Spiel mit der Wahrnehmung. Zum Tod von Markus Raetz
Mit Humor und leiser Ironie forderte Markus Raetz unsere Wahrnehmung heraus. In seinen schlichten, durchdachten Werken thematisierte er ohne theoretischen Überbau ganz direkt, wie wir Kunst erfassen. Nun ist der international bekannte Künstler (1941 – 2020) verstorben. Ein Nachruf auf eine herausragende Persönlichkeit der Schweizer Kunstszene.
Gegensätze
«Yes / Now», «Tout / Rien», «Tag oder Nacht» – Markus Raetz liebte es, Gegensätze in seinem Werk zu vereinen. Sei es, dass sich beim Umschreiten einer Skulptur ein «Ja» sukzessive in ein «Nein» verwandelt oder ein «Alles» in ein «Nichts». Die dreidimensionale Schrift verändert sich je nach Standort des Publikums und arretiert sich mal in der einen, mal in der anderen Bedeutung. Damit ist bereits der Kern von Markus Raetz’s Schaffen getroffen. Es ging ihm immer um die Perspektive, mit der die Betrachterinnen und Betrachter etwas anschauen, ja es ging ihm ganz eigentlich darum, die Wahrnehmung selbst in den Blick zu nehmen. Seine Werke erscheinen stets bewundernswert leichtfüssig, reduziert in den Mitteln und völlig frei von Pathos. Zugleich war seine Herangehensweise immer sehr reflektiert und äusserst präzise.
Komplementäre Dinge konnte er durchaus auch im zweidimensionalen Raum miteinander kombinieren – etwa in der Druckgraphik, mit der er sich früh und zeitlebens intensiv beschäftigte. Sie nahm in Raetz’s Werk eine zentrale Stellung ein, und seine enge Zusammenarbeit etwa mit dem Zürcher Kupferdrucker Peter Kneubühler (1944 – 1999) ist legendär. Die beiden verband das Interesse an traditionellen Techniken ebenso wie die Lust und Freude am Experiment, am Spielerischen und an Lösungen, die gerne auch die Grenzen des Herkömmlichen sprengen konnten.
Hell und Dunkel
Raetz entwickelte auch diese Graphik mit dem Titel «Tag oder Nacht» (1998) im engen Dialog mit Peter Kneubühler. Es ist schlicht und kompliziert zugleich: Schlicht, weil es einzig aus zwei Mal acht zueinander versetzten einfachen Quadraten besteht. Sie rufen die Vorstellung von Sprossenfenstern hervor – einmal taghell erleuchtet und einmal dunkel wie die Nacht. Scharf abgegrenzt treffen hier Flächen aus Licht und Schatten aufeinander, was mit der gewählten Aquatinta-Technik besonders gut umzusetzen war. Komplex ist das Werk, weil die Komposition die Illusion erweckt, dass man durch ein Fenster schaut, der Betrachterstandort hingegen höchst ambivalent bleibt. Blicken wir von einem Zimmer aus in die dunkle Nacht und auf das hell erleuchtete Fenster des Nachbarhauses? Oder ist es genau umgekehrt? Sind wir aussen und blicken in einen dunklen Innenraum? Der Blick wechselt zwischen den beiden Positionen und kommt nicht zur Ruhe.
Die Graphische Sammlung ETH Zürich schätzt sich glücklich, ein grosses Konvolut an Werken in ihrer Sammlung zu wissen, die Peter Kneubühler mit verschiedenen Kunstschaffenden realisierte. Rund 150 Blätter von Markus Raetz zählen dazu und erinnern an einen Künstler, dessen Werk einen festen Platz in der Kunstgeschichte hat.
Dieses und weitere Werke von Markus Raetz lassen sich im Sammlungskatalog Online entdecken.
Sehr geehrte Frau Schädler
Danke für Ihren Nachruf auf Markus Raetz. Gerne folgte ich Ihrem Hinweis, die grosse Sammlung, die Sie aus seinen Werken angelegt haben, im Online-Katalog anzusehen. Doch da wurden mir falsche Hoffnungen geweckt, stösst man doch ständig auf urheberrechtlich geschützte Werke.
Entweder hätte das im Nachruf schon erwähnt werden sollen, oder der Hinweis auf den Katalog hätte unterlassen werden sollen.
Mit freundlichen Grüssen
Ueli Frey, Ebnat-Kappel
Sehr geehrter Herr Frey,
vielen Dank für Ihr Feedback. Wir freuen uns, dass Sie unseren Sammlungskatalog Online mit aktuell über 15’000 frei zugänglichen Werken rege nutzen. Wenn Sie nach Raetz suchen, erscheinen alle unsere Werke als kleine Vorschaubilder mit Bildangaben. Es ist in der Tat so, dass hochaufgelöste Bildformate der urheberrechtlich geschützten Werke – wie in diesem Fall von Markus Raetz – nicht frei bereitgestellt werden dürfen.
Wir würden uns freuen, Ihnen einige Werke bei einem persönlichen Besuch in der Graphischen Sammlung zeigen zu dürfen.
Freundliche Grüsse
Ihre Graphische Sammlung ETH Zürich