Die Vermessung der Welt

In der Druckgraphik von Meister GA mit der Fussangel wird nicht gleich die ganze Welt vermessen, jedoch ein Gesims. Damit gehört das Werk, zirka 1530 entstanden, zu den ersten überhaupt, in denen antike Architekturdetails mit Vermassungen angereichert wurden.

Meister GA mit der Fussangel, Korinthischer Sims mit Akanthusblättern verzierter Konsole, 1530 – 1540, Kupferstich, 14.7 x 18.1 cm, © Graphische Sammlung ETH Zürich

Viel ist nicht bekannt über Meister GA mit der Fussangel. Er verwendete als Signatur seine Initialen sowie eine Fussangel, das heisst die Darstellung eines Eisens mit drei Spitzen. War Meister GA ein Kupferstecher, ein Verleger oder gar ein Händler von Druckgraphik? Einige meinen, dass seine Initialen auf Giovanni Agucchi hinweisen, der als Stecher in Neapel, Mailand und Rom tätig war. Andere wiederum sind der Ansicht, dass er der italienische Humanist Gian Battista Camocio gewesen sein müsse, da dieser ebenfalls die Fussangel als Symbol verwendete. Mit letzter Sicherheit lässt sich dies nicht mehr belegen. Die spärlichen Belege zu seinem Leben sind ein Grund, weswegen sein Werk lange Zeit in der Forschung vernachlässigt wurde. Ein anderer liegt darin, dass man sich bei Architekturdarstellungen anfänglich nicht auf lose Werke aus einzelnen Blättern, sondern auf Architektur-Traktate in Buchform konzentrierte, die als Regelwerke hoch geschätzt wurden.

Migration von Formen

Der Kupferstich von Meister GA mit der Fussangel fällt in eine Zeit, in der die Druckgraphik eine wichtige Rolle bei der Verbreitung eines Formenrepertoires in der Architektur übernahm. Vor 1500 wurden bauliche Details vorwiegend gezeichnet, diese wiederum von Hand kopiert, variiert und verändert. Das änderte sich Ende des 15. Jahrhunderts mit der Druckgraphik. Mehr als andere Medien ermöglichte sie eine neue Mobilität von Bildern, da sie leicht zu transportieren war und in einer Auflage entstand: Sie transportierte ein visuelles Gedächtnis über Grenzen hinweg. Die Verfügbarkeit von Abbildungen stieg sprunghaft an, auch in Bezug auf die römische Antike und die Renaissance-Architektur mit ihren typischen Gesimsen. Bald fand sie im Norden Beachtung. Und dies nicht nur als Inspiration für weitere druckgraphische Blätter, sondern ebenso für gebaute Architektur.

Meister GA mit der Fussangel, Korinthischer Sims mit Akanthusblättern verzierter Konsole (Detail), 1530 – 1540, Kupferstich, 14.7 x 18.1 cm, © Graphische Sammlung ETH Zürich

Frei interpretierbare Vorlagen

Blätter wie dasjenige von Meister GA von der Fussangel dienten als Vorlagen, ja gleichsam als Muster für Handwerker. Daher konzentrierte sich der Kupferstecher in seiner Darstellung ganz auf das Gesims. Die Proportionen sind zwar leicht verzogen – man sieht das Bauelement sowohl in frontaler Ansicht wie auch leicht von der Seite –, doch dies bewirkt eine besonders gute und nachvollziehbare Anschaulichkeit. Der Aufbau und insbesondere das reiche Ornament hat Meister GA detailliert herausgearbeitet und als einer der ersten die einzelnen Teile vermasst. Trotz der genauen Angaben der Grössenverhältnisse verpflichtete ein solches Werk allerdings nicht zur buchstabengetreuen Nachahmung. Gerade im Norden Europas übernahmen die Bauleute und Künstler:innen die klassischen Formen, interpretierten sie jedoch oft relativ frei. Damit haben Werke wie dieses nicht nur mitgeholfen, ein Formenrepertoire international bekannt zu machen, sondern haben gleichzeitig eine variantenreiche Interpretation der Antike angeregt.

Meister GA mit der Fussangel, Korinthischer Sims mit Akanthusblättern verzierter Konsole (Detail), 1530 – 1540, Kupferstich, 14.7 x 18.1 cm, © Graphische Sammlung ETH Zürich


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