliche unmittelbar durch die Heiligenscheine erkennbar. In Lucas van Leydens Maria mit Kind unter einem Baum sitzend (1514) verzichtet der Künstler auf jegliche Heiligenattribute. Israel van Meckenem schildert Maria schliesslich als Madonna auf der Mondsichel (1502), die in der Apokalypse des Johannes siegreich aus dem Kampf gegen das Böse hervorgeht. In prunkvolle Gewänder gehüllt wird sie von Engeln zur Himmelskönigin gekrönt.

Die Ausstellung vereinigt die Vielfalt historischer Mariendarstellungen mit Annelies Štrbas zeitgenössischem Blick auf eine beinahe zwei Jahrtausende alte, christliche Bildtradition. Mittels moderner, technischer Hilfsmittel gelingt es der Künstlerin die Madonnen gleichsam in die Gegenwart zu holen. Obschon Štrbas Marienbilder losgelöst von ihrem eigentlichen religiösen Kontext erscheinen, büssen sie nichts von ihrer transzendenten Aura ein. Im Gegenteil: Durch die Verwandlung wird diese nicht verleugnet, sondern in neuer, aussergewöhnlicher Weise sichtbar gemacht.

Eröffnung: Dienstag, 19. August 2014, um 18 Uhr

Konstanze Forst-Battaglia, Kuratorin

Zarte Ranken und geheimnisvolle Schattengewächse, zellenartige Strukturen und samtige Farnfächer – Wuchern und Wachsen, wohin das Auge blickt. Die Werke der Basler Künstlerin Mireille Gros (geb. 1954) sind ohne Zweifel eine Hymne an die Natur, wie schon Marie-Laure Bernadac, die bekannte französische Kuratorin und eine ihrer grossen Förderinnen, 2001 in einem Interview konstatiert hatte. Den Auftakt zu der intensiven Beschäftigung von Mireille Gros mit Fragen nach ursprünglichen Entwicklungsformen bildete 1993 ihre Reise in den Urwald an der Elfenbeinküste. Weitere längere Aufenthalte in Mali und in China folgten – stets begleitet von einer lebhaften Auseinandersetzung mit der jeweiligen Kultur und Natur, die etwa auch das Sammeln von einheimischen Pflanzen beinhaltete. Die Faszination für die universell gültigen (Ur)formen und die immanenten Vorgänge in der Natur überträgt die Künstlerin auf ein überaus prozesshaftes Werkverständnis: sie lasse sich von den Dingen durchdringen, sie warte darauf, dass die Arbeit heranreift, wächst, sich entwickelt.

In der Tat pflegt Mireille Gros auch in der Graphik eine äusserst spontane Herangehensweise. Bei den farblich ungeheuer schillernden Werkreihen und technisch aufwendigen Unikaten muss von eigentlichen Experimenten und Prozessen mit der Radiernadel gesprochen werden. Seit Mitte der 1990er Jahre nutzt Mireille Gros dafür regelmässig die grosszügige Ausstattung und professionelle Betreuung im Atelier de gravure in Moutier. Hier arbeitete sie immer wieder an umfangreichen Serien von experimentellen Drucken. Zusammen mit der Druckerin Michèle Dillier erfand sie dabei einen neuartigen Pflanzendruck: eine Kombination von in den Weichgrund gedrückten Pflanzenteilen, die von der Künstlerin zu floralen Phantasiegebilden ergänzt werden. Unkonventionell und situativ entscheidet Mireille Gros während des Druckprozesses laufend über mögliche Varianten: bezieht die natürlichen Oxidationsspuren der Druckplatten ein, lässt mit Hilfe von verschiedenfarbigen chine collé-Lagen eine Tiefe des Bildraums erzeugen, arbeitet mit handkolorierten Überdrucken. Gerne lässt sie sich von Zufällen inspirieren. Stets wird dabei eine sorgfältige Papierwahl vorgenommen, manchmal auch eine manuelle Färbung der Papiere in den intuitiven Entscheidungsprozess einbezogen.

Mit über hundert Arbeiten ist Mireille Gros im Bestand der Graphischen Sammlung der ETH vertreten. Hier sollen nun die in den letzten zwanzig Jahren gesammelten Werke der Künstlerin in einer Übersicht präsentiert werden. Darunter finden sich neben graphischen Blättern auch Zeichnungen und Künstlerbücher. Geöffnet und ausgebreitet werden soll auch die in den 1980er Jahren begonnene und bis heute auf 144 Bände angewachsene Bücher-Serie La vie en gros – der überaus opulente Fundus an zeichnerischen Versuchen, verbalen Notizen oder auch getrockneten Blumen, ein Bild- und Ideen-Archiv sondergleichen. “Jeden Tag verschwindet eine Pflanze, eine Blume. Jeden Tag erfinde ich eine neue Pflanze“, so notierte die Künstlerin im 29. Buch – das Publikum darf auf die facettenreiche Umsetzung dieses Credos gespannt sein.

Eröffnung: Dienstag, 6. Mai 2014, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal, Kuratorin

Erik Steinbrecher (1963 in Basel geboren, lebt in Berlin) ist Künstler und Architekt (mit Diplom der ETH Zürich). Im Bereich Master of Arts an der Zürcher Hochschule der Künste unterrichtet er in Fine Arts. Er hat Werke im öffentlichen Raum realisiert, Skulpturen und Fotoinstallationen geschaffen. Auch mit Video, Grafik und Künstlerbüchern ist er bekannt geworden. Schon als Student begann er ein Bildarchiv aufzubauen. Von Anfang an war er stark an Bildern interessiert, deren manchmal fragmentarischen Charakter er zu ganz eigenen Displays zusammenstellt. Seit bald zwanzig Jahren publiziert er dieses Bildmaterial in zahlreichen Heften, Broschüren, Büchern oder auf Postern und Plakaten. Dabei geht es ihm primär nicht so sehr um die formale Gestaltung der Drucksachen, wie beispielsweise dem in Berlin lebenden und arbeitenden österreichischen Künstler Gerwald Rockenschaub. Eine persönliche Handschrift zu entwickeln, ist nicht seine Absicht. Vielmehr unterläuft er Haltungen und Stile ganz ähnlich, wie das der zehn Jahre ältere Martin Kippenberger jüngeren Künstlern wie Steinbrecher vorgelebt hat. Bei Martin Kippenberger wird man seine Plakate, Einladungskarten u.a. Drucksachen trotz ihrer Fülle noch eher als Ephemera bezeichnen können. Bei Erik Steinbrecher rücken seine Drucksachen sehr viel mehr ins Zentrum seines künstlerischen Schaffens. Vor allem der plastische Charakter der abgebildeten Dinge ist hervorzuheben. So kann der Warenkatalog eines Baumarktes durch Steinbrechers Optik und neue Zusammenstellung zu einer faszinierenden Ansammlung merkwürdiger Konstruktionen werden, eine Summe von Teilen, die zu Architektur verbaut werden können.

In ihrer ganzen Breite und Fülle werden die ‚Books and Prints‘ von Erik Steinbrecher nach Berlin erstmals in der Schweiz präsentiert und in einem vom Künstler und dem Grafiker Lex Trüeb konzipierten Buch zusammengestellt und publiziert.

Eröffnung: Dienstag, 18. Februar 2014, 18 Uhr

Paul Tanner, Kurator

2013

Der Erfolg beim Kunst-Sammeln ist zum einen abhängig von den Marktbedingungen und zum andern von den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Sammlers. Gegenüber dem Kunst-Sammeln ist die Kunst des Sammelns jedoch vor allem eine Begabung und eine Frage des guten Geschmacks: Zu denjenigen, welche die Gunst des Markts mit ihrer Begabung zu verbinden wussten, gehörte Robert Landolt (1913-2008), der als Kinderarzt in Chur einen grossen Teil seiner raren Mussestunden mit dem Studium und Erwerb von Handzeichnungen verbrachte. Zu Ehren seines 100. Geburtstags widmet ihm die Graphische Sammlung ETH eine Ausstellung. Sie zeigt 80 Werke aus seiner heute in Privatbesitz befindlichen Sammlung von Zeichnungen.

Robert Landolt trieb seit 1945 mit sensiblem Gespür für Qualität den Aufbau seiner bedeutenden Sammlung voran. Heute bietet sie mit herausragenden Beispielen Einblick in die intime Welt der Skizzen und Entwürfe Alter Meister. Unerwartet modern zeigt sich die über 500-jährige Felslandschaft in Feder des Florentiner Mönchs Fra Bartolommeo, eines Zeitgenossen Raffaels.

Ob von den Bologneser Künstlern Domenichino und Agostino Carracci oder von den Lombarden Morazzone oder Tanzio da Varallo – alle Blätter zeigen die unverzichtbare Rolle der Handzeichnung im Prozess künstlerischer Bildfindung.
Robert Landolts Sammlerinteressen waren zeitlich und geographisch weit gespannt. Auch die Werke der künstlerischen Schulen nördlich der Alpen sind prominent vertreten: Be-sonders sind der an römischen Ruinen interessierte Hendrik Van Cleve, der in der Welt der Mythologie bewanderte Hendrick Goltzius und die Landschaftszeichner Adriaen van Ostade und Jan van Goyen zu nennen. Eine schweizerische Eigenart stellen hingegen seine Scheibenrisse des 16. Jahr-hunderts dar. Sie entstanden als Vorlagen für Glasmalereien in öffentlichen oder privaten Gebäuden. In diesem Hand-werkszweig waren unter anderen der gebürtige Zürcher und lange in Bern tätige Hans Funk oder der Schaffhauser Daniel Lindtmayer spezialisiert.

Was mit so viel Leidenschaft zusammengetragen worden ist, erweist sich heute als ein Fest für die Augen. Die Ausstellung der Graphischen Sammlung ETH bietet die Gelegenheit, den Alten Meistern beim Entwerfen ihrer Werke über die Schulter zu sehen.

Eröffnung: Dienstag, 5. November 2013, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Dr. Michael Matile, Kurator 

Pablo Bronstein ist in Zürich kein Unbekannter. Im Sommer 2011 hat er auf dem Hof der Familie Blum in Samstagern im Rahmen eines Skulpturenprojektes des Migros Museum für Gegenwartskunst das Teatro Alessandro Scarlatti realisiert. Ein kleines, ja winziges Opernhaus wurde auf der Wiese aus Holz errichtet, aussen Weiss und innen Türkis gestrichen. Kaum eine Handvoll Besucher fand darin Platz. Im Orchestergraben konnten sich gerade mal zwei Musiker einrichten, und die Bühne bot lediglich einer Sängerin Raum. Exklusiver hätte die Aufführung einer Arie aus einer Oper von Scarlatti nicht sein können. Als virtuoser Szenograph ist er schon früher in England in Erscheinung getreten: Vor Architekturkulissen im barocken Stil traten Tänzer auf. Virtuos bediente er sich schon damals der Medien Zeichnung, Skulptur, Video und Performance.

Bronstein ist fasziniert von historischer Architektur, stellt sie aber mit seinen Zeichnungen und seiner Graphik mit viel Witz und Ironie in Frage. So zeichnete er eine phantastische Folge mit dreissig Entwürfen für Schlüssellöcher angeregt durch historische Vorlagen, die er in der Bibliothek des Musée des Arts Décoratifs in Paris gefunden hat. Immer wieder setzt er sich mit historischen Architekturpublikationen auseinander, so mit solchen vom französischen Architekten Antoine Carron (1521 – 1599) oder auch mit den berühmten Tafelwerken von Giambattista Piranesi (1720 – 1778).

Seit einigen Jahren erwirbt die Graphische Sammlung der ETH kontinuierlich sein graphisches Werk und stellt es nun erstmals in einer kleinen Präsentation vor. Pablo Bronstein (in Buenos Aires 1977 geboren, lebt und arbeitet in London) hatte bereits 2007 Gelegenheit im Lenbachhaus in München oder 2009 im Metropolitan Museum in New York sich in Einzelausstellungen zu präsentieren. Noch bis zum 24. November 2013 zeigt das Centre d’Art Contemporain in Genf die Ausstellung Pablo Bronstein – A is Building, B is Architecture. Auch in wichtigen Gruppenausstellungen war er schon früh beteiligt, so 2006 in der Tate Britain in London, 2010 im K20 der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf, 2010 an der Manifesta 8 in Murcia/Spanien oder 2012 in der Tate Modern in London.

Eröffnung: Dienstag, 5. November 2013, 18 Uhr

Paul Tanner, Kurator

Das Obskure hat seit jeher die Menschen zu fesseln vermocht. Zwischen betörender Verzauberung einerseits und unheimlichem Schauer andererseits bietet die Welt der Schatten ein unerschöpfliches Thema für die Kunst dar. Ob wie im Barock das pralle Leben im Schutze der wolllüstigen Nacht gefeiert wurde oder in der Romantik sich die Faszination für das metaphysische Böse in düsteren „Hymnen an die Nacht“ niederschlug, bis heute vermag diese vielschichtige Thematik die Künstler einzunehmen. Peter Bräuninger (geb. 1948) hat sich in seinem Werk ganz der stimmungsvollen Feier einer magischen Schattenwelt verschrieben: nächtliche Strassen- und Hafenszenen wechseln mit verdunkelten melancholischen Interieurs ab; das Innenleben wird dabei anhand der dunklen Ecken im eigenen Atelier genauso neugierig-registrierend ausgeleuchtet wie das pulsierende Rotlicht-Milieu draussen vor dem Fenster. Das Flair für die abgründige Ästhetik der Nacht vermischt sich hier oft mit den Elementen eines Film noir: suggestive Bildformeln des schleichenden Grauens scheinen von Alfred Kubin entlehnt, wohingegen die harten Kontraste an die zwielichtigen Grossstadt-Porträts von Edward Hopper erinnern. Einsam und verloren steht der Mensch mit seinen Habseligkeiten da und wartet. Das Ziel seiner Reise bleibt unklar – wie etwa in der titelgebenden Radierung von 1989.

Seit etwa vierzig Jahren ist Peter Bräuninger selbst ununterbrochen unterwegs: der Zürcher Künstler pendelt seit den späten 1970er Jahren regelmässig zwischen Zürich, Genua und Hamburg, hat aber auch immer wieder längere Aufenthalte in den USA und Paris eingelegt. Seit mehr als vierzig Jahren schafft er auf seinen Reisen unermüdlich virtuose Aquatinta-Radierungen, die in ihrer hyperrealistischen Darstellung an Schwarzweiss-Photographien erinnern. Das entsprechende Know-how hat er sich bei Bruno Stamm an der Zürcher Kunstgewerbeschule erworben. Anfang der 1970er ging man hier ganz dem Impuls der Zeit folgend stark von der exakten Beobachtung aus und schuf im Gegenzug zum alles relativierenden Konzeptualismus eine neue Art von Realismus, der im Fall von Bräuninger zu seiner phantastischen Ausprägung mutierte. Diesem Ansatz ist er bis heute treu geblieben. Die ersten Erfolge gaben ihm recht. Das beachtliche Echo gipfelte in einer monographischen Ausstellung 1980 im Kunstmuseum Winterthur. Es folgten bis zum heutigen Tag unzählige Präsentationen in Galerien im In- und Ausland, diese wurden stets auch von der Kritik wohlwollend rezipiert. Die früher einmal konstatierte systemkritische „Weltuntergangsstimmung“ wich mit der Zeit der ausgeprägten Fabulierlust. Heute überwiegen aufwendig komponierte Inszenierungen, die mit einem verschmitzten Blick auf die Realität bestechen. Die wohldosierten Irritationen erfordern genaues Hinschauen, um die kühnen Visionen zu erspähen: so imaginiert Bräuninger bereits in den 1980er Jahren Hochseekräne vor der Kulisse des Zürcher Letten-Bahnhofs. Das graduelle Ätzen der Radierplatten, die er nebst der Strichzeichnung mit mehreren flächig-druckenden Aquatinta-Lagen anreichert, verlangt wie kaum ein anderes druckgraphisches Verfahren ein ausserordentliches räumlich-abstraktes, ja „szenisches“ Denken. Und hier ist er ohne Zweifel als Meister des dramatischen Hell-Dunkels zu bezeichnen. Daneben agiert er auch als Drucker seiner graphischen Blätter – was sehr aussergewöhnlich ist, aber durchaus seinen Grund hat: Bräuninger modelliert seine „Nachtstücke“ stufenweise in mehreren Vorgängen aus der Kupferplatte heraus.

Aus dem stattlichen Archiv des Künstlers wird eine repräsentative Auswahl gezeigt. Die retrospektiv angelegte Präsentation, die von den ersten Versuchen bis zu den neuesten Arbeiten an die 80 Werke umfasst, erlaubt auch einen Blick in die Werkstatt des Künstlers: die Druckgraphik wird durch Zeichnungen und Skizzenbücher ergänzt. Bräuninger pflegt seine Motive vor Ort mit dem Bleistift oder in Gouache einzufangen und im zweiten Schritt in detailreiche Vorlagen umzusetzen. Hierbei pflegt er in der Tradition der Architekturphantasien von Giovanni Battista Piranesi vorzugehen: vorgegebene Objekte werden nachträglich in unerwartete Zusammenhänge versetzt und mit sicherem Gespür neu kombiniert. Oder hat man gewusst, dass sich tief unter dem Zürcher Hauptbahnhof rätselhafte Verliese verbergen?

Eröffnung: Dienstag, 20. August 2013, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal

Der niederländische Künstler Anton van Dyck (1599-1641) ist nicht nur durch seine grossartigen und zum Teil überlebensgrossen Porträts in die Kunstgeschichte eingegangen, sondern bleibt auch durch seine Iconographia auf dem Gebiet der gedruckten Bildnisse unvergessen. Über hundert Porträts berühmter Zeitgenossen sollten schliesslich darin vereint werden. Die Ausstellung „Markante Köpfe. Anton van Dyck und sein illustrer Kreis im Porträt“, welche von der Graphischen Sammlung der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit der Gastkuratorin Carme Rodríguez-Pàmias erarbeitet wurde, stellt dem Schweizer Publikum diese Meisterwerke der gedruckten Porträtkunst in nie gesehenem Umfang vor.

Dank der grosszügigen Schenkung des Zürcher Bankiers Heinrich Schulthess-von Meiss (1813-1898) besitzt die Graphische Sammlung der ETH Zürich einen besonders reichen Bestand an Blättern, die der Iconographia zugeordnet werden können. Darunter finden sich zahlreiche äusserst seltene Probedrucke, aber auch Blätter der ersten Iconographia-Gesamtausgabe des Verlegers Marten van den Enden, mit dem van Dyck bis zu seinem Tod 1641 eng zusammengearbeitet hat.

Nach der Lehre beim Antwerpener Maler Henrik van Balen (1575-1632) trat der hochbegabte van Dyck, der bereits im Alter von 19 Jahren den Meistertitel führen durfte, in die Werkstatt des bedeutendsten flämischen Malers, Peter Paul Rubens (1577-1640), ein. Dort war ihm eine namhafte Klientel von Beginn an sicher. Die Porträts der Iconographia legen Zeugnis über den auserlesenen Kreis ab, in dem der junge Meister verkehrte. Neben Monarchen, berühmten Staatsmännern, Gelehrten und Philosophen finden sich auch Künstler abgebildet, die für van Dyck von besonderer Bedeutung waren. Wenn auch der Grossteil der Porträts nach Entwürfen oder Gemälden van Dycks gestochen wurde, so griff der Meister bei einigen der Künstlerporträts selbst zur Radiernadel. Ergebnis dieses spontanen, unvoreingenommenen Herangehens an die Kunst des Radierens sind einige äusserst seltene Probedrucke „avant la lettre“.

Die Anfänge und der Entstehungsablauf der Iconographia gleichen einer Abenteuergeschichte mit zahlreichen bis heute ungelösten Fragen. Über den Beweggrund dieses ehrgeizige Projekt um 1632 in Angriff zu nehmen, kann nur gerätselt werden. Van Dyck, der mit der Tradition der Künstlerbiographien und Porträtbücher bestens vertraut war, dürfte auch für sich im Medium der Druckgraphik die Möglichkeit erkannt haben seine gefeierte Bildniskunst erfolgreich zu vermarkten.

Eröffnung: Dienstag, 23. April 2013, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Konstanze Forst-Battaglia

Seit zwanzig Jahren sammelt die Graphische Sammlung der ETH kontinuierlich Werke von Fischli und Weiss. Grund genug, einmal alles zu zeigen, was sie von diesem berühmten Künstlerduo besitzt. 1992 konnte aus einer Ausstellung der Zürcher Galerie Walcheturm die frühe Serie „Siedlungen Agglomeration“ erworben werden. Sie umfasste damals 45 Fotografien, eine Folge, die später noch erweitert wurde. 1993 kamen u.a. das „Kanalvideo“ und der Siebdruck „How to work better“ hinzu. Für 1995 ist der Ankauf der 28-teiligen Fotoserie „Surrli“ zu vermelden. 2002 gelang der Erwerb von 32 Farbproofs zu „Blumendrucke“, Vorstufen der gleichnamigen gedruckten Serie. Für die Schweizerische Graphische Gesellschaft entstand 2004 eine beidseitig bedruckte Lithographie. Der Lithographie „Schilf“ liegt auch ein Naturmotiv zugrunde. Diesmal ist es nicht direkt aus der Natur entnommen, sondern von Malereien auf Jahrmarktsdekorationen fotografiert. Das unsäglich Kitschige solcher gemalter Dekorationen erfährt bei Fischli und Weiss eine starke Filterung: Das Motiv entstand hier nicht durch Doppel- sondern durch Unterbelichtung, so dass es nun ziemlich grau und farblos erscheint. Nicht strahlende Schönheit ist hier das Thema, sondern der optische Reiz, der aus dem Dunkeln kommt.

Über die Jahre wurden immer wieder Publikationen von Fischli und Weiss erworben, die die Qualität und den Charakter von Künstlerbüchern haben. Ihre Graphikblätter sind so gut wie immer als Auftragsarbeiten entstanden: für eine Firma, für Kunstvereine, für Graphikverleger und schliesslich für die Schweizerische Graphische Gesellschaft. Zu den nicht ganz ein Dutzend zählenden Drucken kommen noch Fotoeditionen, bzw. Drucke und Kopien als Beilagen zu eigenen Büchern hinzu, die dadurch zu Vorzugausgaben aufgewertet werden. Mit den Büchern und vor allem mit den drei Fotoserien fügt sich alles zu einer repräsentativen Auswahl zusammen.

Sowohl Peter Fischli als auch David Weiss haben schon früher mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. Der Umschlag des Kataloges zur legendären Ausstellung „Saus und Braus – Stadtkunst“ von 1980 gestaltete Peter Fischli mit Klaudia Schifferle. Einen seiner Holzschnitte liess er von Anton Bruhin schneiden. So versteht sich von selber, dass Werke von Schifferle und Bruhin miteinbezogen werden. Legendär war die Zusammenarbeit von David Weiss mit Urs Lüthi. 1970 entstanden die „Sketches“, eine mit Willy Spiller realisierte Fotoserie. Nicht nur hierzu besitzt die Graphische Sammlung die fotografischen Vorlagen, sondern auch zu einer zweiten Serie, zu „The Desert is across the Street“ von 1975, einem ‚Krimi‘, der hauptsächlich an der Zürcher Langstrasse spielt. Den Abschluss bilden vier Arbeiten von David Weiss: die grosse Gouache „Strasse bei Nacht“ von 1981, das Künstlerbuch „up and down town“ von 1975, das Künstlerbuch „Wandlungen“ von 1976 und ein Siebdruck aus den späten siebziger Jahren, der für die Mappe „Museum Baviera“ entstanden ist.

Eröffnung: Dienstag, 5. Februar 2013, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

2012

Louise Bourgeois (1911-2010) bewegt sich zeitlebens zwischen verschiedenen Welten. „Obwohl ich Französin bin, kann ich mir nicht vorstellen, irgendeines meiner Werke in Frankreich geschaffen zu haben. Jedes dieser Werke ist amerikanisch, von New York.“ Geboren in eine gutbürgerliche und kunstsinnige Familie von Tapisserien-Händlern, geniesst sie eine exquisite Bildung und verkehrt bald in den Kreisen der Surrealisten von Paris, um dieses prägende Milieu nach ihrer Heirat 1938 in Richtung USA zu verlassen. Als sie 1947 die Zeilen in ihrem Tagebuch notiert, durchlebt Bourgeois eine tiefschürfende Krise. Ihre Einsamkeit und Isolation in New York der Nachkriegsjahre als Künstlerin und Mutter von drei kleinen Kindern verarbeitet sie in einem wegweisenden Graphikprojekt: Im selben Jahr erscheint He Disappeared into Complete Silence – das «Drama des Selbst» als ein illustriertes Buch mit neun Kupferstichen und neun Parabeln der Künstlerin. Das zentrale Thema lässt sie nicht mehr los: Ihre Werke oszillieren zwischen tiefster Intimität und lauter Exaltiertheit. Ihr Schaffen steht dabei am Übergang von der abstrakten Formsprache zu den narrativen Strömungen der 1980er Jahre. Das Pendeln zwischen den Welten zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Werk: „Hat der Tag die Nacht in Beschlag genommen oder die Nacht den Tag?“ – fragt sie rhetorisch in einer Tagebuchnotiz vom 7. Februar 1995. Diese Frage wird vier Jahre später als vielsagender Aphorismus einer überwucherten Bildtafel gegenübergestellt und als eines von neun Diptychen in der Folge What is the Shape of this Problem? (1999) zusammengefasst.

In den 1990er Jahren erfolgt der Auftakt zu einer fast schon überbordenden Aktivität sowohl in ihrem skulptural-installativen Schaffen – die berühmten Cells / Zellen entstehen – als auch im Bereich der Druckgraphik. Die internationale Anerkennung erreicht ihren Höhepunkt. Bourgeois bleibt dabei dem Medium der Graphik treu, sie schafft über die Jahre hinweg mehrere herausragende Portfolios zusammen mit führenden Verlegern wie Benjamin Shiff, Peter Blum und Jean Frémon. Genauso wie Bourgeois in ihren graphischen Werken über eine beachtliche Bandbreite an formalen Kriterien und eine enorme technische Versiertheit verfügt, hat ihr Werk – ganz in der surrealistischen Tradition – eine vielfältige literarische Komponente. Auffällig viele Graphikfolgen sind denn auch mit eigenen Texten konzipiert, wobei ganz unterschiedliche Herangehensweisen denkbar sind: Text und Bild können gleichzeitig oder aber unabhängig voneinander entstehen. Die Bildtafeln stellen dabei selbständige Formeln für die in den Texten oft thematisierten menschlichen Ängste dar, sind also niemals nur illustrierend. Keine der Graphikfolgen gleicht in ihrer Erscheinung der anderen, jede ist sorgfältig nach ihrem eigenen Prinzip entworfen und bildet eine unverwechselbare Einheit – dies kann auch als ein weiteres Indiz für die oft beschworene Position Bourgeois‘ Kunst auf der Schwelle zwischen der traditionskritischen Moderne und der pluralistisch-gestimmten Postmoderne gedeutet werden. Alle erzählten Geschichten spielen vor dem Hintergrund der für Bourgeois so prägenden eigenen Biographie. Allerdings sucht Bourgeois mit ihren Bild-Erzählungen nie eine unmittelbare, reine Botschaft zu vermitteln: sowohl auf der textlichen als auch auf der bildlichen Ebene bleibt stets ein nicht restlos zu entschlüsselnder Sinn verborgen.

Ausgehend vom Ankauf des bedeutenden Künstlerbuches The Puritan (1990), den die Graphische Sammlung 2010 getätigt hat, macht sich die geplante Ausstellung zum Ziel, die Schlüsselwerke des graphischen Schaffens von Louise Bourgeois zu präsentieren. Gezeigt werden sieben Suiten, entstanden zwischen 1947 bis 2007, in diversen Techniken ausgeführt und mehrheitlich begleitet von Texten der Künstlerin. Darunter dank der Unterstützung des Louise Bourgeois Studios selten gezeigte Meisterwerke sowie Werke aus privaten und öffentlichen Sammlungen in der Schweiz und den USA.

Eröffnung: Dienstag, 6. November 2012, 18 Uhr

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Alexandra Barcal

Das Reproduzieren und Publizieren, das Umsetzen künstlerischer Ideen in Gedrucktes und in dreidimensional Vervielfältigtes war für Ian Anüll von Anfang an wichtiger Teil seiner künstlerischen Aktivitäten. Will man sich dazu in der Literatur, die bisher zu Anüll erschienen ist, informieren, erfährt man zu seinen Editionen, seinen druckgraphischen Arbeiten und seinen Multiples aber nichts, abgesehen davon, dass das eine oder andere Multiple einmal abgebildet wurde. Dies ist sehr erstaunlich. Nicht dass er an spezifischen Techniken des Vervielfältigens, an der Technik als solcher, besonders interessiert gewesen wäre. Die angewandten Techniken waren ihm in erster Linie Mittel zum Zweck. Das Publizieren war ihm wichtig. Nichts desto trotz hat er die angewendeten Drucktechniken sehr präzise eingesetzt.

Bereits in den 1970er Jahren trat Anüll mit kleinen, selber gemachten Künstlerbüchern an die Öffentlichkeit. Bis heute ist sein reproduktionstechnisches Werk zwar immer noch überschaubar, aber dennoch zu beachtlichem Umfang angewachsen. Das publizistische Element, das mit Druckgraphik und Multiples zwangsläufig verbunden ist, war und ist ihm bis heute sehr wichtig. Mitte der achtziger Jahre fand er den Zugang zum Druckatelier des Centre genevois de gravure contemporaine, wo beispielsweise 1985 eine wichtige Siebdruckserie auf diversen Materialien entstand, oder 1986 eine Holzschnittserie, bei der er auf höchst originelle Art und Weise mit sechzehn Künstlern zusammenarbeitete. Neben Graphikblättern und Graphikfolgen sind Künstlerbücher und vor allem zahlreiche Multiples entstanden. Erstmals stellt die Graphische Sammlung der ETH alle seine Editionen aus und publiziert ein vollständiges Verzeichnis mit Abbildung sämtlicher dazugehörender Werke. Ian Anüll wurde 1948 in Sempach geboren. 1990 hatte er seine erste wichtige, von Bernhard Mendes Bürgi kuratierte Einzelausstellung in der Kunsthalle Zürich. Im Jahr darauf vertrat er die Schweiz an der Biennale von São Paulo.

Eröffnung: Dienstag, 21. August 2012, 18 Uhr

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Paul Tanner

Beim Lesen eines Textes nehmen wir die Form der Schrift nur unbewusst wahr. Wir erfassen die Buchstaben hauptsächlich in ihrer Bedeutung, da wir uns auf den Inhalt des Gelesenen konzentrieren. Dass aber die Form der Buchstaben die imaginäre Welt des gelesenen Gedankens mitprägt und die Aussage mitgestaltet, bemerken wir kaum. Der gelernte Typograph und Künstler Imre Reiner (1900-1987), ein Schweizer mit ungarischen Wurzeln, hat sich sein Leben lang mit diesem Phänomen auseinandergesetzt. Seine graphisch umgesetzten Erfahrungen sind in dieser monographischen Ausstellung versammelt. Ein Schwerpunkt der Ausstellung stellt die Zusammenführung von Schrift und Bild in typographischer und handschriftlicher Gestaltung dar. Holzstiche oder Zeichnungen werden in das Schriftbild der Bücher oder Briefe eingebettet, so dass die Synthese zweier scheinbar wesensfremder Elemente zur Selbstverständlichkeit wird. Überdies variieren Buchstabenabfolgen die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten des Alphabets. Dabei reduziert Reiner den Buchstaben auf seine bildhafte, abstrakte Form und verwendet ihn als konstruktives, inspirierendes Element, um neuartige Formen zu schaffen. Die Bedeutung des einzelnen Buchstabens rückt damit in den Hintergrund. Auf seiner Suche nach Berührungspunkten zwischen Schrift und Bild stösst Reiner auf die bewegte Linie und die Spannung zwischen gezeichneter Linie und umzeichneter Fläche. Diese formalen Merkmale seiner Bilder veranschaulichen, einerseits Bewegung, und andererseits Tiefenräumlichkeit: beides wesentliche Eigenschaften eines Bildes. Das Motiv seiner Werke oder die Einbettung in die Schrift aber zwingt uns, die Darstellungen mit einer bildfremden – schriftlichen Welt zu verknüpfen. Auf diese Weise lenkt der Künstler unseren Blick auf das Potential einer viel zu wenig beachteten Bildwelt.

Eröffnung: Dienstag, 24. April 2012, 18 Uhr

Patrizia Somlombrino

In seinem Buch Die Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist (2006) schreibt Peter von Matt in einem Kapitel zur Dramaturgie eines verbrecherischen Aktes, der von zweien begangen wird: Exemplarisch sei da die „Apfelaffäre“ im Paradies. „Adam und Eva stellen eine Urgestalt des Paars als Täter dar. Sie dürfen von der Frucht des Baumes nicht essen und tun es doch. Beide beissen zu. … Aber wann und wie beissen sie zu, und wer zuerst, und warum tut es der andere auch? Geht man die Adam-und-Eva-Bilder in der Kunstgeschichte durch, sieht man, dass der Apfel immer da ist auf den Gemälden und Kupferstichen, aber immer wieder anders.“ Und immer wieder anders agiere auch die Täterschaft Mann, Frau und Schlange. Die Tat werde gemeinsam und doch individuell begangen und: „Beides muss im Bild sichtbar werden, aber indem es sichtbar wird, wird es auch schon gedeutet.“ Das sei – abgesehen von der gewaltigen Frage nach der Schuld – erst einmal kurzweilig zum Anschauen. Grund genug, solche Bilder in einer Ausstellung zu versammeln.

Mit wenigen Ausnahmen wird ausschliesslich der Tatbestand des Sündenfalls präsentiert, dieses folgenschweren Moments der Widerhandlung unserer Stammeltern gegen die einzige Einschränkung in ihrem paradiesischen Dasein. Prinzipiell geht es im Ablauf des Geschehens ums Immergleiche: um den engen Zusammenhang von Nehmen, Übergeben, Entgegennehmen, Weitergeben und Annehmen des Apfels. Wie ist das Paar dargestellt? Zeigt es sich in unschuldiger Blösse, bevor das problematische Spiel um das Tabu des nackten Körpers beginnt, das heisst, bevor aus einer gottgegeben-selbstverständlichen Bedingung wollüstiges Potential erwächst? Oder ahnt man beim Anschauen, wie sich diese Veränderung anbahnt? – als Vorschau auf das erwachende Gewissen der beiden, die ihrerseits ahnen, dass sie nicht perfekt sind, sondern nackt. Wie reagieren sie? Zuweilen schämen sie sich, zuweilen kokettieren sie eher damit, zuweilen geht eins ins andere über und wird zum Vexierspiel zwischen konkretem Verbergen und metaphorischem Hinweisen. Zuweilen geht es schon eindeutig zweideutig zu. Meist ist es ja Eva, die den Apfel anbietet und ihre Rolle als Femme fatale ausbildet. Eigentlich galt sie ja als zweites und schwächeres Geschöpf, zu ihrem eigenen Schutz vor des Teufels Einfluss Gottes Erstgeborenem untergeordnet. Als es dann aber um die Probe aufs Exempel geht, zeigt sich der Primus des ‚starken Geschlechts’ sorglos oder als zögerndes, linkisches Opfer. Beteiligt am Sündenfall sind beide. Aber ist nicht einmal sie, einmal er ein bisschen schuldiger? An ihrer Exilierung aus Eden ändert das schliesslich nichts.

Eva Korazija

Eröffnung: Dienstag, 7. Februar 2012, 18 Uhr

2011

Monotypie ist ein einmaliger, nicht wiederholbarer Abdruck auf Papier. Macht man dennoch von der Platte einen zweiten Druck, entsteht nur noch ein sogenannter ‚ghost print‘. Auf einer Kupfer-, Zink-, Glasplatte oder auf einer anderen Unterlage wird ein Bild gemalt oder gezeichnet und davon anschliessend ein Abdruck genommen. Monotypie ist ein Zwischending Druckgraphik. Es ist ein Druck und dennoch nicht reproduzierbar, einmalig wie eine Zeichnung oder ein Gemälde zwischen Zeichnung und Druckgraphik, zwischen Malerei und. Monotypie ist eine Verbindung von Malerei, Zeichnung und Graphik.

Maler wie Giovanni Benedetto Castiglione (1609-1665) oder Edgar Degas (1834-1917) haben in diesem Medium Grossartiges geschaffen. Es sind zum einen Maler, die sich diese Technik zu eigen machen, aber auch Künstler, die aus einer intimen Kennerschaft der Druckgraphik heraus sich in den Grenzbereich zwischen Zeichnung und Druckgraphik vorstossen, und schliesslich Künstler, die von einem konzeptuellen Ansatz her zur Monotypie gelangen.

Was ist in der Ausstellung zu sehen?

Im Ausstellungsraum werden Monotypien von sieben internationalen und nationalen Künstlerinnen und Künstlern vorgestellt: Per Kirkeby und Rosina Kuhn, die gewissermassen malend drucken, Andy Warhol, Georg Baselitz, Francine Mury und Anselm Stalder, die ihre druckgraphische Kennerschaft auch auf dem Feld der Monotypie souverän ausübten, und Stefan Gritsch, der von einem konzeptuellen Ansatz her zur Monotypie kam. In den Gangvitrinen wird die Präsentation ergänzt durch Unikatdrucke von Peter Emch, Jean Pfaff und Claude Sandoz einerseits und durch eine Auswahl weiterer Monotypien aus der Sammlung andererseits, Monotypien vom frühen 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart, von Helen Dahm bis Jean Crotti.

Welche Werke sind die Highlights?

Allein die Fülle und Vielfalt der Monotypie ist ein ‚must see‘. Zur Monotypie gehört auch das Moment der Überraschung. Erst wenn Kunstschaffende das bedruckte Blatt von der Platte abziehen, sehen sie das endgültige Ergebnis. Am grössten ist die Überraschung bei den Rorschach-Tests, so etwa bei Warhol. Ihr Ergebnis lässt sich überhaupt nicht steuern.

Eröffnung: Dienstag, 8. November 2011, 18 Uhr
Einführung durch Paul Tanner, anschliessend Vorstellung des neuen Buches Rosina Kuhn. Ein Leben lang Malerin durch Guido Magnaguagno

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Paul Tanner

Schon in den frühen achtziger Jahren hat Jean Crotti (1954 in Lausanne geboren) sein künstlerisches Thema gefunden. Es war nicht einfach, diesem Thema seine adäquate Form zu geben und diese in der Kunstszene durchzusetzen. Damals sollte einer, wenn er denn figurativ arbeiten wollte, malen wie die Jungen Wilden. Diese Expressivität entsprach aber nun gar nicht dem subtilen Inhalt, den Crotti anstrebte. Ein klassischer figurativer Stil kam natürlich auch nicht in Frage. Er fand für sich eine scheinbar ungelenke und eher naive Formensprache, für die er über Jahre eine gewisse Isoliertheit in Kauf nahm. Sich selber treu zu bleiben hat sich gelohnt: Zahlreiche Einzelausstellungen, etwa 2010 verbunden mit dem Preis der Stadt Le Locle oder 2009 im Musée des Beaux-Arts in Lausanne, fanden in den letzten Jahren statt.

Hätte man in den frühen 90er Jahren Jean Crotti gefragt, ob er eine Lithographie oder eine Radierung machen möchte, hätte er das bestimmt entschieden verneint. Zu akademisch wären ihm solche Techniken zunächst vorgekommen. Den Zugang zur Druckgraphik fand er erst in den späteren neunziger Jahren über Linolschnitte. Diese konnte er für sich allein im Atelier schneiden und ohne fachmännische Hilfe drucken. Jahre später liess sich Jean Crotti dann doch dazu überreden, an einem Lithographie-Workshop im Atelier von Thomy Wolfensberger teilzunehmen. Seit Crotti 2008/09 bei Urban Stoob in St. Gallen sechs drei- bis fünffarbige Lithographien realisiert hat, ist er mit dieser Drucktechnik erst so richtig vertraut und liebt sie jetzt sehr.

Zentrales Thema im Werk von Jean Crotti ist die Inszenierung und Ambivalenz jugendlicher Schönheit. Es ist die scheinbare Unschuld und die Gefährdung meist männlicher Jugendlicher, die in seinen Porträts unterschwellig Ausdruck findet. Noch voller Träume sind sie und glauben, dass (noch) alles im Leben möglich ist. Der eine oder andere mag schon kriminell gewesen sein und wurde deswegen vom Gesetz hart und unerbittlich in die Schranken verwiesen. In den Porträts von Jean Crotti geben sie sich meist ganz ‚unschuldig‘ , auf ihre jugendliche Ausstrahlung und Verführungskraft fast blind vertrauend.

Zur Triennale de l’art imprimé contemporain in Le Locle ist 2010 das Verzeichnis der Editionen von Jean Crotti erschienen. Bis auf wenige Ausnahmen stammen alle seine in Le Locle gezeigten druckgraphischen Arbeiten aus der Graphischen Sammlung der ETH, so dass eine Ausstellung hier in Zürich mehr als erwünscht war und sich ganz selbstverständlich ergab.

Publikation: Jean Crotti. Impressions et dessins, Musée des beaux-arts Le Locle, Benteli Verlag, Bern 2010,
CHF 40.-

Eröffnung: Dienstag, 23. August 2011, 18 Uhr

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Paul Tanner

Lithographie ist nicht gleich Lithographie. Das kann anhand der Auswahl an Werken aus dem Archiv des Steindruckers Nik Hausmann unschwer nachvollzogen werden. Das eindrückliche Spektrum von über achtzig Blättern erlaubt Rückschlüsse auf die ungemein vielfältigen Entstehungsmöglichkeiten der Lithographie. Die auf dem Abstossen von Fett und Wasser basierende Technik des Flachdruckes erfährt je nach künstlerischer Intention eine andere Anwendung. Neben der herkömmlichen Technik einer Kreide- oder Tuschlithographie gilt es in der Ausstellung auch zahlreiche andere Praktiken zu entdecken. Während die einen Künstler auf den Stein wie auf ein Blatt Papier zeichnen oder malen, kombinieren die anderen geschickt verschiedene Verfahren: sie lassen Offsetdrucke und Holzschnitte mit Lithographie überdrucken, experimentieren mit verschiedenen Vorlagen oder kolorieren gedruckte Blätter von Hand. Der künstlerischen Phantasie sind (fast) keine Grenzen gesetzt – dank der aufmerksamen und professionellen Begleitung durch ihren Drucker.

Das Lithographieatelier von Nik Hausmann in Séprais im Kanton Jura nahm seinen Betrieb um 1971/72 auf und zählt heute zu den bedeutenden Litho-Werkstätten Europas. Über zweihundert Künstler haben bis heute den Weg in seine Werkstatt im entlegenen Weiler gefunden (vgl. Synopse). Neben Künstlerinnen und Künstlern aus dem regionalen Umfeld haben hier immer wieder auch national wie international bekannte Kunstschaffende gearbeitet: so etwa Martin Disler, Rolf Iseli, Jean Pfaff, Irène Wydler sowie vor kurzem Ernst Caramelle oder Rolf Winnewisser. Einige von ihnen sammelten bei Hausmann erste Erfahrungen, viele kehrten über Jahre immer wieder nach Séprais zurück. Einzelne luden den Drucker gar zu sich ins Atelier ein: so assistiert Hausmann seit 25 Jahren Franz Gertsch beim Drucken seiner monumentalen Holzschnitte. Genauso lange begleitet nun Bernard Fassbind, Literaturwissenschaftler und Kunsthistoriker, die Geschicke des Ateliers von Nik Hausmann und dessen Künstler. Aus seinen Beobachtungen sind zwölf Porträts entstanden, die nun zusammen mit einem Katalog der ausgestellten und teilweise kommentierten Werke erscheinen. Für eine Vorzugsausgabe der Publikation zur Ausstellung konnte Rolf Winnewisser gewonnen werden. Er hat für die Sonderausgabe eine vierfarbige Lithographie entworfen, die in Form eines Triptychons seine gewohnt vielschichtigen Bildwelten dokumentiert und als Leporello dem Buch beiliegt.

In der Ausstellung sind 45 Künstler des Ateliers Nik Hausmann mit mindestens einem Werk vertreten, wobei neben Auflageblättern auch einzelne Probe- und Zustandsdrucke gezeigt werden. Durch die grosse Bandbreite an künstlerischen Auffassungen und technischen Vorgehensweisen wird ein Überblick über das zeitgenössische Lithographieschaffen in der Schweiz seit den 1970er Jahren bis heute dargeboten.

Vernissage: Dienstag, 10. Mai 2011, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal

Kein Betrachter begegnet dem Werk des spanischen Malers und Radierers Francisco José de Goya y Lucientes (1746-1828) gleichgültig. Seine vor rund 200 Jahren entstandenen Graphikzyklen erweisen sich mit ihren breit gespannten Themen zu Torheit und menschlichen Abgründen auch heute noch überraschend zeit- und schnörkellos: Sie machen auf höchstem künstlerischen Niveau betroffen.

Der Künstler lebte in Zeiten des Umbruchs, in einem Land, dessen wechselvolles politisches Schicksal vom Streben nach nationaler Selbstbestimmung und reaktionärer Vergeltungsherrschaft geprägt war. Seine radierten Graphikfolgen spiegeln die persönliche Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Themen, mit Fehlbarkeit und Torheit, mit Tod, Schrecken und Gewalt, aber auch mit der „Fiesta nacional“, dem spanischen Ritual des Stierkampfs. Nicht alle Arbeiten konnte Goya selber publizieren: Obwohl er sich in seinen Los Desastres de la Guerra, einer Bildfolge mit Szenen aus dem Spanischen Unabhängigkeitskrieg, weitgehend eines politischen Urteils enthielt, verhinderte allein die Brisanz der Darstellungen das Erscheinen zu Lebzeiten. Auf dem Hintergrund der Moderne erwies sich sein Schaffen nachträglich als richtungsweisender Umbruch, dessen visionäre Züge bis heute nichts eingebüsst haben.

Die Ausstellung zeigt neben den Frühwerken nach Diego Velázquez (1599-1660) alle seine umfangreichen Radierfolgen in breiter Auswahl und einige Lithographien des Spätwerks. Im Zentrum stehen die Serien der Caprichos, der Desastres della guerra, der Tauromaquia und der Folge der sogenannten Disparates (Los Proverbios). Die Bedeutung und die Qualität von Probedrucken bei Goya wird an Beispielen aus dem Besitz von Eberhard W. Kornfeld und der Galerie Kornfeld, Bern, in selten gezeigtem Umfang anschaulich gemacht. Im Fall der Probeabzüge der Desastres della guerra sind sie vor den posthumen Auflagendrucken die einzigen Abzüge, die noch zu seinen Lebzeiten entstanden. Zusammen mit einer Handzeichnung des Künstlers machen sie die Ausstellung zu einem ganz besonderen Highlight für die Liebhaber von Goyas Werk.

Punktuell ergänzen als Beispiele einer zeitgenössischen Auseinandersetzung mit dem Werk Goyas Blätter der Brüder Dinos und Jake Chapman (*1962 bzw. *1966) die Ausstellung.

Vernissage: Dienstag, 8. Februar 2011, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Michael Matile

2010

Die Ausstellung zeigt Sichtbares – vor allem Druckgraphik, einige Zeichnungen und Fotografien aus den Beständen der Graphischen Sammlung. Und hier ist gleich noch zu betonen: dass der reiche Bilderschatz dieser Sammlung insgesamt gewiss mehr Darstellungen von recht eigentlich Unsichtbarem versammelt als von tel quel Sichtbarem.

Unsichtbar heisst hier also: Thematisch geht es darum, etwas zu zeigen, was eigentlich kein Bild zeigen kann, weil man es mit eigenen Augen normalerweise nicht sehen kann. Aber: Was man nicht sehen kann, gerade das muss man zeigen.

Kunst ist jedenfalls immer auch bemüht, ausser dem Sichtbaren Unsichtbares sichtbar zu machen. Caspar David Friedrich ging gar so weit zu sagen: „Der Maler soll nicht bloss malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht, sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.“ Imagination heisst dieses ‚bildgebende’ Mittel. Sie ist das Vermögen, das ‚Unbedingte’, also Vorstellungen nicht vorhandener Dinge, dingfest zu machen.
Traditionell sind es ja immer wieder die Sphären mit Engeln und Teufeln. Wer kann behaupten, das je gesehen zu haben? Vorstellungskraft hat nicht nur vom Überirdischen, vom ‚Drüber’ was zu bieten, sie wird auch von dem, was ‚Drunter’ sein könnte angeregt, vom Unterirdischen – und sei es nur das nüchterne Interesse der Archäologen an verschütteter Wirklichkeit und mehr oder weniger fantastischer Rekonstruktion. Dann: Zeit kann man nicht sehen. Balzac schrieb noch: “Wer hat je eine Bewegung berührt … Wir fühlen ihre Wirkungen aber wir sehen sie nicht.“ Wir leben inmitten von unsichtbar Winzigem, das erst mit geeigneten Sehhilfen sichtbar geworden ist, ebenso wie das Entfernte – und das Nächste: Das eigene Selbstporträt sieht man nur im Spiegel. Und inwendig – wie sehen wir da aus? Und so weiter.

Entgegen der Visualisierung von Unsichtbarem suchen andere Darstellungen, Sichtbares unsichtbar zu machen. Auch solche Aspekte zeigt die Ausstellung, unter inhaltlichem oder technischem Blickwinkel. Verstecken, Verpacken, Aussparen oder Ausbleichen sind etwaige Strategien. Zuweilen geht die Kunst an die Grenze des gerade noch Sichtbaren, spielt mit unserer Wahrnehmung; oder sie verweigert das fertige Produkt und begnügt sich mit Andeutungen.
Da geht es aber auch um das unsichtbare Bild im Bild, das Wasserzeichen, oder um Vorder- und Rückseite eines Blattes; es geht ums pars pro toto, da ein bestehendes Werk nur ausschnittweise wiedergegeben ist und den Rest der Vorlage unsichtbar belässt.

So oder so: Sehen oder Nichtsehen – das ist hier die Frage. Nichts ist in der Ausstellung jedenfalls nicht zu sehen.

Eva Korazija

Vernissage: Dienstag, 2. November 2010, 18 Uhr

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Patrick Blank

Naturforschung ist seit der Renaissance auf anschauliche und doch präzise Darstellungen angewiesen. Bedeutende Künstlerinnen und Künstler haben hierzu über Jahrhunderte wichtige Bildbeiträge geliefert. Die moderne Naturwissenschaft jedoch behilft sich seit Jahrzehnten immer weniger von Hand gezeichneter, künstlerischer Visualisierungen.

Die Künstler selber haben deswegen das Interesse an der Natur nicht verloren. Einzelne beobachten wie Naturwissenschaftler die Natur, stellen systematische Recherchen an und halten diese mit dem Fotoapparat fest: Hugo Suter hat in den frühen neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts für sein Portfolio Sol-Gel das Wasser des Hallwilersee, bzw. das darin schwimmende Plankton unter dem Mikroskop beobachtet und mit der Kamera festgehalten. Luca Galli fotografierte über Jahre am Ufer des Langensees die aufsteigenden Gasblasen , die im Winter faszinierende Eisskulpturen unter der Wasseroberflächen bilden. Für Jan Jedlicka ist die Maremma seit langem und zu jeder Jahreszeit ein unerschöpfliches Beobachtungsfeld. Die kleine Insel Lokrum vor Dubrovnik ist das Motiv, das der kroatische Künstler Antun Maracic täglich vor Augen hat und ihn immer wieder von neuem fasziniert. Steinbrüche waren für längere Zeit das Bildthema von Petra Wunderlich. Auf die Tierwelt ist das Objektiv von Jochen Lempert stets gerichtet – und sei es nur eine Fliege, die durch den Raum schwirrt. Pietro Mattioli nahm eines Nachts die Schönheit von Spinnennetzen in der Nachbarschaft seines Ateliers wahr und widmete ihnen eine eigene Serie. Willy Spiller steigt am Abend in die Berge, um immer wieder den auf- oder niedergehenden Vollmond vor herrlicher Bergkulisse festzuhalten. Im Werk von Herman de Vries spielt die Natur, insbesondere die Pflanzenwelt eine zentrale Rolle.

Drei von Ihnen hatten zunächst beruflich mit der Natur zu tun. Herman de Vries absolvierte eine Gartenbauschule , Jochen Lempert war vor seiner künstlerischen Tätigkeit als Biologe tätig und Pirmin Näf studierte an der ETH Zürich Umweltnaturwissenschaften.

Künstlerinnen und Künstler, die als oder wie wissenschaftliche Zeichner arbeiten, dürfen nicht fehlen: Martha Seitz, Cornelia Hesse-Honegger und Pirmin Näf. Schliesslich geben vier Absolventinnen des Studienbereichs Illustration Non Fiction der Hochschule Luzern Design und Kunst Einblick in ihre erst kürzlich abgeschlossenen Bachelorarbeiten: Nadja Baltensweiler, Janine Heers, Eva Rust und Julia Carabain.

Vernissage: Dienstag, 17. August 2010, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Der international bekannte Schweizer Künstler Roman Signer (geb. 1938) gehört zweifellos zu den eigenständigsten Protagonisten der zeitgenössischen Kunstszene. Einem breiten Publikum ist der Appenzeller vor allem durch seine zahlreichen spektakulären Aktionen bekannt geworden. Seit den 70er Jahren unterzieht Signer immer wieder Alltagsgegenstände ungewöhnlichen Transformationsprozessen, hantiert mit Sprengstoff oder lässt vergängliche Skulpturen entstehen. Seit 1981 tut er dies öffentlich. So überraschte er 1987 an der Documenta 8 mit einer fulminanten Abschlussperformance: für einige Augenblicke liess er eine riesige Papierwand aus zeitgleich gesprengten Papierstössen erstehen. Von seinem Heimatort Appenzell legte er 1989 eine Zündschnur bis zu seinem Wohnort St. Gallen und liess diese während 35 Tagen langsam abbrennen. Zur Eröffnung des neuen Zürcher Einkaufszentrums Sihlcity installierte er 2007 einen sich auf einer Bahn bewegenden Koffer, der sich stets von neuem mit Wasser füllt und immer wieder entleert, dem ungehindert zirkulierenden Kapitalfluss nicht unähnlich.

Der Koffer stellt in Signers Werk die Metapher schlechthin dar. Nicht ohne Grund verwendet Peter Liechti für den Titel seines filmischen Porträts von 1996 eben dieses Element, womit er nicht nur dem bei Signer beliebten Experimentierobjekt, sondern vor allem auch seinem Werk eine enorme Breitenwirkung verschafft hat. Der alltägliche Gegenstand, der mit allen gesammelten Eindrücken und Fundstücken im Film als Chiffre für das Reise-Dasein des Künstlers steht, mutiert hier einmal zu einem Gefährt, kann aber auch zu einem Wurfgeschoss geraten. Doch was vielfach scheinbar aus einer spitzbübischen Laune resultiert und rein zufällig erscheint, geht auf teilweise langzurückliegende Einfälle und langgehegte Wünsche des Künstlers zurück. Diese spontanen Ideen pflegt der Künstler auf dem erstbesten Blatt Papier oder Zettel festzuhalten, um deren Verflüchtigung entgegen zu wirken. Danach werden sie in eine Kassette gelegt und wie ein Schatz gehütet, um eines Tages hervorgeholt und endlich realisiert zu werden. Oft ist eine solche Realisierung von langer Hand geplant und Ausdruck eines komplexen Visualisierungsprozesses. Dies zeigt die Ausstellung in der Graphischen Sammlung der ETH zum ersten Mal. Nun kann ein breites Publikum an diesem schrittweisen Schöpfungsprozess teilhaben, der hier in der Gegenüberstellung von Skizzen und Modellen erst deutlich wird. Im Zentrum der Ausstellung steht ein Konvolut an Ideenskizzen im Besitz der Graphischen Sammlung der ETH. Es handelt sich um Material aus dem Zeitraum von den frühen 70er bis zu den späten 90er Jahren. Es sind Andeutungen erster Bildideen, kombiniert mit genauen Detailansichten, Versatzstücke realisierter Projekte neben Vorlagen für bisher unbekannte Vorhaben, Entwürfe für ganze Aktionen oder Konzepte geplanter Ausstellungen – Gedankengut, das Signer immer wieder aufgreift und stets weiterentwickelt. Dazu werden rund ein Dutzend Modelle, allesamt vom Künstler ausgeliehen, auf einem eigens für die Ausstellung von ihm entworfenen grossen Tisch installiert. Diese Modelle sind bisher noch nie gezeigt worden. Signer hat sie bisher so gut wie alle in seinem Besitz zurückbehalten. Für ihn sind es in erster Linie Arbeitsinstrumente. Sie sind aber auch eigentliche Kunstobjekte, von seinem Schwiegervater Stanislaw Rogowiec in aufwendiger Massarbeit angefertigt.

Auch der Koffer kommt hier vor: einmal entwirft Signer mit gewohnt knappen Strichen eine Installation mit einer leicht über starkem Gebläse schwebenden Bagage, ein anderes Mal simuliert ein Modell den an einer Stange befestigten und im Raum kreisenden Koffertrabant. Vom langsam dahinkriechenden Kajak zum neuesten geplanten Weihnachtsbaum im Wassertank, von den ältesten Sandprojekten bis zu den Stiefeln im Entwurf zum Brunnen beim Paul-Scherrer-Institut der ETH – stets konfrontieren die Exponate den Betrachter mit Signers subversiv-humorvollen Sicht auf die Dinge selbst, verkörpern aber auch seine ästhetische Suche nach der gültigen Form für seine situativen Ideen. Stets steckt deshalb hinter jedem von ihnen auch eine kleine Geschichte. In diesem Zusammenhang ist es nicht uninteressant auf die enge Beziehung des Künstlers zu der ETH hinzuweisen, die im Rahmen der Ausstellung ebenfalls dokumentiert wird: Signer ist in den späten 60er Jahren mehrmals für die Versuchsanstalt für Wasserbau an der ETH Zürich tätig gewesen. Mit seiner Aktion Sternenhimmel ist 1997 das Wissenschaftskolleg Collegium Helveticum eingeweiht worden.

Vernissage: Mittwoch, 19. Mai 2010, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal

„Vive l’eau-forte*!“ Mit diesen Worten brachte Charles Baudelaire in der Schrift L’eau-forte est à la mode (1862) die neue Wertschätzung der Radierung pointiert zum Ausdruck. Als sich Eugène Delacroix um 1830 der Radierung zuwandte, wählte er damit eine traditionelle aber nicht aktuelle Drucktechnik. Die Radierung galt zu dieser Zeit als künstlerisch zweitrangiges Reproduktionsverfahren, das allenfalls für die Buchillustration eingesetzt wurde. Das sollte sich bald grundlegend ändern. Mit Charles Meryon und Félix Bracquemond traten um 1850 zwei Künstler hervor, die der Radierung zu einer neuen künstlerischen Blüte verhelfen sollten. Besonders Bracquemond setzte sich aktiv für die Radierung ein, indem er befreundete Künstler wie Edouard Manet und Camille Corot ermutigte, zur Radiernadel zu greifen und sie bei technischen Fragen tatkräftig unterstützte.

Höhepunkt dieser Entwicklung bildete die Gründung der Société des Aquafortistes im Jahr 1862, der sich die namhaftesten Künstler der Zeit anschlossen. Zu den Mitgliedern zählten Delacroix, Corot, Millet, Manet, Jongkind, Pissarro u. v. a. Gemeinsam traten sie für die Förderung der Radierung ein und trugen wesentlich zu deren Anerkennung als eigenständiger künstlerischer Bereich bei. Massgeblich beteiligt am Erfolg dieser Bestrebungen war der Verleger Cadart, der den Künstlern in seinem Geschäft neben Radierwerkzeug und Säurebottichen eine Tiefdruckpresse zur Verfügung stellte. Von 1862 bis 1867 erschienen bei Cadart unter dem Titel „Eaux-fortes Modernes“ in regelmässigen Abständen Mappen mit Originalradierungen verschiedener Künstler.

90 Exponate – Porträts, Stadt- und Landschaftsansichten sowie Schilderungen des alltäglichen Lebens – bieten Einblicke in ein bewegtes Jahrhundert. Als ebenso vielfältig erweist sich die künstlerische Umsetzung. Während viele Werke die Bewunderung der grossen Vorbilder Rembrandt und Goya erkennen lassen, zeugen andere von der Suche nach neuen Ausdrucksformen. Die Begeisterung für das technische Experiment und das nahezu grenzenlose Erproben des Mediums zeigt sich besonders eindrucksvoll in der impressionistischen Graphik von Pissarro und Degas.

*der Begriff eau-forte (dt. starkes Wasser) bezeichnet die Säure, die für das Ätzen der Kupferplatten verwendet wird.

Vernissage: Dienstag, 23. Februar, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Andrea Arnold

2009

Seit 1980 hat Peter Emch kontinuierlich ein umfangreiches graphisches Werk geschaffen. Neben Zeichnungen, meist in eigentlichen Blöcken entstanden, hat er immer wieder Druckgraphik hergestellt. Als Technik bevorzugt er bis heute den Holzschnitt. Viele der Holzschnitte wurden im Atelier des Kupferdruckers Peter Kneubühler gedruckt, der ihm manche drucktechnische Kniffe beibrachte, von denen auch die neueste Serie profitierte. Die zwischen 2006 und 2009 entstandene Serie, die erstmals vollständig präsentiert wird, hat Emch im eigenen Atelier gedruckt. Es sind durchwegs Unikatdrucke, ein Umstand, der es ihm erlaubte, die Druckstöcke verschieden oder auch partienweise verschieden einzufärben, war doch keine Auflage zu realisieren, bei der jeder Abzug mit dem nächsten identisch sein musste. Zu vier Motiven sind so je acht Farbvarianten, insgesamt somit 32 Farbholzschnitte, entstanden.

Auf den ersten Blick erinnern die Holzschnitte an japanische Farbholzschnitte. Peter Emch hat sich jedoch chinesische Zeichnungen aus dem 18. Jahrhundert zum Vorbild genommen, bzw. sie zu Coverversions verarbeitet. Es wäre für ihn bestimmt auch keine kreative Herausforderung gewesen, japanische Farbholzschnitte wiederum in Farbholzschnitte umzusetzen. Das Bildmotiv hat er jeweils ziemlich getreu übernommen. Die entscheidende Umsetzung erfolgte von der zarten Zeichnung in kräftige Holzschnittlinien und in der Farbigkeit.

Im Winter 2002/03 präsentierte das Museum Rietberg Zürich die Ausstellung „Liebeskunst – Liebeslust und Liebesleid in der Weltkunst“. Wie schon aus dem Titel hervorgeht, ging es nicht nur darum, das Hohe Lied der romantischen Liebe, des trauten Zusammenseins zu singen. Vielmehr wurde ein komplexes soziologisches Spannungsfeld aufgespannt. Denn Liebe wird quer durch die Kulturen verschieden verstanden, verschieden praktiziert und ist in ganz unterschiedlicher Form von Moral und Religion geprägt. Das war es, was Peter Emch anzog und zur Auseinandersetzung herausforderte. Wenn es ihm nur um die Darstellung von Liebespraktiken gegangen wäre, dann hätte er sich besser bei japanischen Holzschnitten orientiert, wie sie in der Ausstellung auch vertreten waren.

Durch das ganze Schaffen Emchs zieht sich wie ein roter Faden das leidenschaftliche und spannungsvolle Verhältnis der beiden Geschlechter. Doch im Unterschied zu den achtziger Jahren, als er das Thema ungestüm und auch inhaltlich holzschnittartig abgehandelt hat, meisterte er das Thema äusserst subtil, auch wenn selbst hier die Erotik nicht weniger konfliktgeladen ist als Jahrzehnte davor.

Vernissage: Dienstag, 8. Dezember 2009, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Nicht nur die eigenen Erfahrungen prägen unser Verhältnis zur Stadt, sondern genauso die Bilder, die über Jahrhunderte hinweg von ihr entworfen und verbreitet wurden. Bücher und Graphiken boten seit jeher das Medium, um neue und kühne Stadträume zu erdenken und zu erproben, wie sie die Wirklichkeit nicht bieten konnte. Das zur Ausstellung an der ETH Zürich erscheinende Buch vermittelt anhand von wichtigen und kostbaren Originaldokumenten, neu aufgenommen und grosszügig abgebildet, wie sich die gezeichnete und die gebaute Stadt gegenseitig formten. Darunter befinden sich die Schedelsche Weltchronik von 1493, Vitruv-Ausgaben vom frühen 16. bis ins 19. Jahrhundert, Anleitungen zur Perspektive von Vredeman de Vries, Pozzo und Galli Bibiena, Festungsbautraktate von Dürer, Specklin und Vauban, Tafelbände von Piranesi, Weinbrenner und Schinkel, Pläne von Semper, Manuale von Le Corbusier und Rossi, ergänzt um Graphiken von Dürer, Hollar, Lafrery, Callot, Piranesi, Canaletto und anderen.

Fachkundige Texte nehmen uns mit auf eine Zeitreise durch fünf Jahrhunderte. Themen ihrer Stationen sind «Menschen und Steine», «Bühne und Panorama», «Ort und Plan», «Wege, Grenzen und Profile», «Platz, Natur und Perspektive». So erfährt man am Ende Neues über die Stadt selbst und darüber, wie sie sich darstellt, ja beständig neu erfindet. (gta-Verlag)

Vernissage: Montag, 21. September 2009, 18.15 Uhr
ETH Zürich, Haupthalle Zentrum und Graphische Sammlung

Virtuelle Ausstellung

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Paul Tanner

Bruno Murer (*1949) erlebt die eigene künstlerische Betätigung als inneren Drang und Notwendigkeit. Die Wahrnehmung – besonders das Sehen – ist Bruno Murers Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung. Entstanden sind Werke, die, ausgehend von den Entwicklungen rund um die expressive Figuration in den frühen 80er Jahren, inzwischen zu neuen, komplexen Sehweisen geführt haben. Seine ab 1980 kontinuierlich entstandene Serie von heute über hundert „Feldbüchern“ ermöglicht es, den konsequenten Weg in jedem seiner Schritte zu verfolgen. Das Spektrum der Serie reicht von Skizzen im Notizbuch, das Murer in der Westentasche auf seinen Streifzügen begleitete, bis zu den heutigen Zeichen- und Malerbüchern, deren Abmessungen und Gewicht sich vervielfacht haben. Es sind existenzielle Erlebnisse, die Bruno Murer so eindringlich und in verschiedenen Zusammenhängen zu artikulieren sucht. Sie führen den Betrachter in die Gotthardstollen der NEAT, nehmen ihn mit in die Natur und ins Gebirge und zeigen ihm die Befindlichkeit von New York in den Tagen nach 9/11. Längst sind seine Feldbücher zu einem künstlerischen Dokumentationsprojekt parallel zum malerischen Werk und den bildhauerischen Arbeiten geworden. In ihnen werden die Ideen im Gärstadium greifbar.

Ergänzend zu den Feldbüchern zeigt die Ausstellung Arbeiten Murers im Medium des Holzschnitts. Seine Eindrücke auf einem Flug nach Los Angeles schnitt er in grosse Platten und druckte diese auf braunes Packpapier. Entstanden sind unter dem Titel „Flug über den Atlantik“ zwei Riesenholzschnitte in Gestalt von Leporellos, welche die herkömmlichen Formate sprengen.

Vernissage: Dienstag, 30. Juni 2009, 18 Uhr

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Michael Matile, Kurator

Die Zürcher Malerin Verena Loewensberg (1912-1986) zählt mit Max Bill, Camille Graeser und Richard Paul Lohse zur Kerngruppe konkreter Künstler der Schweiz. Sie nahm seit der Ausstellung «Zeitprobleme in der Schweizer Malerei und Plastik» im Kunsthaus Zürich im Jahre 1936 an allen wichtigen öffentlichen Auftritten dieser Gruppe teil. Schon von 1937 an war sie aktives Mitglied der Künstlervereinigung «Allianz». In diesem Kreis entstanden ihre frühesten druckgraphischen Arbeiten. Neben einigen Lithographien sind es Holz- und Linolschnitte, die zu den herausragenden Beispielen konkreter Schweizer Graphik zählen. Später nutzte sie fast ausschliesslich die Siebdrucktechnik, die Mitte der 1960er Jahre in Europa weite Verbreitung fand. Mit ihr konnte sie, wie auch Lohse, Bill und Graeser, ihr Bedürfnis nach gleichmässig dichten Farbflächen, die klar begrenzt sind und präzis aneinander stossen, am besten in Graphik umsetzen.

Verena Loewensberg variierte mit Hilfe der Druckgraphik ihre bildnerischen Gedanken und erprobte so neue gestalterische Lösungen. Viele ihrer Graphiken stehen in enger Beziehung mit ihren Gemälden. Sie fand aber auch bildnerische Lösungen, die nur in der Druckgraphik ausgedrückt werden konnten, so etwa mit einem feinen Weisslinienschnitt und mit der Radiernadel. Im Schaffen der Künstlerin spielt die Druckgraphik eine wichtige Rolle.

Nahezu hundert verschiedene druckgraphische Arbeiten (in Mappenwerken und als Einzelblätter) schuf Verena Loewensberg seit den 1940er Jahren bis zu ihrem Tode. Die Graphische Sammlung der ETH Zürich besitzt ihr Œuvre beinahe vollständig. Zum ersten Mal überhaupt werden ausschliesslich Holzschnitte, Linolschnitte, Lithographien, Radierungen und Siebdrucke von Verena Loewensberg zu sehen sein, die einen umfassenden Eindruck vom gesamten druckgraphischen Schaffen der Künstlerin vermitteln.

Vernissage: Dienstag, 21. April 2009, 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Das Rätsel ist nicht nur die Domäne der Kreuzworträtsellöser. Das Rätselhafte gehört auch zur Kunst – und man sollte auch gar nicht erst versuchen, alle Fragen so eindeutig zu beantworten, dass am Ende die Schönheit der Frage auf der Strecke bleibt. Probleme lösen heisst immer auch: Probleme auflösen. Interessanter kann bisweilen sein, sich an Fragen zu versuchen, bei denen es entweder gar keine Antwort gibt, oder die einen vor weitere mögliche Fragen stellen. Im übrigen ist ein jedes Bild auf die eine oder andere Weise ein derartiger ‚Problemfall’.

Und so spielt sich im Rahmen dieser Ausstellung das Quiz beim Bilderanschauen wie von selbst. Man kann sich seine Gedanken machen zu den in den ausgewählten Druckgraphiken und Zeichnungen versammelten ‚Bilderrätseln’ in weitestem Sinn: zuerst im Wortsinn zum Rebus, dann zu Verwandlungen aller Art, zu Themen zum Suchen, Schlafen und Träumen, zu Fantasiestücken und Verfremdungen, Verschlüsselungen, Allegorien. Zuletzt kann man am Rätselbild schlechthin herumrätseln, das auch Fachleute wieder und wieder dazu anspornt, bestehende Interpretationen zu interpretieren.

Mit dem Vergnüglichen am Rätselraten ist es nicht immer getan. Auch die ‚fröhliche Wissenschaft’ ihrerseits bietet mancherlei Anlässe zum Rätseln. Die Idee, dem ‚Bilderrätsel’ eine Ausstellung zu widmen, entstand denn auch während der alltäglichen Konsultation der Inventare der Graphischen Sammlung. Da gibt es Blätter ohne Zuschreibung; Sujets, die noch gar nicht näher definiert sind oder solche, die immer neue Definitionen herausfordern; es ist zwischen verschiedenen ‚Zuständen’ einer Graphik zu unterscheiden, allenfalls zwischen Original und Kopie; und immer wieder: die zahlreichen historischen und zeitgenössischen Bilder ‚Ohne Titel’, die alles offen lassen; beim Katalogisieren bedient man sich zu ihrer Unterscheidung dennoch der Hilfskonstruktion einer beschreibenden Betitelung – und solche spontane Provisorien verfestigen sich dann manchmal zu einer Art ‚Gewohnheitsrecht’. Und umgekehrt: Was ist davon zu halten, wenn Künstler ihre Arbeit mit Titeln regelrecht verrätseln?

Wie auch immer: Wo das Wissen fehlt, kommt man ums Raten nicht herum. Und Rätselraten ist nie mehr als zu hoffen: hoffentlich stimmt’s … Solche und ähnliche Fragen bestimmen das Konzept und das Bild der Ausstellung auf dem Weg zwischen Vermutung und Gewissheit, Belehrung und Vergnügen.

Vernissage: Dienstag, 3. Februar 2009, um 18 Uhr

Kuratorin: Eva Korazija

Kontakt für diese Ausstellung:
Patrick Blank

2008

Im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeit von Stefan Gritsch (*1951) steht seit vielen Jahren die Auseinandersetzung mit grundlegenden Eigenschaften des Bildmediums. Der Bildträger und sein bevorzugtes Malmaterial, die Acrylfarbe, wurden für ihn zu einem Experimentierfeld, sein Atelier zum Versuchslabor. MIRROR entstand als Projekt im Rahmen dieser künstlerischen Forschungen am Bild und steht für seine aktuelle Auseinandersetzung mit dem für die Druckgraphik so essentiellen Moment der Spiegelung. Entstanden sind seit 2006 sehr unterschiedliche Werkreihen, deren gemeinsamer Nenner sich in der Verwendung einer durchsichtigen, als primärer Malgrund verwendeten Folie findet. Indem Gritsch auf die Folien malt, in gleichem Mass übermalt er seine Sicht durch die auf einer Staffelei befestigte durchsichtige Schicht. Die Folie dient ihm nur als temporärer Malgrund. Als fragile Bildhäute entfernt er von ihr die Malgründe und appliziert sie schliesslich auf Papier. Die während des Malens von ihm abgewandte Seite seiner ersten Pinselstriche wird als ‚Prima idea’ schliesslich zur Schauseite des neuen Bildes. Am Übergang von Malerei zur Druckgraphik entstanden dabei Monotypien – keine gleicht der anderen. Fasziniert vom Eigenwert von Farb- und Trägermaterial erprobt er deren Eigenleben und beobachtet ihr Verhalten unter den Bedingungen der Spiegelung: Bild/Spiegel/Bild. Das Konzept von Stefan Gritsch prägt dabei sein Vorgehen, aber auch die Vielfalt daraus resultierender Versuchsreihen. Die Ausstellung MIRROR in der Graphischen Sammlung vereinigt über 80 Werke aus den Jahren 2006 bis 2008 und erlaubt einen spannenden Einblick in das aktuelle Schaffen des Künstlers. Die ausgestellten Werke gehen als grosszügige Schenkung des Künstlers in den Bestand der Graphischen Sammlung über.

Vernissage: Dienstag, 4. November 2008, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Michael Matile

Noch kurz bevor der renommierte Zürcher Drucker Peter Kneubühler 1999 überraschend und viel zu früh verstarb, konnte auf seinen Wunsch hin eine nach ihm benannte Stiftung ins Leben gerufen werden. Alle Werke, die in seinem Kupferdruckatelier seit den frühen 70er Jahre gedruckt und betreut worden sind, sollten darin zusammengefasst und integral erhalten werden. Zum Umfang dieses singulären Drucker-Archivs gehört neben den eigentlichen Auflageblättern vor allem auch das hochspannende Arbeitsmaterial: Probeabzüge, Zustands- und Andrucke, Gut-zum-Druck-Blätter, von den Künstlern gewidmete Exemplare sowie Skizzen und andere Vorlagen zu einzelnen Auftragsarbeiten.

Den gesamten, an die 1’900 Blätter und 150 Mappenwerke zählenden Graphikbestand des Ateliers kann die Graphische Sammlung der ETH nun dieses Jahr in ihre Bestände aufnehmen. Dank der namhaften Unterstützung der Georg und Bertha Schwyzer-Stiftung in Zürich konnte auf diese Weise eine der grössten Akquisitionen der letzten Jahre getätigt werden. Damit konnte verhindert werden, dass das umfangreiche Archiv in die USA abwandert, wo es allenfalls durchaus willkommen gewesen wäre. In einer Ausstellung wird jetzt dieser Ankauf offiziell angekündigt und das Archiv in einer Auswahl präsentiert.

Im Laufe der letzten acht Jahre wurde zum Gedenken an einen der grossen Drucker unserer Zeit sein Werk mehrfach in grösseren und kleineren Hommagen gewürdigt. Wurde in diesen Präsentationen in erster Linie ein Überblick über das Oeuvre Kneubühlers in seiner Gesamtheit und in der einzigartigen Vielfalt an druckgraphischen Techniken geboten, so konzentriert sich die aktuelle Ausstellung in der Graphischen Sammlung vornehmlich auf drei bedeutende Künstler aus der eindrücklich langen Reihe von bekannten Namen: Eric Fischl (geb. 1948), James Turrell (geb. 1943) und Luc Tuymans (geb. 1958).

Alle drei fanden in Kneubühler den versierten und für feinste Nuancen empfindlichen Drucker. Das Besondere ist aber die ausserordentliche Ausgangslage: keiner von ihnen hatte vor ihrer Zusammenarbeit nennenswerte Erfahrungen mit Druckgraphik gemacht. Dennoch handelt es sich gerade bei diesen Schöpfungen aus Kneubühlers Werkstatt um eigentliche Höhepunkte nicht nur seines Schaffens, sondern der Originalgraphik des 20. Jahrhunderts schlechthin. Insbesondere die Auftragsarbeiten, die für die Edition von Peter Blum in New York entstanden sind, zeugen von einer grossen Meisterschaft. Nebst Fischls legendärem Portfolio Year of the Drowned Dog (1983) werden Blätter aus der fulminanten Folge First Light (1989/90) von Turrell zu sehen sein. Tuymans ist mit seiner 1996 erschienenen Folge The Temple vertreten. Während Fischl als Maler emotional aufgeladener Szenen sich in seinen technisch komplexen Radierungen vor allem mit dem naturalistisch dargestellten Körper, seinem zentralen Thema, auseinandersetzt, geht es dem amerikanischen Lichtkünstler James Turrell in seinen eindrücklichen Aquatinta-Blättern in erster Linie um das Herauslocken von Licht aus dem Papier. Der belgische Inszenator der Leere Tuymans richtet dagegen mit Hilfe von meisterhaften, direkt-geätzten Erinnerungen an Film-Sequenzen einen Blick auf Glaubwürdigkeit von Bildern und Bildmedien und sucht nach der bildnerischen Möglichkeit, Erinnerung zu gestalten. Dieses breite Spektrum an unterschiedlichsten Bildkonzepten veranschaulicht Peter Kneubühlers rigoroses Bekenntnis, ohne Rücksicht auf technische Möglichkeiten die Ideen der Künstler möglichst ideal zu verwirklichen.

Vernissage: Dienstag, 13. Mai 2008, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Alexandra Barcal

Als der berühmte Dramatiker Eugène Ionesco, Autor so bekannter Stücke wie Die Nashörner oder Die kahle Sängerin, im März 1961 für seinen Malerfreund Gérard Schneider in der kleinen St. Galler Erker-Galerie die Vernissagerede hielt, war das eine Sensation. „Der Lockvogel wollte nicht singen“, titelte „Die Welt“. Ionesco hielt nämlich eine höchst originelle Rede über die Überflüssigkeit solcher Vernissagen und entsprechender Reden!

Franz Larese, der eine der beiden Leiter der Erker-Galerie war, im Knüpfen von Kontakten sehr begabt. Es gelang immer wieder, Künstler mit Schriftstellern zusammen zu bringen, um sie für gemeinsame Projekte zu gewinnen. Die Erker-Galerie in St. Gallen hat seit 1958 in weit über hundert Ausstellungen Künstler wie die Spanier Antoni Tàpies und Eduardo Chillida, den Franzosen russischer Herkunft Serge Poliakoff, den Italiener Piero Dorazio, die Deutschen Hans Hartung und Günther Uecker und viele andere vorgestellt.

Neben den vielen Lithographien brachte die Erker-Presse seit 1968 bibliophile Bücher heraus. Schon während seiner Ausbildung zum Buchändler entwickelte Franz Larese ein grosses Interesse für Bücher und Literatur. So waren es ihm und Jürg Janett wichtig, nicht bloss Künstlerbücher zu verlegen, sondern dieselben mit literarisch hochstehenden Texten zu verbinden.

Eine Spezialität der Erker-Presse war es auch, die Texte durch die Autoren von Hand auf Stein schreiben zu lassen, so dass immer wieder ein wunderbares Zusammenspiel von Graphik und Schrift entstand. Eduardo Chillida und Martin Heidegger, Asger Jorn und Halldór Laxness, Antoni Tàpies und Alexander Mitscherlich oder der eingangs erwähnte Ionesco und Fritz Wotruba haben auf diese Weise einzigartige bibliophile Bücher geschaffen, die in der Ausstellung der Graphischen Sammlung der ETH möglichst umfassend gezeigt werden. Dank der grosszügigen Schenkung der Stiftung Franz Larese und Jürg Janett sind sie im dauerhaften Besitz der Graphischen Sammlung der ETH Zürich.

Vernissage: Dienstag, 12. Februar 2008, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

2007

Mit über sechzig römischen Barockzeichnungen aus der Sammlung der Kunstakademie Düsseldorf ist das museum kunst palast in Düsseldorf erstmals zu Gast in der Graphischen Sammlung der ETH Zürich.

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht der nahe der italienischen Grenze in Coldrerio geborene Tessiner Künstler Pier Francesco Mola (1612 – 1666), von dem in Düsseldorf mit annähernd vierzig Zeichnungen die grösste geschlossene Werkgruppe bewahrt wird. Nach Aufenthalten in Oberitalien und Venedig war der Künstler den grössten Teil seines Lebens in Rom tätig. Seine wichtigsten römischen Auftraggeber waren die Bankiersfamilie Costaguti, der Nepote Papst Innocenz X., Camillo Pamphilj, der venezianische Botschafter Niccolò Sagredo und schliesslich der aus Siena gebürtige Chigi-Papst Alexander VII. Dieser liess sich von Mola porträtieren und räumte ihm eine wichtige Rolle bei der Dekoration seiner Galerie im Palazzo del Quirinale ein.

Über dreissig bedeutende Blätter des Barockkünstlers werden zu sehen sein: schnelle Skizzen mit der Feder, kraftvolle Pinselzeichnungen und Figurenstudien in Kreide. Die Vielfalt ihrer Erscheinungsweise macht einen Künstler voller Erfindungskraft und -geist erlebbar. Die Gruppe wird ergänzt durch Zeichnungen seines Schülers Giovanni Battista Pace sowie einer Auswahl von Werken von deren Zeitgenossen. Neben führenden Künstlern wie Gianlorenzo Bernini, Guglielmo Cortese und Pietro da Cortona zeigt die Auswahl Werke, die im unmittelbaren Arbeitszusammenhang mit Pier Francesco Mola entstanden sind. Es sind dies Vorstudien für die gemalte Ausstattung der Galerie Papst Alexander VII. im Palazzo del Quirinale, solche für Gemälde in den Kirchen S. Maria della Pace und S. Marco sowie für den Palazzo Pamphilj in Valmontone. Sie spiegeln ein lebhaftes Schaffen in gegenseitigem Austausch, bei dem doch jeder Künstler seine eigene Bildsprache und Zeichenweise behielt.

Die Ausstellung bietet in Zürich mit eindrücklichen Werken römischer Zeichnungskunst erstmals einen Überblick über diese sowohl künstlerisch wie historisch faszinierende Zeitspanne vor und nach 1650.

Vernissage: Dienstag, 13. November 2007, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Michael Matile

Als Erwin Gradmann 1953 einer Arbeitsgemeinschaft von Studierenden beider Zürcher Hochschulen in der Graphischen Sammlung der ETH Platz für die Ausstellung: „Sie leben heute“ gewährte, hätte Richard Paul Lohse (1902-1988) genau wie Camille Graeser und Leo Leuppi mit frühen druckgraphischen Arbeiten vertreten sein können. Leuppi war ja mit Lohse Gründer und erster Präsident der Allianz, einer Vereinigung moderner Schweizer Künstler. Der Allianz-Verlag gab 1941 das Portfolio „5 constructionen + 5 compositionen“ heraus, in dem Lohse folglich auch verteten ist. Das Portfolio hatte Rudolf Bernoulli schon im Jahr danach, 1942, für die Graphische Sammlung erworben. Die sieben Künstler und eine Künstlerin aus Zürich, die in der eingangs erwähnten Ausstellung vertreten waren, steuerten für den Katalog je einen Holz- oder Linolschnitt bei. Das könnte der Grund gewesen sein, warum Lohse sich nicht beteiligte, war damals seine bevorzugte Drucktechnik für Künstlergraphik die Lithographie. Es sollte noch ein Jahrzehnt vergehen, bis einzelne Blätter oder Folgen von Lohse in thematischen oder Gruppenausstellungen der ETH integriert wurden.

Nun richtet die Graphische Sammlung der ETH Lohse und seiner Künstlergraphik eine eigene Ausstellung ein. Das Zentrum der Ausstellung nehmen die neun Siebdrucke und das Analyseblatt aus dem Portfolio „Vertikalen“ von 1970 ein, damals von der Galerie Renée Ziegler herausgegeben. Waren die frühen druckgraphischen Arbeiten noch Lithographien, so sind es von 1964 an fast durchwegs Siebdrucke, eine Technik, die von allen Vertretern der Zürcher Konkreten seit den sechziger Jahren bevorzugt wurde, und die es erlaubt, präzise voneinander abgegrenzte Flächen in beliebig vielen Farben zu drucken. Kennzeichnend für Lohses Drucke ist zudem der enge formale Bezug von Malerei und Druckgraphik. Die Bestände der Sammlung wurden ergänzt mit Leihgaben aus dem Archiv der Richard Paul Lohse-Stiftung, dem Kunsthaus Zürich und der Galerie Renée Ziegler.

Richard Paul Lohse verdiente zunächst und noch für Jahrzehnte sein Brot als Reklamezeichner. Die Richard Paul Lohse-Stiftung gab 2000 zu seiner Gebrauchsgrafik eine umfangreiche Publikation mit detailliertem Werkverzeichnis heraus. Mit der Ausstellung der Künstlergraphik ist die Ankündigung einer Publikation der Stiftung verbunden, die diesem Teil seines Schaffens gewidmet sein wird.

Zdenek Sykora – Druckgraphik

Parallel zur Ausstellung von Richard Paul Lohse werden in den Korridorvitrinen der Graphischen Sammlung druckgraphische Arbeiten des tschechischen Malers Zdenek Sykora (geboren 1920) gezeigt. Vor fünfunddreissig Jahren, 1972, stellte die Erker-Galerie in St. Gallen Konstruktive Kunst aus der Tschechoslowakei vor, und mit ihr auch Zdenek Sykora. Von 1980 an gab der junge Neuenburger Verleger und Drucker Marc Hostettler kontinuierlich Siebdrucke von Zdenek Sykora heraus. Sykora’s konkrete Kunst fand so in der Schweiz schon recht früh Aufmerksamkeit. Die Strukturen seiner Bilder basieren auf Zahlenreihen, die er bereits in den siebziger Jahren mit dem Computer errechnen liess. Sämtliche von Hostettler edierten Blätter wurden unlängst von der Graphischen Sammlung der ETH angekauft und werden nun erstmals gezeigt, ergänzt um weitere, vom Künstler erworbene Werke.

Vernissage: Dienstag, 4. September 2007, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Die graphischen Arbeiten des Basler Künstlers Lenz Klotz (*1925) zeigen ein breites Spektrum an Formen des abstrakten Expressionismus. Inspiriert durch seine grossen Vorbilder Paul Klee und Wassily Kandinsky entwickelte Klotz bereits im Frühwerk seine eigene Formensprache. Deren lineare Grundelemente setzen sich zusammen aus Kreisen, Kringeln, Klecksen und Kreuzen. Von diesem Vokabular ausgehend findet Klotz immer wieder neue Bildmotive, die er in der ihm eigenen Systematik auf beeindruckende Weise variiert, verändert und gelegentlich nach Jahren wieder aufgreift und neu interpretiert. Ob in den frühen Radierungen der 1950er und 1960er Jahre oder in den zahlreichen Sehkarten der 1970er Jahre, bis hin zu den farbenfrohen Lithographien der 1980er und 1990er Jahre – stets gibt die Linie den Ton an. Zuweilen wandelt sie sich zum Schriftzeichen oder gar zu einer Partitur und verliert so scheinbar ihre abstrakte Intention.

Einzelne Schlüsselbilder und Motive bilden den Ausgangspunkt verschiedener Phasen, die Klotz zu einer enormen Produktion antreiben, wobei einzelne Stilphasen mit unterschiedlich vielen Blättern vertreten sind. Klotz wechselt häufig zwischen den Techniken und entwickelt seine Gedanken auf diese Weise weiter. Das jeweils verwendete Medium, ob Zeichnung, Radierung oder Lithographie, bringt eine bestimmte Eigenart der Linie zutage. Dieser Wechsel in den Ausdrucksarten fördert die Schärfung der Idee.

Weit über die Hälfte der druckgraphischen Blätter von Lenz Klotz sind Radierungen. Daneben entstanden zahlreiche Lithographien. Diese beiden Techniken stehen dem unmittelbaren Ausdruck des Zeichnerischen sehr nahe, deswegen bevorzugt Klotz sie. Einfallsreiche Titel spielen mit möglichen Bildinhalten. Oft illustrieren sie das gezeigte Motiv in kaum zu übertreffender Schärfe oder Ironie. Beispielhaft seien Namensfindungen wie „Nicht nur für Analphabeten“ (1961), „Einsichtiges Konzept“ (1989) und „Fertig Lustig“ (2001) genannt.

Eine grosszügige Schenkung ermöglicht es der Graphischen Sammlung, das Werk von Lenz Klotz eingehend zu würdigen. Erstmals wird die beinahe fünfzig Jahre andauernde intensive Auseinandersetzung des Künstlers mit den verschiedensten druckgraphischen und zeichnerischen Techniken zusammenhängend in einer Einzelausstellung dokumentiert.

Parallel zur Ausstellung von Lenz Klotz werden in den Korridorvitrinen der Graphischen Sammlung Zeichnungen und Radierungen von Wilfrid Moser gezeigt. Im Sommer 1999, zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers, bot die Graphische Sammlung einen Überblick über das ganze druckgraphische Werk von Wilfrid Moser. In der aktuellen Ausstellung stehen nun zwei Werkgruppen aus den letzten Schaffensjahren im Zentrum: die Pont Alexandre-Radierungen und grossformatige, bisher noch nie gezeigte Zeichnungen.

Vernissage: Dienstag, 3. Juli 2007, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Kathrin Siebert

Die graphischen Arbeiten des Basler Künstlers Lenz Klotz (*1925) zeigen ein breites Spektrum an Formen des abstrakten Expressionismus. Inspiriert durch seine grossen Vorbilder Paul Klee und Wassily Kandinsky entwickelte Klotz bereits im Frühwerk seine eigene Formensprache. Deren lineare Grundelemente setzen sich zusammen aus Kreisen, Kringeln, Klecksen und Kreuzen. Von diesem Vokabular ausgehend findet Klotz immer wieder neue Bildmotive, die er in der ihm eigenen Systematik auf beeindruckende Weise variiert, verändert und gelegentlich nach Jahren wieder aufgreift und neu interpretiert. Ob in den frühen Radierungen der 1950er und 1960er Jahre oder in den zahlreichen Sehkarten der 1970er Jahre, bis hin zu den farbenfrohen Lithographien der 1980er und 1990er Jahre – stets gibt die Linie den Ton an. Zuweilen wandelt sie sich zum Schriftzeichen oder gar zu einer Partitur und verliert so scheinbar ihre abstrakte Intention.

Einzelne Schlüsselbilder und Motive bilden den Ausgangspunkt verschiedener Phasen, die Klotz zu einer enormen Produktion antreiben, wobei einzelne Stilphasen mit unterschiedlich vielen Blättern vertreten sind. Klotz wechselt häufig zwischen den Techniken und entwickelt seine Gedanken auf diese Weise weiter. Das jeweils verwendete Medium, ob Zeichnung, Radierung oder Lithographie, bringt eine bestimmte Eigenart der Linie zutage. Dieser Wechsel in den Ausdrucksarten fördert die Schärfung der Idee.

Weit über die Hälfte der druckgraphischen Blätter von Lenz Klotz sind Radierungen. Daneben entstanden zahlreiche Lithographien. Diese beiden Techniken stehen dem unmittelbaren Ausdruck des Zeichnerischen sehr nahe, deswegen bevorzugt Klotz sie. Einfallsreiche Titel spielen mit möglichen Bildinhalten. Oft illustrieren sie das gezeigte Motiv in kaum zu übertreffender Schärfe oder Ironie. Beispielhaft seien Namensfindungen wie „Nicht nur für Analphabeten“ (1961), „Einsichtiges Konzept“ (1989) und „Fertig Lustig“ (2001) genannt.

Eine grosszügige Schenkung ermöglicht es der Graphischen Sammlung, das Werk von Lenz Klotz eingehend zu würdigen. Erstmals wird die beinahe fünfzig Jahre andauernde intensive Auseinandersetzung des Künstlers mit den verschiedensten druckgraphischen und zeichnerischen Techniken zusammenhängend in einer Einzelausstellung dokumentiert.

Parallel zur Ausstellung von Lenz Klotz werden in den Korridorvitrinen der Graphischen Sammlung Zeichnungen und Radierungen von Wilfrid Moser gezeigt. Im Sommer 1999, zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers, bot die Graphische Sammlung einen Überblick über das ganze druckgraphische Werk von Wilfrid Moser. In der aktuellen Ausstellung stehen nun zwei Werkgruppen aus den letzten Schaffensjahren im Zentrum: die Pont Alexandre-Radierungen und grossformatige, bisher noch nie gezeigte Zeichnungen.

Vernissage: Dienstag, 3. Juli 2007, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Kathrin Siebert

Immer wieder sind seit den frühen 1960er Jahren Blätter von amerikanischen Künstlern und Künstlerinnen in die Graphische Sammlung der ETH Zürich integriert worden, die es erlauben, einen repräsentativen Überblick zum graphischen Schaffen in den USA zu geben. Vielfach stehen sie in einem direkten Zusammenhang mit der Schweiz: Sei es, dass sie hier gedruckt wurden, oder dass ein Schweizer Verleger sie editierte. Der Berner Kunsthändler Eberhard W. Kornfeld etwa unterstützte die Herausgabe des Mappenwerks 1 ¢ Life, eine Anthologie des Abstrakten Expressionismus und der Pop Art, und publizierte Blätter von Sam Francis. Eine dieser Lithographien aus dem Jahre 1960, gedruckt bei Emil Matthieu in Zürich, war das erste Werk eines Amerikaners, das die Verantwortlichen 1968 in die Sammlung integrierten. Die Erker-Galerie in St. Gallen wiederum druckte und verlegte Arbeiten von Robert Motherwell und Mark Tobey. Diese Arbeiten, exemplarische Formulierungen eines abstrakten Vokabulars, kamen in den letzten fünf Jahren durch verschiedene Schenkungen in die Sammlung. Andere transatlantische Zusammenarbeiten zwischen Künstler, Drucker und Verleger initiierte der Schweizer Verleger Peter Blum von New York aus. Er vermittelte John Baldessari, Eric Fischl oder James Turrell an den Zürcher Drucker Peter Kneubühler. Hier entstanden die Serien von Turrell First Light(1989/1990) und Still Light (1990/1991), von denen das Haus mehrere Blätter besitzt.

Seit den frühen 1980er Jahren geriet die amerikanische Druckgraphik vermehrt in den Fokus der Sammlungsankäufe. 1983 zum Beispiel erwarb der verantwortliche Leiter neben dem erwähnten Portfolio 1 ¢ Life Andy Warhols Electric Chair von 1971 und das Portfolio Black Dice aus dem Jahr 1982 von John Baldessari. Aber erst 1989 sollte die Graphische Sammlung der ETH in den eigenen Räumen amerikanische Druckgraphik zeigen: Die Ausstellung im März bis April war dem Bildhauer Richard Serra gewidmet. Anlässlich der Präsentation erwarb die Sammlung einen grossformatigen Siebdruck. Diese erste monographische Ausstellung gab den Startschuss für neue Sammlungsschwerpunkte. Seit 1992 erwirbt die ETH Blätter von amerikanischen Künstlern, bei denen druckgraphische Techniken einen eigenständigen und festen Bestandteil ihres Œuvres bilden: Nahezu vollständig vorhanden sind die druckgraphischen Werke von Robert Gober, Raymond Pettibon und Christopher Wool. Von Matt Mullican kaufte die Graphische Sammlung 1993 eine 449 Blätter umfassende Arbeit mit Abrieben von Relieftafeln, die der Künstler von den Abbildungen der Edinburgh Encyclopaedia aus dem Jahre 1830 hatte herstellen lassen. Diese Blätter sowie jene der erwähnten Künstler stellte die Graphische Sammlung in einer Einzelpräsentation vor. Nun aber soll erstmals eine Auswahl aus diesen verschiedenen Positionen die fast vierzigjährige Sammlungstätigkeit in einem Überblick vorstellen.

Vernissage: Dienstag, 17. April 2007, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Dr. Bernadete Walter

Gesten sind Verhaltensformeln. Eine Geste: Das ist eine bewusste oder unbewusste Körperbewegung, die Worte begleitet oder ersetzt – und die irgendetwas bedeutet. Man redet von einer Geste auch im übertragenen Sinn, dann wenn herkömmliches Handeln mehr signalisieren soll als das Handeln selbst – oder das Nichthandeln. Als Wilhelm Tell vorm Hut auf der Stange nicht salutierte, so ist gerade dieses Nichttun von Obrigkeit und Volk als Geste der Unabhängigkeit (wenn nicht gar der Rebellion) verstanden worden – mit allen allbekannten Konsequenzen. Ein und dieselbe Haltung, eine Gebärde, ein Lächeln oder keines können aber in verschiedenen Handlungszusammenhängen Verschiedenes und bisweilen Gegenteiliges heissen.

Solche Situationen werden mit Blättern aus der Graphischen Sammlung der ETH belegt. Und die resultierende Formelsammlung vereint Hohes und Niedriges, Feierliches und Prosaisches. Das ist ja der Vorzug, den ein so reichhaltiger Fundus von 150.000 Drucken und Zeichnungen der Arbeit an einem so reichhaltigen Thema bietet. Denn die Geschichte der Kunstgeschichte überhaupt ist ja eine Geschichte von „Geste und Gestik“!

Deshalb konzentriert sich die Ausstellung auf zwei Anschauungsprinzipien: erstens auf ein Alphabet, das heisst auf knappe Bildassoziationen zu nicht immer ernsthaften Stichworten in der Buchstabenfolge von A bis Z, in einem äusseren Umgang. Zweitens führt ein zentrales Arrangement eine Auslegeordnung des Gestischen vor, und zwar als Kombination von körperlichen Bedingungen und Möglichkeiten ihrer mehr oder weniger kommunikativen Bedeutungsvariationen; das kann sich beim Verhalten „mit leeren Händen“ ergeben oder bei wechselnden Umgangsformen mit Gegenständen und Attributen – allein oder zu mehreren Personen.

Vorgeschaltet sind der Ausstellung, in den Gangvitrinen, gewisse Sonderfälle – zunächst die Physiognomik von Lavater und seines Kritikers Georg Christoph Lichtenberg. Weiter geht es um „Gestik als Stil“, also um die gestische Spur als Kunstprinzip. Der Begriff „Störgeste“ wird angewendet auf einige Arbeiten, die das Gleichgewicht fragloser Auffassungen von Kunst und Kunstbetrieb entweder mit subtiler oder mit ironischer Logik der Störung demonstrativ destabilisieren.

Vernissage: Dienstag, 23. Januar 2007, um 18 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Eva Korazija

2006

Candida Höfer ist keine unbekannte Künstlerin in Zürich. Bereits 1993 zeigte Eva Presenhuber in der Galerie Walcheturm Aufnahmen aus ihrer Serie der Zoologischen Gärten. Damals erwarb die Graphische Sammlung der ETH daraus vier Motive. Im gleichen Jahr gab Eva Presenhuber auch ein Portfolio mit fünf Photographien heraus. Im Auftrag der Graphischen Sammlung der ETH entstand 2004/05 ein zweites Portfolio. Das Jubiläum der Technischen Hochschule, die 2005 ihren 150. Geburtstag feierte, gab dazu den Anlass.

Sowohl historische als auch moderne und technische Räume hat sie an der ETH Zürich photographisch erfasst. Wie auf ihren Aufnahmen von Museumsräumen und Bibliotheken sind auch hier die Räume der Hochschule zwar menschenleer, aber dennoch von ihnen geprägt. Candida Höfer ist bekannt dafür, dass sie für das kulturelle und soziale Umfeld des Menschen, das sich in der ihn umgebenden Architektur und in der Einrichtung der Räume spiegelt, ein feines Gespür hat.

Die Photoaktion an der ETH war ergiebiger als die im Portfolio herausgegebenen sieben Photographien. Von diesem ‚Überschuss‘ profitiert die aktuelle Ausstellung, die von einer Publikation begleitet wird. Für den Text konnte Michael Hagner gewonnen werden, der seit 2003 Professor für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich ist. Das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft ist seit längerem einer seiner Forschungsschwer-
punkte. So war er prädestiniert über Candida Höfer und die ETH zu schreiben, über Kunst und über Räume einer Hochschule.

Vernissage: Dienstag, 24. Oktober 2006, um 18 Uhr

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Paul Tanner

Mit freundlicher Unterstützung von:

Die Künstler Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Max Pechstein, Franz Marc und Wassily Kandinsky und viele andere suchten nach einem neuen Verhältnis von Kunst und Leben. Die Zeitspanne ihrer unter der Bezeichnung Expressionismus bekannt gewordenen Kunst reicht von der Gründung der Brücke in den Jahren 1904/05 bis zur Währungsstabilisierung nach dem 1. Weltkrieg um 1923. Die Künstler, die sich in den Vereinigungen der Brücke und des Blauen Reiters zusammengefunden hatten, verstanden sich als Vertreter einer Avantgarde, als Vorhut einer neuen Kunstauffassung. Zentrale Anknüpfungspunkte bildeten für sie neben den zeitgenössischen Bewegungen in Frankreich, Deutschland und Russland vor allem die mittelalterliche Kunst und die afrikanische sowie die asiatische Plastik, die mit ihrem ursprünglichen, kraftvollen Erscheinungsbild den Nerv ihres Kunstempfindens trafen. In der Dynamik ihres Farbgebrauchs fand ihr Anliegen die grösste Abgrenzung gegenüber der traditionellen Malerei. An Intensität des Ausdrucks stand ihr die Graphik allerdings kaum nach: Der harte Kontrast von flächigem Schwarz und Weiss im Holzschnitt, die Brüchigkeit der Strichlagen in Radierungen und Kaltnadelarbeiten und die nuancenreiche, die zeichnerische Handschrift sichtbar machenden Eigenschaften der Lithographie entwickelten sich zu einer eindringlichen Sprache der Bewegung.

Das Sammeln expressionistischer Kunst besass im 20. Jahrhundert eine Tradition, die nicht erst in der Nachkriegszeit und mit der gesellschaftlichen Rehabilitierung der unter dem Naziregime als ‚entartet‘ bezeichneten Künstler einsetzte. Mit Originalgraphik ausgestattete Zeitschriften und illustrierte Bücher förderten schon in der Frühzeit der Bewegung die Leidenschaft aufgeschlossener Sammler. Diesen und anderen Raritäten galt auch die Begeisterung des Schweizer Sammlers Fritz Schaufelberger. Über Jahrzehnte hinweg gelang es ihm, eine beachtliche Kollektion expressionistischer Graphik zusammenzutragen. Die Sammlung, die dereinst als Schenkung den Bestand der Graphischen Sammlung in schönster Weise bereichern wird, erhält mit der Ausstellung nun erstmals ein breites Publikum.

Vernissage: Dienstag, 22. August 2006, um 18 Uhr

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Michael Matile

Die Gebrauchsgraphik Pablo Picassos (1881-1973) trug massgeblich zur aussergewöhnlichen Popularität des Künstlers bei, der heute als Maler Epoche machender Gemälde, als virtuoser Zeichner und Radierer bekannt ist. Mit Pressezeichnungen, Plakaten und Buchillustrationen sowie mit Entwürfen für Kalenderbilder, Karten und Notenhefte gelang es ihm, auch Bevölkerungsgruppen ohne Bezug zur modernen Kunst anzusprechen. Dienten die gebrauchsgraphischen Arbeiten zunächst noch dem Broterwerb des jungen Künstlers, so entstanden sie später als Gefälligkeiten für befreundete Literaten, Komponisten, Verleger und Galeristen. Zahlreiche Beispiele belegen Picassos Parteinahme für das republikanische Spanien und die Résistance sowie sein Engagement in der Kommunistischen Partei Frankreichs und der Weltfriedensbewegung. Sie zeugen von Begeisterung für drucktechnische Experimente, einer innovativen Auseinandersetzung mit traditionellen Produkten der Alltagskultur und einem eigenwilligen Umgang mit Massenmedien, Auftraggebern und Handwerkern. Im Spiegel seiner Gebrauchsgraphik erscheint Picasso als „Teamplayer“, grosszügiger Zeitgenosse und aktiver Citoyen, der es verstand, die Medien Plakat, Buch und Zeitschrift geschickt für die Verbreitung seiner geistigen und politischen, vor allem aber seiner künstlerischen Standpunkte zu nutzen.

Der St. Galler Schriftsetzer und Publizist Bruno Margadant hat sich diesem „anderen“ Picasso verschrieben und seit 1949 über 380 seiner gebrauchsgraphischen Arbeiten erworben, die zwischen 1902 und 1972 entstanden sind. Mit der Präsentation von wesentlichen Teilen dieser Privatsammlung ermöglicht die Graphische Sammlung der ETH die Entdeckung eines bisher in der Schweiz kaum wahrgenommenen Aspektes aus Picassos Oeuvre.

Vernissage: Dienstag, 25. April 2006, um 18 Uhr

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Katja Herlach

Ein subtiler Zeichner wie Jakob Schärer suchte und sucht nicht die lauten Töne und nicht die grellen Farben, sondern spürt mit Bleistift, Kreide oder Feder nach jenen Dingen, die sich dem sprachlichen Ausdruck entziehen. Eine grosszügige Schenkung durch den Basler Sammler Dr. Francis Raas erlaubt es, Zeichnungen dieses Künstlers aus den Jahren von 1958 bis heute zu präsentieren.

Der 1908 geborene Basler Künstler ist ausserhalb seiner Heimatstadt nur wenigen bekannt. Er bewegte sich zeitlebens weitgehend jenseits gängiger Kunstströmungen und lässt sich schwer ins kunsthistorische Raster der verschiedenen Ismen des 20. Jahrhunderts einordnen. Prägend waren für ihn die Jugendjahre als Schulkamerad und späterer Künstlerfreund des früh verstorbenen Walter Kurt Wiemken (1907-1940). Der Basler Künstlervereinigung Gruppe 33, in deren Umfeld er damals verkehrte, schloss er sich aus Scheu nicht an. Obwohl er zeitweise und seit 1966 regelmässig an der Basler Weihnachtsausstellung in der Kunsthalle ausstellte, suchte er die Öffentlichkeit nicht. Er war und ist ein stiller Schaffer, der seine Freizeit neben dem Brotberuf als Flachmaler der steten und kritischen künstlerischen Suche widmete.

Ganz entsprechend seiner Auffassung von der «Erde als Prüfungsanstalt, grosse[r] Umschlagplatz für durchreisende Geister» beobachtete er seine Umwelt mit wachem und kritischem Geist. Dieser liess ihn auch scheinbar Gegebenes hinterfragen. Seiner Selbstkritik fiel der grösste Teil seines vor 1950 entstandenen Werks zum Opfer. Die Themen Konflikt und Krieg spannen in seiner Biographie einen Bogen von der Verweigerung des Militärdienstes bis in sein aktuelles Schaffen. Bekenntnishafte Züge prägen die künstlerische Zwiesprache mit Papier und Stift in allen Themenbereichen, von den Landschaften zu den Sargbildern und von den «verknäuelten Wesen» bis zu den Figurengruppen. Die Treue zu seinen inneren Urbildern gilt ihm viel, solange sie wandelbar bleiben: «Nicht daran haften, jeden Tag ein anderer sein. Ein besserer.»

Vernissage: Dienstag, 31. Januar 2006, um 18 Uhr (gleichzeitig mit der Ausstellung Christopher Wool – East Broadway Breakdown)

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Michael Matile

Zwischen 1994 und 1995 hat Christopher Wool in Downtown New York eine Serie von Schwarzweissphotos gemacht, die er East Broadway Breakdown nennt, nach einer Strasse in der Lower East Side, der Gegend, in der er lebt und arbeitet. Die Bilder sind nachts mit einer Kleinbildkamera aufgenommen und zeigen typische Strassen des Quartiers, heruntergekommene Geschäftsfronten und baufällige Treppen, die zu anonymen Räumen führen, vergitterte Zugänge und nur spärlich beleuchtete Häuserfronten. Oft lassen sich die im Kontrast extremen Aufnahmen nur schwer entziffern; statt klarer Zusammenhänge zeigen sie zufällige Formen, die aus verzerrten Kamerawinkeln auftauchen. Wie in seinen Gemälden bleiben die Photographien in der Schwebe zwischen Abstraktion und konkreter Darstellung und zwingen so den Betrachter, sich mit seinem Drang nach visueller Kohärenz auseinanderzusetzen. Hier wie da zeigt uns Wool eine alternative Idee davon auf, was ein Bild ist.

Im Winter 2001/02 beschäftigte sich Wool erneut mit den Photos, schuf mittels eines Scanners eine Bilddatenbank und druckte davon eine Edition in der Auflage von 3 Exemplaren auf Photopapier aus. Die Graphische Sammlung der ETH erwarb 2004 ein Exemplar dieser Edition.

Vernissage: Dienstag, 31. Januar 2006, um 18 Uhr

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Paul Tanner

2005

Seit den 1980er Jahren experimentieren die Künstlerinnen und Künstler mit Grossformaten. Ähnlich wie in der Malerei, werden die bedruckten Flächen immer ausgedehnter. Bei Martin Disler und Josef Felix Müller überschreiten sie sogar die Masse von drei auf fünf Meter und werden als Graphikfolgen in umfassenden Rauminstallation arrangiert. Als Matrize kann schon mal der Atelierboden dienen, mit der Axt bearbeitet (Josef Felix Müller). Drucken wird von diesen Künstlern und Künstlerinnen als physisch erfahrbarer Prozess beschrieben (Martin Disler). Miriam Cahn zum Beispiel benutzte für ihre Kaltnadelblattfolge soldaten, frauen + tiere (1995) Handschuhe, die sie an den Handballen und Fingerkuppeln mit groben Sandpapier beklebte. Das erlaubte ihr, unmittelbar mit den Händen die Druckform zu bearbeiten.

Eng verbunden mit dem körperlichen Erleben während der Bearbeitung der Druckform sind die dargestellten Themen: Im Zentrum steht der Mensch als physisches und psychisches Wesen (Martin Disler, Josef Felix Müller, Klaudia Schifferle). Demgegenüber sind die Arbeiten etwa von John Armleder, Helmut Federle, Jean-Luc Manz oder Olivier Mosset abstrakt-konkret ausgerichtet. Anregungen zu geometrischen Bildkompositionen boten diesen Künstlern Wahrnehmungen ihrer alltäglichen Umgebung oder subjektives Erleben. Dieses Formenrepertoire wandelten sie frei ab oder liessen es durch Zufälligkeiten bestimmen. Eine allein von mathematischen Regeln hergeleitete Kunst, wie sie etwa Max Bill oder Richard Paul Lohse vertraten, lehnten sie ab.

Scheinbar allgemein verständliche Bildinhalte schufen Künstlerinnen und Künstler gegen Ende der 80er und in den 90er Jahren, indem sie visuelle Elemente aus der Welt der Konsumgüter, aus den Massenmedien oder der Trivialkultur in ihre Werke einbetteten (Ian Anüll, Nic Hess, Fabrice Gygi). Was beim ersten Augenschein als einfache Nachbildung bestehender konventioneller Zeichen gelesen werden kann, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als subversiver Akt: Tradierte ikonische oder sprachliche Bedeutungen werden ins Wanken gebracht, indem vertraute Zeichen und Figuren aus ihrem Zusammenhang gelöst und in einen neuen Kontext versetzt werden.

Seit den frühen 1980er Jahren wenden sich Kunstschaffende wieder vermehrt alten, kaum mehr üblichen Reproduktionstechniken zu: etwa dem Mezzotinto (Jan Jedlička), der Aquatinta (Marc-Antoine Fehr), Kaltnadelradierung (Mireille Gros), Heliogravüre (Balthasar Burkhard, Cécile Wick) oder dem Holzschnitt (Franz Gertsch). Häufig dienen Photographien als Ausgangsmaterial für druckgraphische Arbeiten. Aber trotz diesem Rückgriff auf historische Verfahren, die früher wegen ihrer differenzierten Schwarz-Weiss-Wiedergabe zur Vervielfältigung von Kunstwerken eingesetzt wurden, steht der individuelle, künstlerische Duktus im Mittelpunkt und nicht die möglichst exakte und technisch perfekte Wiedergabe der Vorlage.

Das Sampling verschiedenster Medien ist für junge Kunstschaffende zur Regel geworden. Sie arbeiten mit dem Computer und Printer und übertragen dann die so entstandenen Bildvorlagen in die traditionellen Drucktechniken und bearbeiten sie damit weiter (Stefan Altenburger, Dominique Lämmli, Kerim Seiler, Christian Vetter). So entstehen hybride Formen, die zwischen Druckgraphik, Photographie und Computerbild pendeln.

Vernissage: Donnerstag, 17. November 2005, um 18 Uhr, Helmhaus Zürich

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Bernadette Walter

Nicht nur in der Schweiz leben Menschen weder in der Stadt noch auf dem Land, sondern irgendwo dazwischen, in Vororten oder in Gemeinden, die auf der grünen Wiese errichtet werden und früher oder später mit einer Stadt zusammenwachsen.

Der amerikanische Photograph Bill Owens (1938 geboren) begann 1967, als er bei der kalifornischen Lokalzeitung Livermore Independent eine Anstellung fand, dort Leute vor ihren und in ihren erst kürzlich errichteten Reiheneinfamilienhäusern zu photographieren. Er photographierte sie oft an typischen Feiertagen wie Weihnachten, dem 4. Juli und bei einer Geburtstagsparty. Publiziert wurden die Bilder 1972 im Buch Suburbia, das später sehr bekannt wurde und noch drei Auflagen erlebte. Owens war es offenbar gelungen, den Nerv des American way of life an einer bestimmten Stelle zu treffen. Inzwischen sind seine Photos zu klassischen Bildern des amerikanischen Traumes vom Leben im eigenen Haus in den Vororten geworden.

Auch einige Schweizer, haben sich mit solchen Vororten auseinandergesetzt und waren oder sind diesem meist anonymen Wohn- und Arbeitsgebiet zwischen Stadt und Land auf der Spur.

In den frühen siebziger Jahren hat Urs Lüthi (geboren 1947) Photos von Einfamilienhäusern und Appartementgebäuden mit eigenen Selbstporträts kombiniert, die ihn als äusserlich glänzend aufgemachten Star und Transvestiten zeigen. Selbst Stars sind ja irgendwo im Nirgendwo zuhause. Auch Lüthi war wie Owens das interaktive Element, die Beziehung der Person zu ‚ihrem‘ Haus wichtig. Fischli und Weiss hingegen, wie Schnyder und Rebetez, sollten die Häuser und Orte menschenleer festhalten.

Das bekannte Künstlerpaar Peter Fischli (geboren 1952) und David Weiss (geboren 1946), recherchierte, mit Auto und Kamera unterwegs, in Vororten von Schweizer Städten. Sie brachten 1992 die Photoserie Siedlungen, Agglomeration heraus, die den oder irgendeinen Wohnblock, das oder irgendein Einkaufszentrum und anderes mehr liebevoll, präzise und mit Humor ins Visier nimmt.

Der Maler Jean-Frédéric Schnyder (geboren 1945), durch halb naiv, halb konzeptuell daher kommende Serien bekannt geworden (Bilderfolgen zur Schweizer Autobahn, zu Wartesälen in Bahnhöfen u.a.), griff auf das einst erlernte Medium Photographie zurück, als er 1999/2000 jedes Haus an der Strasse, die von Zug nach Baar führt, ablichtete und mit Hilfe des Computers zu einem über vierzehn Meter langen und nahtlosen Bilderstreifen und C-Print zusammenfügte. Ein bekanntes Pendant zu dieser Arbeit stammt vom Amerikaner Ed Ruscha, das Leporello Every Building on the Sunset Strip von 1966.

Der jüngste Schweizer Künstler, der hier einbezogen wird, ist der in Brüssel lebende Jurassier Boris Rebetez (geboren 1970). Er formte 1992 eine kleine Serie Teller, die im Milieu, bzw. dem sogenannten Tellerspiegel nicht ein bekanntes Sujet zeigen, was solche Teller zu begehrten Souvenirs machen würde. Es sind einmal mehr jene anonymen Bauten, wie sie in jedem Vorort irgendeiner Stadt vorkommen.

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Paul Tanner

Die Graphische Sammlung zeigt zum Abschluss des Jubiläums „150 Jahre ETH Zürich“ Teile ihres Bestandes an Altmeisterzeichnungen des 15. bis 18. Jahrhunderts. Obwohl vor allem als Sammlung von Druckgraphik bekannt, nennt sie einen reichen und wertvollen Bestand ihr eigen, der seine Entstehung mehreren grösseren Schenkungen aber auch gezielten Ankäufen verdankt. Die wenigsten von ihnen waren bis heute Gegenstand näherer Untersuchung und nur wenige von ihnen wurden bisher öffentlich gezeigt.

Die Ausstellung gibt einen Einblick in Zeichnungsgattungen aller Art: Vertreten sind Skizzen und Entwürfe ebenso wie ausgearbeitete Zeichnungen und grossformatige Kartons, die in Malerwerkstätten als Vorlage für Gemälde dienten. Einen Schwerpunkt bilden schweizerische Scheibenrisse, die im 16. und 17. Jahrhundert als Vorlagen für Glasmaler verwendet wurden. Landschaften, architektonische Szenerien, Entwürfe für Theaterkulissen und Deckengemälde, Allegorien, biblische und andere Bildthemen zeigen in ihrer ganzen Vielfalt die Möglichkeiten des Mediums Zeichnung.

Der ausgestellte Bestand umfasst neben den Schweizer Zeichnungen deutsche, niederländische, französische und italienische Blätter. Zahlreiche bedeutende Neuentdeckungen können verzeichnet werden: unter ihnen die Darstellung einer Vogeljagd auf Pergament des im Umkreis der Schule von Fontainebleau tätigen Etienne Delaune (um 1519-1583) und ein Konvolut von Kreidezeichnungen auf blauem Papier des Le Brun-Schülers François Verdier (1651-1730). Vertreten sind ferner neben zahlreichen anderen Urs Graf, Tobias Stimmer, Hans von Aachen, Domenico Campagnola, Guercino, Alessandro Algardi und Anton Raphael Mengs.

Vernissage: Dienstag, 8. November, um 18 Uhr

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Michael Matile

Wenn es um Druckgraphik des 19. Jahrhunderts geht, steht entweder jene des frühen oder jene des späten 19. Jahrhunderts im Blickfeld der Forschung und der Ausstellungen: Graphik des Klassizismus und der Romantik zu Beginn, die Anfänge der Graphik der Moderne am Ende des Jahrhunderts. Doch auch um 1855, dem Gründungsjahr der ETH Zürich, ist interessante Graphik entstanden. Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums soll deshalb europäische Druckgraphik der Mitte des 19. Jahrhunderts präsentiert werden.

Revolution, Umsturz und Neubeginn sind Kennzeichen des Jahres 1848. Unzählige politische Karikaturen sind in den Jahren davor in Europa entstanden. Als Folge dieser Umwälzungen wurde 1848 aber auch der Schweizerische Bundesstaat aus der Taufe gehoben. Nur sieben Jahre später konnte er seine Hochschule in Zürich eröffnen. Damals setzte eine rasante Entwicklung der Technik und der Wirtschaft ein. Als Reaktion darauf kehrten nicht wenige Künstler der Hektik der Moderne den Rücken zu und begannen das einfache Landleben, die Arbeit auf den Äckern und Wiesen, darzustellen. Ein Exponent dieser künstlerischen Richtung war Jean François Millet (1814 – 1875). Charles Meryon (1821 – 1868) wiederum schuf Radierungen vom alten Paris, das damals teilweise den neuen grossen Boulevards weichen musste.

Das in jenen Jahren neu erfundene Medium Photographie stellte für die Künstler eine neue und grosse Herausforderung dar: Die visuelle Wahrnehmung veränderte sich und wirkte sich auch auf die alten Bildmedien, Malerei, Zeichnung und Druckgraphik, aus. Es gab aber auch Künstler wie der französische Maler Camille Corot (1796-1875), welche die Lichtempfindlichkeit des Photopapiers auf besondere Weise zu nützen wussten. Eine Glasplatte wurde mit einer Schicht lichtundurchlässig gemacht, bzw. durch Zeichnen mit einer Nadel partiell wieder geöffnet. Eine so bearbeitete Glasplatte, ein Cliché verre, konnte dann wie ein Negativ zur Belichtung eines oder mehrerer Photopapiere verwendet werden.

Vernissage: Dienstag, 23. August 2005, um 18.00 Uhr

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Paul Tanner

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts erhielt die Landschaftsdarstellung im Zug der aufkommenden Alpenbegeisterung eine neue Bedeutung. Literarische Werke, wie das 1729 erschienene Gedicht Alpen Albrecht von Hallers oder Jean-Jacques Rousseaus Julie ou La Nouvelle Héloïse von 1761, legten den Keim für eine aufgeklärte, sowohl naturwissenschaftliche als auch künstlerische Aneignung der Natur. Dabei boten die urtümliche Berg- und Gletscherwelt, die lieblichen Hügel, Flüsse und Seen des Mittellandes eine unendliche Vielfalt an Natureindrücken und damit eine reiche Grundlage für Forschergeist und künstlerische Nachahmung.

Die Zeichnung nach der Natur ging der Weiterbearbeitung im Atelier voraus und war der unmittelbarste Ausdruck des künstlerischen Studiums. Detailstudien von Bäumen, Felsformationen oder ganze Landschaftszenerien und Veduten entstanden nebeneinander. Dem künstlerischen Bemühen stand eine wachsende Nachfrage des Kunstmarkts gegenüber. Der aufkommende Tourismus, der unmittelbar mit der wachsenden Alpenbegeisterung einherging, sicherte nicht nur den einheimischen Gasthöfen ein Auskommen, sondern auch den Künstlern, die mit erstaunlicher Produktivität in der Lage waren, die Nachfrage der Reisenden nach gemalten, gezeichneten oder gedruckten Ansichten zu befriedigen. Dabei verfolgten die zahlreichen topographischen Veduten die Absicht, bestimmte Sehenswürdigkeiten in handlichem Format wiederzugeben und für kunstsinnige Reisende zum Verkauf bereit zu halten. Künstler wie die sogenannten Kleinmeister Johann Ludwig Aberli, Heinrich Rieter und Johann Jakob Biedermann in Bern gehörten zu den gefragten Spezialisten ihres Fachs und bewegten sich als Unternehmer im Spannungsfeld einer fruchtbaren Kombination von Stecherwerkstatt, Kunsthandel und Zeichenschule. Im Reisegepäck gelangten auf diese Weise ihre geschätzten Werke in die Sammlungen in ganz Europa.

Die Entwicklung der schweizerischen Landschaftszeichnung stand einerseits im Kontext der europäischen Bemühungen. Viele der später in Zürich, Bern und anderswo tätigen Zeichner konnten auf eine Ausbildung in den Niederlanden, Deutschland oder Paris zurückblicken. Andererseits veranlasste das Ausmass der Produktion topographischer Ansichten seit 1750, dieselben im internationalen Umfeld als schweizerische Besonderheit wahrzunehmen.

Aus Anlass des Jubiläumsjahrs „150 Jahre ETH Zürich“ zeigt die Graphische Sammlung aus ihrem selten gezeigten Bestand eine Auswahl der bedeutendsten Blätter dieser Epoche.

Vernissage: Dienstag, 26. April 2005, 18.00 Uhr

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Michael Matile

Die Graphische Sammlung der ETH Zürich besitzt reiche Bestände an Druckgraphik Alter Meister. In der ersten Ausstellung im Jubiläumsjahr 150 Jahre ETH, soll eine konzentrierte Auswahl schönster europäischer Graphik aus der eigenen Sammlung gezeigt werden.

Nur gerade zwölf Jahre nach der 1855 erfolgten Gründung der ETH wurde 1867 im damals brandneuen Semper-Bau ihre Graphische Sammlung eingerichtet. Die Studierenden sollten sich in einer Studiensammlung anhand originaler Graphik grosser Meister bilden können. Man sammelte damals neben Reproduktionsstichen bewusst Originalgraphik.

Graphik hat seit ihrer Entstehung im 15. Jahrhundert, trotz der ihr immer wieder abverlangten Abbildfunktion, ihre autonome Bedeutung und künstlerische Vielfalt bewiesen. In einer repräsentativen Auswahl wird ihr formaler Reichtum und ihr eigenständiger künstlerischer Rang zum Ausdruck kommen. Das geschieht mit Beispielen, die in ihrer spezifischen Technik – Holzschnitt, Kupferstich, Radierung und Kaltnadel – vollendet sind, zudem in Exemplaren von untadeliger Qualität oder dann von grosser Seltenheit. Nur mit frühen Drucken oder gar mit Probedrucken kann die künstlerische Absicht hautnah erfasst werden. Um so besser kommt diese zur Geltung, wenn die Auswahl knapp und möglichst konzentriert ist. Die Ausstellung bringt dennoch einen Zeitraum von rund drei hundert Jahren zur Darstellung, von der Mitte des 15. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie umfasst ausschliesslich europäische Graphik. Amerika spielte in der Zeit noch keine künstlerische Rolle, im Gegensatz zu China und Japan, deren Graphik an der ETH so gut wie nicht gesammelt wurde. Mit kolorierten Einblattholzschnitten beginnt die Auswahl und mit phantastischen Perspektiven des Giovanni Battista Piranesi findet sie ihren Abschluss. Holzschnitte von Dürer und Radierungen von Rembrandt werden genau so wenig fehlen.

Vernissage: Dienstag, 18. Januar 2005, 18.00 Uhr

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Paul Tanner

2004

Aussergewöhnlich ist die Ausstellung Gusto e Passione in verschiedener Hinsicht. In den letzten Jahren kam es selten vor, dass die Graphische Sammlung der ETH eine Ausstellung mit Werken ausschliesslich aus Privatbesitz zeigte. Aussergewöhnlich ist weiter, dass heute ein noch junger Sammler sich auf das Zusammentragen von Zeichnungen Alter Meister konzentriert. Und aussergewöhnlich ist schliesslich das Sammlungsprinzip, pro Künstler nur eine Zeichnung zu erwerben.

Wenn wie hier eine Sammlung von italienischen Handzeichnungen des 16. bis 18. Jahrhunderts für einige Wochen ihren Platz an den Wänden des stillen Heims mit denjenigen eines Museums vertauscht, so stellt sie sich erstmals dem Urteil einer breiten Öffentlichkeit. So fragil, lichtempfindlich und kostbar der Charakter dieser Blätter ist, so persönlich sind die Gesichtspunkte, nach denen sie zusammengetragen wurden: Jede private Zeichnungssammlung spiegelt die Summe subjektiv getroffener Entscheidungen, den Geschmack, die Leidenschaft aber auch die Momente glücklicher Funde, die mehr als alles andere steter Antrieb für die nie abgeschlossene Suche des Sammelnden nach Ergänzung und Vervollständigung darstellen. Eine solche Sammlung ist aber zugleich auch Bekenntnis zu einem vordergründig unspektakulären Sammlungsgebiet, dessen Reichtum und Schönheit sich erst demjenigen erschliesst, der sich auf den diskreten Charme und auf den Dialog mit den vermeintlich unscheinbaren Gebilden aus Linien und getönten Flächen einlässt.

Neben klingenden Namen wie Giulio Romano, Luca Cambiaso, Annibale Carracci, Giambattista Tiepolo und Francesco Guardi finden sich in der Kollektion zahlreiche weniger bekannte aber nicht minder eindrucksvolle Werke. Nicht wenige unter ihnen sind als bedeutende Neuentdeckungen zu bezeichnen. Ihren Reiz verdanken sie in erster Linie dem spontanen, lebendigen Ausdruck, einer ersten, inspirierenden Idee eines Künstlers oder erweisen sich bei näherer Betrachtung als bereits gereifte künstlerische Lösung, die als Vorstufe für ein Gemälde dienen konnte. Sie bieten die seltene Möglichkeit, den künstlerischen Schaffensprozess unmittelbar, dem Künstler gleichsam über die Schulter blickend, zu verfolgen.

Vernissage: Dienstag, 9. November 2004, 18.00 Uhr

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Michael Matile

Der 1957 in Tucson (Arizona) geborene Raymond Pettibon lebt in Hermosa Beach (Kalifornien). Er studierte zunächst an der University of California (UCLA) in Los Angeles, ehe er seine Karriere als Künstler begann. Mit eigenhändig photokopierten Heften, die er auch selber vertrieb, trat er zunächst hervor. International schaffte er den Durchbruch in den späten achtziger Jahren mit sozial kritischen Zeichnungen, in denen er sich – damals wie heute – schonungslos mit der zeitgenössischen Kultur auseinandersetzt. Eines seiner ersten Themen war die Kritik der Subkultur der 60er Jahre und deren letztlich fehlgeschlagenen Auflehnung gegen die Autorität ihrer Väter. Seine Bilder und die Art, wie er Themen aufgreift, haben nichts an Aktualität eingebüsst: Das zeigte sich wiederum an der documenta 2002, wo er eine, den ganzen Raum einnehmende, Collage zum 11. September 2001 schuf. Dabei gelang ihm mit dieser stillen und bescheidenen Arbeit, das einfache Freund-Feind-Schema zu durchbrechen und den amerikanischen Mythos der Unantastbarkeit als psychologischen Selbstschutz zu entlarven.

Pettibons Zeichnungen und Drucke unterscheiden sich grundsätzlich von der Konzeptkunst der siebziger Jahre. Er kombiniert Bild und Text nicht in intellektueller und philosophischer Absicht, sondern mehr in einer poetisch und dunkel lyrischen Analogie. Die Art wie er Text einsetzt, kann man am ehesten mit jener von Jenny Holzer und von Barbara Kruger vergleichen. Auch bei ihnen liest sich der Text wie eine fragmentarische Erzählung, der oft abrupt und ohne eigentliches Ende aufhört.

Sein Zeichnungsstil, jenem von Comics Zeichnern und Cartoonisten vergleichbar, fällt durch eine Sprache von grosser visueller und kommunikativer Kraft auf. Einzelne Gestalten kommen immer wieder vor: der Baseballspieler, der Surfer und verschiedene aus amerikanischen Comics bekannte Figuren. Sie agieren in einer Welt voll dunkler Satire und metaphysischer Träumereien über die Kunst und das Leben.

Seit einigen Jahren trägt die Graphische Sammlung der ETH das druckgraphische Werk von Raymond Pettibon zusammen, das bereits recht umfangreich und im Unterschied zu den Zeichnungen noch wenig bekannt ist. Die Ausstellung gibt eine erste Bilanz der gesammelten Lithographien, Radierungen und Siebdrucke.

Vernissage: Dienstag, 31. August 2004, um 18.00 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Franz Gertsch zählt zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern der Gegenwart. Sein photorealistisches Werk der achtziger und neunziger Jahre, gemalt und in riesige Holzplatten geschnitten, fanden unlängst in Ausstellungen in München, Hannover und New York erneut grosse Beachtung.

Die Graphische Sammlung der ETH Zürich zeigt eine unbekannte Seite seines Schaffens, einen Gertsch avant Gertsch. In den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren breitete sich der abstrakte Expressionismus wie ein Flächenbrand über Mitteleuropa und Amerika aus. Der Künstler Franz Gertsch suchte einen Weg, diesem Hauptstrom aktueller Kunst nicht entgegen zu schwimmen, sein eigenes Profil als realistischer Maler zu behalten. Das gelang ihm dadurch, dass er auf drei Reisen zwischen 1961 und 1965 in Schottland Bildmotive und bestimmte Lichtverhältnisse fand, die es ihm erlaubten, in malerisch expressiver Manier zu aquarellieren. Diese frühen Aquarelle, die seinen späteren und auch den aktuellen Landschaften den Weg ebneten, werden erstmals umfassend ausgestellt und publiziert.

Nach Zürich soll die Ausstellung noch an drei bis vier weiteren Orten gezeigt werden.

Vernissage: Dienstag, den 11. Mai 2004, um 18.00 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Unter dem Titel Flugstunde setzt die Ausstellung fort, was vor einem Jahr als Fahrt ins zwanzigste Jahrhundert begonnen wurde, nämlich eine Revue schweizerischer Künstlergraphik seit 1900.

Der Titel der Ausstellung ist einer Graphik von Markus Raetz von 1970 entliehen. Die Komposition spielt mit vielleicht fliegenden Objekten und ihren Schatten – es geht dabei wohl ums Sehen selbst. Dazu gehören dann auch Fragen der bildlichen Darstellung von Zeit und Bewegung. Dies – und überhaupt Prozessuales auf der Bildfläche sichtbar zu machen – nannten die Verantwortlichen des dritten Salon de la jeune gravure suisse in Genf 1971 jedenfalls als eine tendenzielle Gemeinsamkeit der ausgestellten Graphikblätter. Eine zweite war die starke Präsenz posterähnlicher Drucke.

Das stilistische Spektrum der künstlerischen Produktion der Zeit reicht von allerlei Spielarten mehr oder weniger gegenständlicher oder erzählerischer Formulierungen zum Informel lyrischer oder expressiver Bilder. Die Künstlergraphik wird eigenwillig seither. Die Blattgrössen überschreiten das ‚Standardformat‘, die Farbe übernimmt die Hauptrolle. Der Umgang mit Drucktechniken wird probiert und kombiniert: herkömmliche, einfallsreich angewendete sowie unterschiedlichste und widersprüchlichste Verfahren – technisch wie ästhetisch ungewohnt. Diesen machmal waghalsigen Unternehmungen soll der Titel der Ausstellung gerecht werden.

Vernissage: Dienstag, den 2. März 2004, um 18.00 Uhr

Kontakt für diese Ausstellung:
Eva Korazija

2003

Der Holzschnitt bewirkte in der Renaissance einen mediengeschichtlichen Umbruch, der nur mit den Veränderungen verglichen werden kann, die durch die moderne digitale Bildverarbeitung hervorgerufen wurden. Er schaffte die Voraussetzung, Text und Bild mit einfachen Mitteln zu vervielfältigen und in grossen Auflagen einem breiten Publikum verfügbar zu machen. Die Aufgaben und Ziele des gedruckten Mediums sind bis heute ähnlich geblieben. Die Wege und Mittel sie zu erreichen, haben sich seit dem 16. Jahrhundert hingegen gewandelt: Eine Ausstellung und ein wissenschaftlicher Katalog über die italienischen Holzschnitte aus der Zeit zwischen 1500 und 1800 schärfen dafür den Blick.

In Italien bildeten sich nach 1500 rasant wachsende Zentren des Buch- und Bilddrucks. Rückblickend auf die Geschichte des italienischen Holzschnitts stellen die Drucke nach Tizians Entwürfen und die Farbholzschnitte, sog. Chiaroscuroschnitte, nach Raffael und Parmigianino die bedeutendsten und innovativsten Leistungen dar. Hier werden Strategien zur Vermarktung eigener Bildideen ebenso ablesbar, wie das Bemühen der Holzschneider, höchste künstlerische Ansprüche zu erfüllen. Manche wenig bekannte Kostbarkeiten sind in der Ausstellung neben berühmten aber selten gezeigten Meisterwerken im Original zu sehen. Teil des Bestandes sind u.a. Werke folgender Künstler und Holzschneider: Andrea Andreani, Niccolò Boldrini, Giovanni Britto, Luca Cambiaso, Ugo da Carpi, Bartolomeo Coriolano, Andrea Schiavone, Giuseppe Scolari, Niccolò Vicentino, Antonio da Trento und Antonio Maria Zanetti. Kein anderer Zweig der italienischen Druckgraphik besass für die späteren Jahrhunderte mehr Ausstrahlungskraft. So erwiesen sich etwa die Landschaftsholzschnitte Tizians ebenso prägend für die bolognesische Landschaftsauffassung im 17. Jahrhundert, wie sie für Rubens Antrieb waren, sich selbst intensiv mit dieser Technik auseinanderzusetzen und mit eigenen Holzschneidern zusammenzuarbeiten. Nicht weniger Faszination ging von den Chiaroscuro-Holzschnitten aus. Noch im 18. Jahrhundert befasste sich der Venezianer Anton Maria Zanetti erneut mit dieser attraktiven Technik und verhalf der Gattung mit verfeinerten Mitteln noch einmal zu einer späten Blüte.

Mit der Ausstellung ermöglicht die Graphische Sammlung der ETH der Öffentlichkeit erstmals einen umfassenden Überblick über ihre Bestände an italienischen Holzschnitten aus der Zeit zwischen 1500 und 1800. Die Ausstellung und der Katalog setzen die wissenschaftliche Bestandesaufnahme fort, die mit der Bearbeitung der frühen italienischen Druckgraphik 1460-1530 und der Druckgraphik von Lucas van Leyden und seinen Zeitgenossen begann. Die Bearbeitung des Bestandes folgt wissenschaftlichen Kriterien. Kennerschaftliche Methoden und Analysen der Erhaltung und des Papiers bieten die Grundlage für einen neuen Blick auf dieses Kapitel der Geschichte der Druckgraphik.

Vernissage: Dienstag, 2. Dezember 2003, um 18.00

Kontakt für diese Ausstellung:
Michael Matile

Die Graphische Sammlung der ETH zeigt von September bis November Bücher, die von Künstlern gestaltet wurden: Pierre Bonnard, Antoni Tàpies, Dieter Roth. Ein Jahrhundert Künstlerbücher Anhand der Bestände der Sammlung, ergänzt um Leihgaben aus Zürcher Privatbesitz und der Graphischen Sammlung des Museums für Gestaltung Zürich, wird ein Überblick über das Künstlerbuch des XX. Jahrhunderts geboten: bibliophile Bücher, Malerbücher, Buchobjekte werden gezeigt. Die Produktion ausgewählter Künstler wird möglichst breit und repräsentativ dargestellt.

Im Rahmen der Langen Nacht der Zürcher Museen wird der Blick auf die gegenseitige Anregung von Literatur und bildender Kunst gerichtet. Die Bücher enthalten oft ausserordentlich interessante Texte von Schriftstellern oder solche, welche Künstler selber geschrieben haben. Bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten lesen aus Künstlerbüchern vor: Gisela Neukomm, Gemeinderätin in Zollikerberg, liest aus Ein Sommer von Franz Gertsch, Josef Estermann, viele Jahre Stadtpräsident Zürichs, rezitiert aus dem Text Sinnieren über Schmutz von Alexander Mitscherlich, den Tàpies mit Lithographien bereichert hat, ein Germanistikstudent der Uni Zürich trägt Gedanken von Ernst Jünger vor, ein Buch mit Lithographien von Hans Hartung. Patrick Frey, Zürcher Verleger, Schauspieler und Moderator deklamiert Gedichte aus der Gesammelten Scheisse von Dieter Roth.

Im Austellungsraum liegt ein grosses leeres Buch auf, das sich im Laufe des Abends mit Zeichnungen füllen soll. Die erste Seite wird für Hanny Fries reserviert. Sie eröffnet um 20.00 Uhr das Künstleralbum zur Langen Nacht. Anschliessend ist das Publikum eingeladen vor Ort erstellte Skizzen ins Album einzutragen. Auch mitgebrachte Zeichnungen sind willkommen. Ein sogenanntes Künstleralbum wird entstehen. Ausgewählte, besonders gelungene zeichnerische Beiträge werden nach der Langen Nacht in digitaler Form auf der Homepage www.graphischesammlung.ch veröffentlicht. Das Album selber wird später in die Sammlung aufgenommen.

Die Lange Nacht in der Graphischen Sammlung ist ein Ort zum Verweilen, mit Dieter Roths Leseecke und der gemütlichen Wein-& Buchbar.

Kontakt für diesen Anlass:

Programm Paul Tanner
Public Relations Ruth Jäger

Die Graphische Sammlung der ETH Zürich besitzt eine reiche Sammlung an Künstlerbüchern. Die illustrierten Bücher aus der Sammlung Imhoof-Blumer, die meist um 1900 in Paris erworben wurden, und die mehrere hundert Einheiten umfassende Sammlung der Bücher von Dieter Roth aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bilden zwei herausragende Schwerpunkte. Dazwischen gibt es viele Künstlerbücher und Buchobjekte von Künstlern wie Bonnard, Tàpies, Gober u.a. zu entdecken.

Die Produktion der Künstlerbücher hält seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts ungebrochen an, als Künstler begannen, ihre Bücher nicht nur selber zu gestalten sondern oft auch selber zu drucken und zu verlegen. Die Bibliothèque nationale de France hat 2002 nicht weniger als 229 Künstlerbücher neu in die Sammlung aufgenommen. Auch die Graphische Sammlung der ETH tätigt jedes Jahr Erwerbungen in diesem Bereich. In den letzten zehn Jahren ist dieser Teil der Sammlung erheblich gewachsen, jedoch ohne Absicht, diese Gattung betont zu pflegen. Die Erwerbungen richten sich nämlich immer auf bestimmte Künstler und Künstlerinnen aus: Wenn eine Werkgruppe eines Künstlers in die Sammlung aufgenommen werden soll, beschränkt man sich nicht nur auf eine Gattung. Der Zürcher Künstler Ian Anüll hat in den letzten zwei Jahrzehnten neben Zeichnungen und druckgraphischen Arbeiten eine ganze Reihe von kleinen Künstlerbüchern gestaltet und herausgegeben. Also wurden auch seine Künstlerbücher in die Sammlung aufgenommen. Von Dieter Roth konnte die Graphische Sammlung zunächst mit Hilfe des ETH-Rates sogenannte Fotokopienbücher erwerben: vom Künstler selber am Kopiergerät erstellte Bücher in einer sehr kleinen Auflage. Dann gelang der Ankauf einer grossen Privatsammlung: Über drei Jahrzehnte hat ein Sammler systematisch Roth‘s Künstlerbücher zusammengetragen. Einzig die Fondation Roth in Hamburg dürfte heute eine noch komplettere Sammlung als die ETH besitzen. Wenn möglich, wurde und wird der Bestand der Roth Bücher ergänzt. Mit ausgewählten Künstlerbüchern aus Zürcher Privatsammlungen und aus der Grafiksammlung des Museums für Gestaltung wird unser eigener Bestand an Künstlerbüchern zusätzlich akzentuiert und abgerundet.

Im Rahmen der Langen Nacht der Zürcher Museen, die vom 6. / 7. September stattfindet, wird der Blick auf die gegenseitige Anregung von Literatur und bildender Kunst gerichtet. Bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten lesen aus Künstlerbüchern vor: Josef Estermann, viele Jahre Stadtpräsident Zürichs, Patrick Frey, Zürcher Verleger, Schauspieler und Moderator u.a.

Vernissage: Dienstag, den 2. September 2003, um 18.00 Uhr

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Paul Tanner

Der 1953 in Zürich geborene Künstler Marc-Antoine Fehr schuf für das Jahr 2000 einen ganz besonderen Zyklus: Jeden Tag brachte er mindestens ein Aquarell oder eine Gouache zu Papier. Im Resultat, dem Journal de Pressy, spiegelt sich Fehrs künstlerische Tätigkeit wieder: Porträts, Interieurs, Landschaften sowie seine Arbeit am fiktiven Bild Die grosse Mühle.

Fehr lebt seit dreissig Jahren im Burgund, wo er in Pressy-sous-Dondin seit 1984 Mitbesitzer eines Landgutes geworden ist. Die Ruhe des Ortes und die Räume des grossen Hauses und sein Park inspirieren ihn immer wieder zu Bildern nach Natur.

Mit dem Gemälde Die Versuchung des Hl. Antonius ist er in den achtziger Jahren bekannt geworden. Phantastisch-surreale Bilder bilden eine zweite wichtige Werkgruppe in seinem Schaffen. In Pressy arbeitet er seit längerem an dem rätselhaften Bild Die Grosse Mühle, das bisher nur in Detailstudien und ausgeführten Fragmenten existiert.

Vernissage: Dienstag, den 6. Mai, um 18.00 Uhr

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Paul Tanner

Die Fahrt ins zwanzigste Jahrhundert lautet der Titel von Albert Weltis 1899 radiertem ‚Jahrhundertblatt‘. Es ist die Stellungnahme eines Zeitgenossen, der sich am Vorabend des neuen Jahrhunderts vorstellt, wie es sich wohl darstellen könnte: wie eine Zeitreise mit der Eisenbahn.

Auch die moderne Eigenart der Kunst der Graphik wurde damals in Bewegung gesetzt. Die manuellen druckgraphischen Techniken – also Holzschnitt, Kupferstich, Radierung und Lithographie – ihren Nutzen als Vervielfältigungstechnik aus vorphotographischer Zeit endgültig verloren. Ihre Bedeutung verlagerte sich nur noch zum besonderen künstlerischen Ausdrucksmittel. Aus einem bisher weitgehend imitativen Medium wurde im Lauf des zwanzigsten Jahrhunderts ein ausgesprochen innovatives. Dieser – bis in die fünfziger Jahre moderate – Wandel wird in seiner schweizerischen Form vorgestellt – als ein erster Streckenabschnitt, weitere Stationen folgen.

Die Ausstellung wird wohl dem Geleise der Chronologie entlangeilen, aber nicht ohne Aufenthalte bei gewissen Themen. Zum Zug kommt eine erste Künstlergeneration mit Cuno Amiet, Alice Bailly, Helen Dahm, Ignaz Epper, Giovanni Giacometti, Paul Klee, Fritz Pauli, Gregor Rabinovitch, Ernst Georg Rüegg oder Edouard Vallet. Jüngere, wie Albert Müller und Hermann Scherer, lernten von Ernst Ludwig Kirchner. René Auberjonois, Aimé und Maurice Barraud, Karl Geiser sowie Alberto Giacometti formulierten weitere Spielarten der Figuration. In der ‚allianz‘, einer Künstlergruppe, die zwischen 1937 und 1954 alle nicht naturalistischen Richtungen vereinte, liierten sich Vertreter surrealistischer und abstrakt-poetischer Lösungen mit denen geometrischer Konzepte: also etwa Serge Brignoni, Leo Leuppi, Meret Oppenheim, Kurt Seligmann oder Otto Tschumi mit Bill, Lohse oder Verena Loewensberg. Geboten wird von all dem nicht mehr als ein Angebot – aber was für eines!

Vernissage: 11. Februar 2003, 18.00 Uhr, Graphische Sammlung der ETH

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Eva Korazija

2002

In der Erker-Galerie in St. Gallen entfalteten Franz Larese und Jürg Janett seit 1958 grosse Aktivitäten, Kunst, Literatur und Musik umfassend. Bereits in den frühen sechziger Jahren gelang es den beiden Galeristen, erstrangige und international arrivierte Künstler zu gewinnen. In weit über hundert Ausstellungen wurden am Gallusplatz Künstler wie die Spanier Antoni Tàpies und Eduardo Chillida, der Franzose russischer Herkunft Serge Poliakoff, der Italiener Piero Dorazio, die Deutschen Hans Hartung und Günther Uecker und viele andere mit Gemälden, Skulpturen, Zeichnungen und immer auch mit Graphiken vorgestellt.

Aus der Erker-Presse, dem zweiten Unternehmen von Franz Larese und Jürg Janett, sind in rund vierzig Jahren gegen tausend Lithographien (dazu einige Holzschnitte und Blindprägedrucke) hervorgegangen, Einzelblätter, Mappenwerke und bibliophile Bücher. Die Erker-Presse, eine Werkstatt für Lithographie, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem ungewöhnlich kreativen Ort. Es hatte sich gelohnt, für die Künstler in unmittelbarer Nähe der Galerie einen Ort der Konzentration einzurichten. Die Künstler erschienen so nicht nur zur Eröffnung einer Ausstellung, sondern hielten sich oft mehre Tage in St. Gallen auf. Daraus erwuchsen freundschaftliche und geschäftliche Bande, die über Jahrzehnte hielten. Die zahlreichen Drucke vertrieben Larese und Janett nicht nur mit grossem Erfolg und weltweit, sondern sie legten immer auch Exemplare in einem Archiv ab.

Aus diesem reichen Fundus konnte jetzt eine konzentrierte Ausstellung zusammengestellt und erstmals in der Graphischen Sammlung der ETH gezeigt werden. Schwerpunkt der Ausstellung bilden Lithographien der abstrakt-expressiven Richtung. Als grosszügige Schenkung können viele der Blätter, Portfolios und Bücher später in der Graphischen Sammlung bleiben.

Vernissage: 5. November 2002, 18.00 Uhr, Graphische Sammlung der ETH

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Paul Tanner

Im Zentrum unserer Aktivitäten innerhalb der Langen Nacht der Zürcher Museen stehen vom amerikanischen Künstler Tom Wasmuth gestaltete Kisten sowie ein Konzert desselben. Davon ausgehend beschäftigen uns Kisten in verschiedensten Ausprägungen. Unser facettenreiches Programm ist darauf angelegt, alle Sinne anzusprechen sowie Besucherinnen und Besucher aktiv einzubinden.

Die Graphische Sammlung der ETH ist ein Museum in Schachteln. Ihre Schätze lagern, wenn sie nicht gerade in Ausstellungen gezeigt werden, für die Besucherinnen und Besucher unsichtbar und doch für die wissenschaftliche Arbeit oder die Besichtigung auf Anfrage stets verfügbar, vor Staub und Licht gut geschützt in Graphikkoffern und Mappen. Zeichnungen oder graphische Blätter daraus ans Licht zu holen, beschert immer wieder ein ähnlich aufregendes Gefühl wie das Öffnen einer Schatztruhe.

In der Ausstellung Tom Wasmuth – Worlds in a Box rückt die Kiste gleichwertig mit ihrem Inhalt ins Rampenlicht. Zur Aufnahme der 10 Bände einer Buchedition mit dem Titel Selected Works, in der die Arbeit des amerikanischen Künstlers Tom Wasmuth von der Zürcher Galeristin Marlene Frei erstmals im Überblick dargestellt wird, sowie von zehn Originalzeichnungen und Fotografien desselben, hat der Künstler für die Abonnenten von 36 Vorzugsausgaben Holzkisten entworfen und bemalt. In Wasmuths Werken mischt und überlagert sich Gegenständliches und Abstraktes, Aktuelles und Erinnertes, Reales und Geträumtes. Seine aus im Alltag vorgefundenen Motiven, Materialien, Texten und Melodien entwickelten Bilder sind von Geschichtensplittern durchzogen, die darauf warten, gefunden, zusammengesetzt und weitergedacht zu werden. Dabei sind unter dem Titel Kistengeschichten angebotene Führungen behilflich.

Als singender und Gitarre spielender Geschichtenerzähler Tom Bodean macht Wasmuth, die Mehrfachbegabung, den Ausstellungsraum für eine Nacht zur Bühne. Auf sein Konzert At the Corner of Jazz Avenue and Blues Street kann man sich schon vorgängig in der Graphikbar Bluesbox mit seinen Lieblingssongs einstimmen, und zu später Stunde besteht die Möglichkeit, dem Künstler und Musiker dort persönlich zu begegnen.

Unser Restaurierungsatelier demonstriert in der langen Nacht, wie sich aus vorgefundenem Material mit wenig Aufwand eine Schatzkiste zaubern lässt. Gemeinsam mit der Schachtelkünstlerin und Expertin für Kunstverpackungen Brigit Naef betreibt es eine Schachtelwerkstatt, in der Besucherinnen und Besucher aus alten Plakaten Böxchen für ihre Souvenirs der Museumsnacht oder ihre Postkartensammlung falten können. Unter dem Titel Verschachtelungen berichtet Brigit Naef aus ihrem Arbeitsalltag über Lager- und Transportverpackungen von Kunstwerken. Die farbenfrohe kleine Sonderausstellung Schachtelwunder ist ihren kostbaren Schachtelkreationen gewidmet.

Kontakt für diesen Anlass:

Programm Katja Herlach
Public Relations Ruth Jäger

Mit einer herausragenden Fähigkeit zur Naturerfassung begabt, beobachtet und verarbeitet der originelle und vielfältige Zeichner Tom Wasmuth Motive und Materialien, die ihm im Alltag begegnen. Dabei lässt die Überlagerung von Erinnertem und Aktuellem, von Persönlichem und Öffentlichem sowie von Traum und Wirklichkeit an surrealistische Konzepte denken. Prägende Begegnungen mit Künstlern wie Robert Filliou, Dieter Roth, Jan Voss und Emmett Williams bilden Anknüpfungspunkte für seine eigenständige Zeichensprache. In assoziativer Weiterentwicklung entstehen aus alltäglichen Spuren organische, von Textsplittern durchzogene Formgebilde, aus denen plötzlich Figuren oder ganze Szenen auftauchen. Immer wieder klingen Geschichten vom Leben in der Stadt, aus der Nacht oder übers Unterwegssein an, die aber nicht zu Ende erzählt werden. Die lebendige und nicht selten augenzwinkernde Darstellung märchenhafter Szenen lädt die Betrachterinnen und Betrachter vielmehr dazu ein, die eröffneten Erzählstränge weiterzuspinnen.

Die kleinformatigen Originalzeichnungen und Fotografien, in denen sich in der Ausstellung der Kosmos des Künstlers entfaltet, stammen aus 36 zum Teil vom Künstler gestalteten Holzkisten. Es sind die Beigaben und Verpackungen von 36 Vorzugsausgaben einer zehnbändigen Buchedition. Diese bietet unter dem Titel Selected Works nach thematischen und technischen Aspekten gegliedert eine breite Werkübersicht. Anlässlich des Erscheinens des letzten Bandes ergreift die Graphische Sammlung der ETH, die selbst eine der Vorzugsausgaben besitzt, die Gelegenheit, die für die Edition entstandenen Arbeiten auf Papier sowie eine Auswahl der bemalten Boxen zusammenzuführen und so eine facettenreiche Begegnung mit einem bedeutenden, vornehmlich figurativ arbeitenden Zeichner der Gegenwart zu ermöglichen.

Es ist kein Zufall, dass die Edition Selected Works gerade in Zürich entstanden ist, einer Stadt, zu der der 1941 in Dayton, Ohio, geborene Künstler Tom Wasmuth eine besondere Beziehung hat. Bevor er in Albuquerque, New Mexiko, wo er heute lebt und arbeitet, festen Wohnsitz nahm, pendelte er während mehr als 30 Jahren zwischen Amerika und Europa hin und her. Immer wieder hielt er sich längere Zeit dort auf, wo seine Freunde und Sammler ihm die Fremde zur Heimat machten: in London, New York, Paris, Wien, Amsterdam oder Zürich. 1985 begann hier die enge Zusammenarbeit mit der Galeristin Marlene Frei (> e-mail), aus der neben mehreren Ausstellungen und Editionen 1995 das Projekt Selected Works hervorging.

Abgerundet wird die Ausstellung durch Skizzenbücher, die Bezugspunkte und Quellen von Wasmuths Arbeit offenlegen,- sowie durch eine Auswahl grösserer Zeichnungen und Gemälde, anhand derer sich weitere wichtige Themen aufschlüsseln lassen. Um schliesslich Wasmuths ausgeprägter Mehrfachbegabung gerecht zu werden, die sich am augenfälligsten darin zeigt, dass er in der Schweiz vornehmlich als Künstler geschätzt wird, während seine Landsleute in Albuquerque ihn eher als Blues-Gitarristen und Sänger kennen, wird die Ausstellung im Rahmen der Langen Nacht der Museen vom 31. August auf den 1. September 2002 zur Konzertbühne.

Kontakt für diese Ausstellung:
Katja Herlach

Unmittelbar nach Abschluss seiner Ausbildung an der Schule für Gestaltung in Basel hatte Boris Rebetez (er ist 1970 in Lajoux/Jura geboren, lebt und arbeitet in Basel und Brüssel) im Januar 1995 Gelegenheit, seine Diplomarbeit, die Installation Fische, in der Kunsthalle St. Gallen zu zeigen. Auf dem Boden lagen Dutzende bemalte Keramikfische, aus denen schwarze Trichter wie Totentrompeten wuchsen. Es war eine einfache, rätselvolle, stimmige und räumlich gelungene Installation. Sein Talent, eine Idee, plastisch und räumlich überzeugend umzusetzen, zeigte sich schon bei dieser ersten Arbeit. Seither sind zahlreiche Installationen, Bühnenbilder und Skulpturen entstanden. Solchen räumlichen Arbeiten gehen fast immer Zeichnungen voraus, oder werden im Nachhinein auf Zeichnungen festgehalten.

Mit Collagen hat er sich seit einigen Jahren ein neues Feld erschlossen: In Magazinen und Journalen findet er Bildmaterial, mit dem er neue, unwirkliche und konstruierte Landschaften erschafft. Orte oder Räume, die man ähnlich zu kennen glaubt, lösen sich vor den Augen des Betrachters auf oder entziehen sich seinem Blick. Für Rebetez ist wichtig, dass es Bildmaterial ist, dass wir zwar kennen, das aber durch seine Bearbeitung, das Zerschneiden und Zusammenkleben, zu etwas völlig Neuem wird. Die Authentizität der bunten Bilderwelt wird auf diese Weise hinterfragt. Der Betrachter wird aufgefordert, über die Wahrheit der Bilder und Ansichten nachzudenken. Damit greift Rebetez in einen höchst aktuellen Diskurs ein, der sich im Bereich zwischen Malerei und Photographie abspielt.

Neben den Collagen, die erstmals so umfassend zu sehen sind, werden in der Ausstellung Einzelzeichnungen und Zeichnungsgruppen vorgestellt. Die Graphische Sammlung der ETH erwirbt seit 1995 von Boris Rebetez Werke auf Papier.

Kontakt für diese Ausstellung:
Paul Tanner

Die antike Ruinenstadt Pompeji wurde durch die Ausgrabungen im 18. Jahrhundert zu einer wichtigen Station auf der Italienreise des bildungshungrigen Adels und Bürgertums. Die Besucher der antiken Ausgrabungsstätten rund um den Vesuv erschlossen den ortsansässigen und zugewanderten Künstlern neue Verdienstmöglichkeiten. Sie produzierten, was aus heutiger Sicht zu den Anfängen einer gehobenen, an das anspruchsvolle Publikum gerichteten Souvenirindustrie zählt: Veduten, Erinnerungsblätter und gedruckte, mitunter kolorierte Ansichten. Mit Geschick vermochte sich – neben anderen Schweizern – auch der Zürcher Jakob Wilhelm Huber (1787-1871) in diesem Umfeld als Vedutenmaler zu etablieren.

Das Interesse an der italienischen Landschaftsmalerei hatte Jakob Wilhelm Huber während seiner Lehr- und Wanderjahre 1810 nach Rom geführt und später nach Neapel. Dieser Stadt und den nahegelegenen Ruinen von Pompeji galt in der Folge sein besonderes Interesse. Das Gespür für die Vorlieben seines Publikums veranlasste ihn 1817, die pittoresken Reize der Ruinen des antiken Pompeji in Skizzen und Aquarellstudien festzuhalten. Nach seiner aus politischen Gründen 1821 erfolgten Rückkehr nach Zürich diente ihm dieses Studienmaterial als Grundlage für die 24 Aquatinta-Veduten, die er zwischen 1824 und 1832 als „Vues pittoresques de Pompéi“ bei Heinrich Füssli & Co. herausgab. Versehen mit einem Kommentar des Zürcher Altertumsforschers Jacob Horner wurden sie in der günstigen Version unkoloriert und in einer Prachtausgabe koloriert in den Handel gebracht. Die Graphischen Sammlung konnte – in Ergänzung zu den in der Sammlung bereits vorhandenen Werken – vor Ort entstandene Skizzen und Aquarellstudien zu diesem Werk erwerben.

Die Ausstellung gibt neben einem Überblick über das Schaffen Jakob Wilhelm Hubers Einblick in die Produktion dieser im Kontext der Pompeji-Publikationen beachtlichen künstlerischen Arbeit. Abgerundet wird das Thema mit Werken von Zeitgenossen und Freunden Hubers sowie einer Zusammenstellung der wichtigen zeitgenössischen Werke über Pompeji, von der wissenschaftlichen Forschungspublikation bis zum Souvenir.

Kontakt für diese Ausstellung:
Dr. Michael Matile 

2001

Als Jean-Frédéric Schnyder 1993 die Schweiz an der Biennale di Venezia vertrat, zeichnete er ein originelles wie eigenwilliges Bild seiner Heimat. Auf einer Serie von relativ kleinen 119 Ölbildern, die Querformate messen 30 cm in der Höhe und 42 cm in der Breite, war jeweils ein Stück Schweizer Autobahn, das sich ihm von den darüber gespannten Brücken bot, wiedergegeben, gemalt bei Tage und bei Nacht, im Regen und bei Sonnenschein, im Winter und im Sommer. Auf einer Wanderung, deren erste Etappe am 7. Januar 1992 begann und deren letzte am 21. Dezember 1992 endete, wanderte er von St. Margrethen bis nach Genf. In ähnlicher Weise nahm er 1999 ein anderes Stück Weg in Angriff, jene Strasse, die von Zug nach Baar führt. Mit dem Photoapparat hielt er nun Haus um Haus fest, mit der Präzision eines Landvermessers. Nur bei Hochnebel wurde photographiert, um ein gleichmässiges und wenig Schatten bildendes Licht zu haben. Zu Hause wurden die Photos mit Hilfe des Computers in monatelanger Kleinarbeit zu einem nahtlosen Band zusammengefügt. Es entstand so ein C-Print von 14,5 Meter Länge! Dieser ausserordentliche Druck, der ein Stück Schweiz in unerhörter Dichte zeigt, steht im Mittelpunkt der Ausstellung.

Zur Ausstellung erschien bei Edition Patrick Frey, Zürich, ein Künstlerbuch von Jean-Frédéric Schnyder, das in Form eines Leporellos den gesamten Druck wiedergibt.

Kontakt: Paul Tanner 

Wie viele Künstler hat sich auch Adrian Schiess aus Zeitungsausschnitten und Photos ein eigenes Bildarchiv angelegt. Aus diesem Bildmaterial, in welchem auch Bilder zu Tagesaktualitäten aufgehoben werden, die seine Aufmerksamkeit erregt oder ihn erschüttert haben, hat Adrian Schiess einzelne Motive für seine neue Serie von Drucken gewählt.

Gemeinsam mit dem Wiener Drucker Kurt Zain hat er die alte Drucktechnik des Bromölumdruckes neu belebt. Eine mit Gelatine beschichtete Papiermatrize wird mit Chromatsalzen lichtempfindlich gemacht und unter einem Negativ belichtet. Die Belichtung verursacht in der Gelatineschicht eine partielle Härtung. In unterschiedlich warmen Wasserbädern quillt die Gelatine auf. Je nach Wassergehalt nimmt diese Schicht fette Ölfarbe an oder stösst sie ab. Die Farbe hat Schiess nun aber ganz individuell, d.h. mit Pinsel, Walzen und Farbwischern aufgetragen, so dass nur Unikate entstanden. Diese neuen Bromölumdrucke werden zum ersten Mal in vollem Umfang der Öffentlichkeit vorgestellt.

In den frühen neunziger Jahren wurde Adrian Schiess international bekannt mit seinen auf dem Boden liegenden Platten, die er mit Autolackfarben gleichmässig eingefärbt hatte. 1990 vertrat er die Schweiz an der Biennale di Venezia, 1992 wurde er von Jan Hoet für die Documenta IX in Kassel ausgewählt. Adrian Schiess geht es stets primär um Malerei und weniger um intermedial ausgreifende Installationen. Die neuesten Arbeiten, die er von März bis Mai 2001 im Neuen Museum für Kunst und Design in Nürnberg vorstellte, machen dies noch deutlicher: Kleinformatige Ölbilder sind es, die den Sonnenuntergang, ein klassisches Landschaftsmotiv, vorstellen; gleichzeitig aber können sie auch als materialbetonte, pastose und abstrakte Farbmalerei gelesen werden. Bei einigen Drucken dominiert der malerische Farbauftrag auch so stark, dass das Motiv darunter kaum mehr zu erkennen ist.

Kontakt: Paul Tanner

Die Graphische Sammlung der ETH widmet ihre kommende Ausstellung den Frühformen der Faksimilierung. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erwuchs innerhalb eines internationalen Kreises von Sammlern und Kennern der Wunsch, Handzeichnungen exakt reproduzieren zu können. Erste Resultate tauchten um 1730 in Frankreich, Italien und England auf. Dabei versuchte man, die Handzeichnung so authentisch nachzuahmen, dass auch Sammler, die keinen unmittelbaren Zugriff auf das Original besassen, sich von der „Handschrift“ des Künstlers ein Bild machen konnten. Wegen dieses Anspruches verfeinerten sich im Laufe des 18. Jahrhunderts die Reproduktionstechniken erheblich. Beispielsweise wurde der Vorliebe für die Rötelzeichnung in der eigens entwickelten „Crayonmanier“ entsprochen, die den Rötelstift täuschend echt wiederzugeben verstand.

Am Beispiel des Künstlers Parmigianino lässt sich das Bemühen um eine gleichwertige Wiedergabe der Handzeichnung vorzüglich verfolgen. Einerseits zählte sein zeichnerisches Oeuvre im 18. Jahrhundert zu den am häufigsten reproduzierten Vorlagen. Andererseits hat dessen Verbreitung im Medium der Druckgraphik eine lange Tradition, die teilweise von ihm selbst initiiert wurde. So lässt sich an einem exemplarischen Fall die gesamte Palette derartiger Bemühungen über mehrere Jahrhunderte hinweg verfolgen.

Die Zeichnungsreproduktion verdankt ihren Anstoss einer Reihe von Zeichnungsliebhabern, von denen einige selbst geübte Stecher oder Holzschneider waren. Dazu gehörten etwa der französische Graf Anne-Claude-Philippe de Caylus, der venezianische Graf Anton Maria Zanetti oder der vermögende Niederländer Jacob Cornelis Ploos van Amstel.

In dem Masse, wie die Bedeutung der Zeichnung bzw. des Designs auch für die industrielle Produktion erkannt wurde, wuchs das Interesse an gezeichneten Bildvorlagen. Faksimiliert in Lehrbüchern als Anleitung zum Zeichnungshandwerk erhielten sie ebenso Verwendung, wie sie als Sujets etwa in Porzellanmanufakturen unentbehrlich wurden. Schliesslich haben namentlich Schweizer Stecher wie Johann-Ludwig Aberli das Verfahren umgedreht und der gedruckten Umrissradierung durch die Handkolorierung wieder die Aura des Unikats verliehen.

Die Druckgraphik verdankt diesen Frühformen der Faksimilierung eine wesentliche theoretische Aufwertung und vor allem eine bedeutende Entwicklung ihrer technischen Mittel, die ihr neue Felder des Ausdrucks erschloss.

Kontakt: Michael Matile

2000

Mit der im Jahr 2000 erfolgten Publikation der Forschungsergebnisse des Projekts ‚Die Druckgraphik Lucas van Leydens und seiner Zeitgenossen‘ setzte die Graphische Sammlung ihre Bemühungen fort, die wissenschaftliche Bearbeitung zentraler Bestände der Sammlung zu publizieren. Mit rund 280 Kupferstichen, Radierungen und Holzschnitten stellt dieser Bestand den umfangreichsten und qualitativ bedeutendsten Bestand an Werken Lucas van Leydens (1489/1494? – 1533) in öffentlichen Sammlungen der Schweiz dar. Die zu diesem Forschungsprojekt im Schwabe Verlag erschienene Buchpublikation erhielt breite Anerkennung weit über Fachkreise hinaus.

Enthusiastisch wurde Lucas van Leyden seit dem 16. Jahrhundert als Wunderkind gefeiert. Die hohe Kunst der Bilderzählung beherrschte er wie kaum ein zweiter. Nicht minder erwies er sich als Meister des Handwerks mit dem Kupferstichel. Dabei bestätigt sich das altüberlieferte Urteil, er sei der erste niederländische Künstler gewesen, der zur Darstellung der Luftperspektive das Mittel des Helldunkel eingesetzt habe. Den Malern des Goldenen Zeitalters der holländischen Malerei, allen voran Rembrandt, galt er endlich als Ahnherr der niederländischen Genredarstellung.
Wichtige Blätter seiner Zeitgenossen Jan Wellens de Cock, Jan Swart van Groningen, Jacob Cornelisz. van Oostsanen, Jan Gossaert, Frans Crabbe, Dirk Vellert und eine Gruppe von Stechern, die nur durch ihr Monogramm bekannt sind, wurden gleichzeitig untersucht. Sie geben einen Überblick über das druckgraphische Schaffen in den burgundisch-habsburgischen Niederlanden.

Der Bestandeskatalog verzeichnet nach einer Einleitung das Werk Lucas van Leydens in fünf kommentierten, chronologischen Abschnitten. Der Bestand an Druckgraphik der niederländische Zeitgenossen wird im zweiten Teil des Katalogs zusammen mit Texten zu Leben, Werk und Forschungsstand kommentiert. Von jedem der rund 200 Blätter wird jeweils das schönste Exemplar abgebildet. Ein Katalog der Wasserzeichen, eine Konkordanz und eine ausführliche Bibliographie beschliessen den Band. Zum Erscheinen des Katalogs fand eine Ausstellung statt (15. November – 22. Dezember 2000, 3. Januar – 2. Februar 2001).

Der Band, gestaltet von der Zürcher Grafikerin Hanna Koller, wurde vom Bundesamt für Kultur aus Anlass des Wettbewerbs „Die schönsten Schweizer Bücher des Jahres 2000“ ausgezeichnet.

Kontakt: Dr. Michael Matile

1999
1998

Zu den zentralen Aufgaben einer Graphischen Sammlung der ETH gehört neben der Ausstellungstätigkeit auch die wissenschaftliche Bearbeitung von wichtigen Teilbeständen der Sammlung, die Hand in Hand mit der restauratorisch konservierenden Betreuung geht. Ein Kernbestand bildet die italienische Druckgraphik des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, die in der Graphischen Sammlung seit Februar 1996 Gegenstand eines Forschungsprojekts war, das mit Mitteln der ETH sowie Zuwendungen von Stiftungen, Banken, Versicherungen und Privater finanziert werden konnte.1998 erschien zu diesem Forschungsprojekt im Schwabe Verlag eine umfassende Buchpublikation.

Ihre Herkunft verdankt dieser Teilbestand der Graphischen Sammlung namentlich der Sammeltätigkeit, die Rudolf Bühlmann (1812-1890) während seines vierunddreissigjährigen Rom-Aufenthaltes an den Tag gelegt hatte und der Schenkung des Zürcher Bankiers Heinrich Schulthess-von Meiss (1813-1898). Der bearbeitete Bestand umfasst ca. 150 Nielli, Kupferstiche, darunter Blätter von Andrea Mantegna, Giulio und Domenico Campagnola, Jacopo de’Barbari, Cristofano Robetta und anderen. In die Bearbeitung miteinbezogen werden auch die frühen florentinischen Kupferstiche von Baccio Baldini, Francesco Rosselli und Pollaiuolo.

Die zunächst eng mit dem Florentiner Goldschmiedegewerbe verbundenen Anfänge der italienischen Druckgraphik entwickelten sich rasch zu einem selbständigen Zweig künstlerischer Betätigung. Verschiedenste, führende Künstler ihrer Zeit, darunter Antonio Pollaiuolo, Andrea Mantegna, Jacopo de’Barbari, Giulio und Domenico Campagnola, sahen in dem gedruckten Medium Ausdrucksmöglichkeiten ganz eigener Art und Anziehungskraft. Es bildeten sich Zentren des Handwerks in Florenz, Rom, Mantua, Venedig und anderen, namentlich oberitalienischen Städten, in denen der Kupferstich früh zu besonderer Blüte gelangte.

Mit der wissenschaftlichen Publikation wurde 1998 der
Anfang einer Reihe von Bestandeskatalogen
gemacht. Aus Anlass des Erscheinens des Bandes wurden die Blätter in einer Ausstellung gezeigt (Dauer der Ausstellung: 18. November 1998 – 29. Januar 1999).

Kontakt: Dr. Michael Matile 

1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
1990
1989
1988
1987
1986
1985
1984
1983
1982
1981
1980
1979
1978
1977
1976
1975
1974
1973
1972
1971
1970
1969
1968
1967
1966
1965
1964
1963
1962
1961
1960
1959
1958
1957
1956
1955
1954
1953
1952
1951
1950
1949
1948
1947
1946
1945
1944
1943
1942
1941
1940
1939
1938
1937
1936
1935
1934
1933
1932
1931
1930
1929
1928
1927
1926
1925
1924
1922
1921
1920
1919
1918
1917
1916
1915
1914
1913
1912
1911
1910
1909
1908
1907
1906
1905
1904
1903
1902
1901
1900
1899
1898
1897
1896
1895
1894
1893
1892
1891