Kommen und Gehen bei Rembrandt

Rembrandt, Ecce Homo, 1655, Kaltnadelradierung, Zustand V/VIII, ca. 35.5 × 45.5 cm, Graphische Sammlung ETH Zürich

Gemeinsam mit dem Verbrecher Barabbas steht der gefolterte Christus mit gefesselten Händen auf einer Tribüne vor der Menge. Ihr überlässt der römische Statthalter Pontius Pilatus die Entscheidung, wer von beiden frei gelassen werden soll. Ganz links ist ein Diener mit Wasserkrug und jener Schüssel zu sehen, in der sich Pilatus seine Hände in Unschuld waschen wird.

Die Kaltnadeltechnik

1655 schuf Rembrandt diese reine Kaltnadelarbeit mit dem Ecce-homo-Motiv. Von allen Tiefdrucktechniken ist die Kaltnadel die spontanste, denn sie erlaubt es ohne umständliche Vorbereitungen die Platte direkt zu bearbeiten. Die spitze Nadel wird dabei wie ein Bleistift geführt.  Genau diese Möglichkeit zum spontanen und temperamentvollen Arbeiten war es, die Rembrandt an dieser Technik immer wieder reizte. In wenigen gebrochenen Linien sind die Figuren angegeben, durchlaufende Konturen werden vermieden. Es ist eine deutlich am Duktus der Zeichnung orientierte Linienführung.

 

Rembrandt, Ecce Homo,1655, Kaltnadelradierung, Zustand VIII/VIII, ca. 35.4 × 45.3 cm, Graphische Sammlung ETH Zürich

Etappen der Bildfindung

Rembrandt ist dafür bekannt, seine Werke immer und immer wieder zu verändern und zu überarbeiten. Während wir bei seinen Ölgemälden naturgemäss immer nur die letzte Variante sehen, können wir ihm bei seinem druckgraphischen Oeuvre regelrecht über die Schulter schauen und die einzelnen Etappen der Bildfindung wie in einem Daumenkino verfolgen.

Denn bevor Rembrandt die Platte weiterbearbeitete, hat er immer wieder Abdrucke gemacht. Diese dienten einerseits für ihn selbst als Probedrucke, um einen Überblick über die noch zu leistende Arbeit auf der unfertigen Platte zu erhalten und um ggf. noch Korrekturen vorzunehmen. Andererseits wissen wir, dass Rembrandt von den verschiedenen Zuständen häufig mehr als nur einen Abzug gemacht hat, was als Kontrolle für ihn selbst gereicht hätte. Rembrandts Blätter waren schon zu seinen Lebzeiten äusserst begehrt unter Sammlern, die vor allem seltene Zustände teuer bezahlten und deren erklärtes Ziel es war stets alle Zustände eines Blattes zu besitzen. Rembrandt hat das früh erkannt und für sich finanziell gewinnbringend einzusetzen gewusst. Es gibt keinen zweiten Künstler in der Geschichte der Druckgraphik, der derart viele Plattenüberarbeitungen vornahm und durch Abdrucke dokumentierte.

Von dem Ecce-homo Blatt gibt es insgesamt nicht weniger als acht Zustände. Die radikalste Veränderung, die er bei diesem Blatt vorgenommen hat, ist die Tilgung der unterhalb des Tribunals stehende Menschenmenge. Sie hat zur Folge, dass wir als Betrachter nun Christus allein vis à vis gegenüberstehen und zu seinem Richter werden.

Diese und weitere Werke von Rembrandt lassen sich im Sammlungskatalog Online entdecken.


Kommentare

  1. George Paltzer

    Interessanter Kommentar. Wo kann ich die versch Zustände online anschauen? GS ETH oder Rijksmuseum? Dankeschön!

    Antworten

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