Andenken aus der Hölle. Ein Kupferstich aus dem 15. Jahrhundert mahnt zur Tugend

Ziemlich viel und erstaunlich detailliert berichtet ein gerade mal 23 x 29 cm großer Kupferstich über den «Alltag in der Hölle», von dem die Graphische Sammlung ETH Zürich einen der seltenen gut erhaltenen Abzüge besitzt.

Florentiner Stecher, Die Hölle nach dem Fresko im Camposanto in Pisa, um 1470, Graphische Sammlung ETH Zürich

Nie enden wollendes Leid
In vier übereinanderliegenden Schichten, von denen drei durch die riesige Gestalt Luzifers überragt werden, wimmelt es nur so von einfallsreich quälenden Teufeln und den dazugehörigen Sündern. Mit drastischer Deutlichkeit wird das nie endende Leid der Verdammten vorgeführt. Die Betrachter des Bildes werden Zeuge, wie etwa ein Teufel einer am Boden liegenden Figur einen Speer in die Genitalien rammt und ihr zugleich hämisch grinsend seine Fäkalien in den geöffneten Mund fallen lässt, wie ein Mann am Spiess gebraten wird, ein anderer unerbittlich von zwei Teufeln zersägt wird, sich Männer und Frauen zerfleischen oder ihre abgetrennten Köpfe in den Händen tragen und vieler anderer Grausamkeiten mehr.

Detail aus: Florentiner Stecher, Die Hölle nach dem Fresko im Camposanto in Pisa, um 1470, Graphische Sammlung ETH Zürich

Das Fresko im Camposanto in Pisa
Die Inschrift auf dem Kupferstich auf dem oberen linken Bildrand verrät, dass es sich hier um ein Bild von einem Bild handelt: «Das ist die Hölle des Camposanto in Pisa» heisst es dort übersetzt. Gemeint ist das berühmte, noch heute erhaltene Höllenfresko im Camposanto, der vor allem ein monumentaler Friedhof war – was das Bedürfnis nach Verbildlichung des Reiches Luzifers umso verständlich macht.
Dem Kupferstich gelingt es trotz der massiven Verkleinerung, der Anpassung an das Format der Kupferplatte und des Verlustes der im Fresko dramatisch eingesetzten Farbigkeit sehr gut, die Angst einflössende Stimmung des Vorbildes zu vermitteln.

Detail aus: Florentiner Stecher, Die Hölle nach dem Fresko im Camposanto in Pisa, um 1470, Graphische Sammlung ETH Zürich

Das mahnende Bild
Wahrscheinlich konnten Pilger die kleine Druckgraphik direkt vor Ort als Andenken erwerben. Der Kupferstich dürfte für seine Besitzer die Hauptfunktion gehabt haben, sie auch zu Hause zu mahnen, dass sie für ihre Sünden nach dem Tod in der Hölle bestraft werden würden. Die abschreckende Wirkung sollte positiven Einfluss auf die diesseitige Lebensführung ausüben. Aber auch der voyeuristische Schauer, den das Blatt beim heutigen Betrachter auslöst, dürfte schon damals ebenso eine Rolle für seinen Erfolg gespielt haben.

 

 


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