Kein Durchkommen

Der Bauboom hat seit längerem alle Grossstädte im Griff. Es gibt keine Metropole, bei der man nicht täglich an mehreren Baukränen vorbeikäme – und die urbane Entwicklung nimmt immer noch weiter Fahrt auf. Die spanische Künstlerin Lara Almarcegui (*1972) thematisiert mit ihren Arbeiten diese massive Durchgestaltung von Städten und ergründet die komplexen Beziehungen zwischen Baumaterialien, Konstruktion und Zerfall der gebauten Welt. So auch vor einigen Jahren in Zürich.

2012 lud die KiöR (Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich) Almarcegui ein, beim mehrmonatigen Kunstanlass Art and the City mitzuwirken. Die Organisatoren planten in Zürich-West zahlreiche Kunstprojekte, die sich mit dem Stadtgebiet auseinandersetzten. Die Wahl war auf dieses Quartier gefallen, weil es seit den 1990er-Jahren eine besonders intensive Umwandlung erfahren hatte. Ursprünglich von Fabrik- und Infrastrukturbauten geprägt, war es je länger desto mehr zu einem Wohn-, Ausbildungs- und Dienstleistungsquartier geworden. Ein Quartier im Fluss also, das interessante Anknüpfungspunkte bot.

Lara Almarcegui, Nicht realisierter Vorschlag: Projekte für Zürich West, 2012, 6 Inkjet-Drucke nach Fotografien, mit Bleistift und Filzstift überarbeitet, Graphische Sammlung ETH Zürich / © Lara Almarcegui

Unmittelbar und direkt
Almarcegui begann wie für sie üblich: Sie sammelte Informationen zur Geschichte, zum geographischen und städtebaulichen Kontext wie auch zu den ökologischen und ökonomischen Bedingungen. Denn: Die Künstlerin macht mit ihren Werken deutlich, dass die Welt des Gebauten und Gefertigten nie losgelöst von politischen, ökonomischen und ökologischen Veränderungen gesehen werden kann. Zudem richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf die verbauten Materialien und Rohstoffe. Ihr Projekt für Art and the City nahm bald konkrete Gestalt an. Sie beabsichtigte, von gewissen Gebäuden, einem Platz oder gar einem Tunnel im Quartier die jeweiligen Mengen der verbrauchten Baumaterialien zu berechnen, um anschliessend diese als Bauschutt vor Ort aufhäufen zu lassen. Mit einer unmittelbaren physischen Direktheit wären dann sowohl die unglaublichen Massen als auch die verschiedenen Arten der verbrauchten Baustoffe visuell erfahrbar geworden.

Lara Almarcegui, Nicht realisierter Vorschlag: Projekte für Zürich West, 2012, 6 Inkjet-Drucke nach Fotografien, mit Bleistift und Filzstift überarbeitet, Graphische Sammlung ETH Zürich / © Lara Almarcegui

Zeichnerische Spur
Wie immer bei Almarceguis Projekten stellten sich auch in Zürich Fragen zur Realisierbarkeit (Stichworte: Bodenbelastung und Zugänglichkeit). Leider konnte sie keinen der Vorschläge umsetzen, weil es aufgrund des intensiven Verkehrsaufkommens von Fussgängerinnen und Fussgängern, Fahrrädern und Autos kein Durchkommen mehr gegeben hätte. Almarceguis vorbereitende Zeichnungen, die sie auf Inkjet-Drucken eigener Fotografien erstellte, sind jetzt die einzigen Spuren ihres Vorhabens. Sie machen auf eindrückliche Weise sichtbar, was sie für Zürich-West geplant hatte.
KiöR ging übrigens nicht leer aus: Lara Almarcegui erstellte statt der Schutthügel Fotografien und dokumentarische Texte zu brachliegenden Gebieten in Zürich-West, die in einer Beilage zum TagesAnzeiger publiziert wurden.

Die Werke aus dem Besitz der Graphischen Sammlung ETH Zürich sind vom 28. August bis 17. November in der Ausstellung «Lara Almarcegui. Deep Inside – Out» zu sehen. Zudem sind sie zu finden im Sammlungskatalog Online.

 

Lara Almarcegui, Nicht realisierter Vorschlag: Projekte für Zürich West, 2012, 6 Inkjet-Drucke nach Fotografien, mit Bleistift und Filzstift überarbeitet, Graphische Sammlung ETH Zürich / © Lara Almarcegui


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