Wenn eins nicht genug ist

In unerschöpflichen Jagdgründen
Die Welt besteht nicht nur aus einzelnen Dingen, sondern vielmehr aus einer Vielzahl von Zeichen und Wundern. Diesen Ansatz vertritt mit ihren collagierten Welten das Zürcher Küntlerduo huber.huber (Markus und Reto Huber, beide *1975). Aus alten Photographien, antiquarischen Büchern, aus Postkarten oder Zeitungsausschnitten entnehmen sie Motive – akkurat ausgeschnitten wie ausgewählt: Figuren, Tiere, Pflanzen finden unerwartet eine neue Heimat in alles anderen als friedlichen Szenerien. Vor majestätischen Kulissen treffen da überdimensionierte Insekten wie Raumschiffe auf hilflose Satelliten-Heere, üppig-kitschige Stillleben entpuppen sich als Ansammlungen von Totensymbolen. Unerschöpflich sind die Jagdgründe, unergründlich die Lust an neuen Universen – wie Mikrouniversen (2004-2011 entstanden) beweist, ihr bisher ältester und umfangsreichster Arbeitszyklus, der rund 800 kleinformatige Collagen und Tuschezeichnungen zählt.

 

huber.huber, Der schöne Mensch – Krankheiten und Schädlinge, 2009, Unter der Verwendung des Tafelwerks: H. Bulle, Der schoene Mensch – Altertum, München: G. Hirth, 1912 (II. Auflage), Collage auf Photoreproduktion, Graphische Sammlung ETH Zürich

Narratives Sampling
Dass die Künstler nicht nur von höchst lust- wie humorvollen Anwandlungen getrieben werden, zeigt ein weiteres ihrer zumeist seriell angelegten Werke: aus den beiden Tafelwerken Der schöne Mensch (1912) und Krankheiten und Schädlinge der Kulturpflanzen (1948) haben sie 2009 kurzerhand ein neues enzyklopädisches Kompendium geschaffen, das durch kunstvolle Setzungen Irritationen auslösen und verborgene Konnotationen offenlegen vermag.
320 Abbildungen zur Geschichte des Körperideals wurden mit 320 Ausschnitten der Parasiten kombiniert. Das strenge Korsett eines übergeordneten Konzeptes wird hier benutzt, um eine neue, eigene Ordnung zu installieren. Während die Künstler in der ihnen eigenen Arbeitsweise des narrativen Samplings die grossen Wissensbereiche Kunstgeschichte, Natur, Religion und Wissenschaft kollidieren lassen, bringen sie im gleichen Atemzug eine vielstimmige Sinfonie zum Erklingen – die nur in voller Länge ihre wuchernd-wabernde Harmonie erreicht.

 

huber.huber, Der schöne Mensch – Krankheiten und Schädlinge, 2009, Unter der Verwendung des Tafelwerks: H. Bulle, Der schoene Mensch – Altertum, München: G. Hirth, 1912 (II. Auflage), Collage auf Photoreproduktion, Graphische Sammlung ETH Zürich

Die kleinstmögliche Einheit einer Serie
Im Rahmen der Jubiläumsausstellung On Series, Scenes and Sequences konnte eine Auswahl aus diesem umfangreichen Konvolut, das 2013 von der Graphischen Sammlung angekauft worden ist, präsentiert werden. Die komplette Serie ist ausserdem in der gleichnamigen Begleitpublikation zu finden – vollständig abgebildet und mit Sentenzen von Simone Meier umspielt, die lakonisch und mit Sprachwitz die Serie als solches betrachtet oder einzelne Elemente aus den Darstellungen heraushebt. So beginnt sie ihre rhythmisch eingestreuten Kommentare mit der simplen Feststellung der kleinstmöglichen Einheit einer Serie – als das wären genau zwei, genau wie die beiden Künstler, die als Zwillinge ein Künstlerduo bilden.

 

Das Künstlerduo huber.huber

Publikation
«On Series, Scenes and Sequences» CHF 38.00
Mit Texten von Alexandra Barcal, Simone Meier und Johannes Binotto, erschienen anlässlich der Ausstellung in der Graphischen Sammlung ETH Zürich, 16.08.–15.10.2017. Zürich: edition fink, 2017.

 


ARTIKEL KOMMENTIEREN

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

*