Ganz bei sich

«In meiner Arbeit geht es auch um die bewusste Reduktion auf die Momente, in denen man sich selbst genügt.» so Zilla Leutenegger. Im Werk der Schweizer Künstlerin taucht oft eine einzelne Figur im Raum auf. Meist ist es ihr Alter Ego, das mit kleinen, banalen Alltagshandlungen beschäftigt ist oder ganz einfach nichts tut: Schlafen, Ruhen, Warten, sich Langweilen.

Feiner Strich und knallige Farbflächen
Lautes Drama? Das interessiert Zilla Leutenegger (*1968) nicht. Sie hält stattdessen unprätentiöse und unauffällige Szenen fest, Situationen von schlichter Normalität und Alltäglichkeit. So auch in ihrer Zeichnung «Panties 8» (2015), die zu einer Serie gehört. Mit einigen wenigen Strichen hat sie Körper und Kleid der Frau aufs Papier gebracht. Wie flüchtig hingeworfen wirkt ihre Silhouette. Die Person steht da, die Hände in die Hüften gestützt. Weiter nichts. Doch die Figur zeigt sich nur teilweise. Die intensive blaue Farbe bedeckt ihr gezeichnetes Gesicht vollständig, ja es sind sogar Farbtropfen herunter geronnen. Dieser blaue Fleck setzt, zusammen mit der intensiven roten Fläche im Hintergrund, kräftige Akzente. Eigenartig, dass die Frau dadurch zerbrechlich und stark zugleich erscheint.

Zilla Leutenegger, Panties 8, 2015, Bleistift, Tinte und Acryl auf Velin [Briefpapier des Hotel Waldhaus in Sils-Maria], 29.6 x 20.9 cm, Graphische Sammlung ETH Zürich / © by the artist

Immer wieder verdeckt Zilla Leutenegger bei ihren Figuren das Gesicht. Mal betont sie mit diesem Verhüllen die Haarpracht wie in «Panties 2» (2015), mal die gravitatorischen Kräfte – wie in «Panties 8» –, indem sie den Effekt des Pinselstrichs und seiner Tropfspur genau einkalkuliert. Manchmal ist es auch ein Suchen, denn wenn für Leutenegger ein Gesicht nicht gelungen ist, kann es vorkommen, dass sie es kurzerhand übermalt.

Zilla Leutenegger, Panties 2, 2015, Bleistift und Acryl auf Velin, 42.0 x 29.6 cm, Graphische Sammlung ETH Zürich / © by the artist

Innenräume
Zilla Leutenegger beschäftigt sich in ihrem Werk seit Beginn ihrer künstlerischen Tätigkeit mit Raum – vorzugsweise mit dem privaten Interieur. Sie thematisiert das Verhältnis einer einzelnen Person dazu oder die Beziehung zwischen Raum und Licht. Dabei geht sie von sich aus und bildet sich meist selbst ab. Wer sich dabei klassisch inszenierte Porträts vorstellt, hat weit gefehlt. Vielmehr wird ihre Darstellung zu einer Stellvertreterin einer weiblichen Gestalt. Manchmal entsteht aus dieser Annäherung eine Zeichnung wie hier. Manchmal kreiert die Künstlerin aber auch ganze Installationen, bei denen sie leichtfüssig Zwei- und Dreidimensionales verknüpft: Oft werden solche Ensembles zu raumgreifend gestalteten Wohnungen, die das Publikum durchschreiten kann. Dafür kombiniert sie Zeichnungen, Monotypien, Projektionen und Raumobjekte zu mehreren Zimmern – bewohnt von Kunstwerken in der Gestalt von Haustieren oder einzelnen Figuren. Bei all ihrem Tun bleibt aber immer die Zeichnung als Ausgangspunkt spürbar, weshalb alles gewichtslos und leicht erscheint. Typisch für Zilla Leuteneggers Darstellungsweise ist eine gewisse Lakonie, eine Entspanntheit und Einfachheit, die sie in allen Medien beibehält.

Alltagshandlung
Ausgangspunkt ihrer Zeichnungsserie «Panties» war, dass sich Zilla Leutenegger während dem Anziehen ihrer Unterhose filmte. Anschliessend setzte sie einige Standbilder daraus als Bild um (z.B. «Panties 4», 2015). Schnell wird klar, dass es nicht um die Darstellung von etwas Anzüglichem oder gar sexuell Aufgeladenem geht. Hier steht stattdessen eine alltägliche, uns allen vertraute Handlung im Zentrum, die Zilla Leutenegger treffend als Bewegungsstudie beschreibt.

Zilla Leutenegger, Panties 4, 2015, Bleistift und Acryl auf orangefarbenem Velin, 48.3 x 33.0 cm, Graphische Sammlung ETH Zürich / © by the artist

«Panties 8» hat die Künstlerin auf einen Bogen Papier des Hotels Waldhaus, Sils-Maria im Engadin gezeichnet. Einst hatte ihr der Hotelier während eines Aufenthalts einen ganzen Block geschenkt, und nun werden die Blätter daraus nach und nach zu Trägern ihrer Darstellungen. Der Briefkopf mit Adresse bleibt als Indiz eines Aufenthaltes sichtbar, ja er steht dafür, wie selbstverständlich und oft Kunstschaffende auf Reisen gewesen sind. Aber nicht nur sie. Oft hat Zilla Leutenegger auch Papier aus weiteren Hotels erhalten, das Bekannte von ihren Reisen zurückbrachten und das sie als Grund für ihre Werke verwendete. Es zeigt ein Unterwegssein, das bis vor Kurzem eine grosse Selbstverständlichkeit darstellte – und es hoffentlich bald wieder wird.

Die Werke der Serie können Sie in unserem Sammlungskatalog Online einsehen.


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