Es ist eine Entdeckung: Das Werk von Friedl Dicker-Brandeis (1898–1944) ist bislang noch nie in einer Einzelausstellung in der Schweiz präsentiert worden. Und auch in Europa hat ihr Werk erst seit den 1990er-Jahren wieder grössere Aufmerksamkeit erlangt. Wie viele ihrer Generation fand ihr Schaffen über Jahrzehnte keinen Eingang in die Kunstgeschichte der europäischen Moderne. Begründet ist dies nicht zuletzt in der Zerstörung ihres architektonischen Werkes und ihrer Verfolgung und Ermordung als links positionierte, jüdische Künstlerin. Die Graphische Sammlung ETH Zürich würdigt diese wichtige österreichische Künstlerin nun erstmals in der Schweiz.
Beeindruckend ist die Bandbreite an Medien und Genres der bildenden und angewandten Kunst, die Dicker-Brandeis’ Œuvre aufweist. Geprägt vom Studium an der Wiener Kunstgewerbeschule, der Itten-Privatschule und am Weimarer Bauhaus, arbeitete sie als Malerin, Druckgraphikerin, Bühnenbildnerin, Architektin, Designerin in Wien und Berlin, im Exil und als Deportierte. In ihrem Schaffen spiegeln sich ihre reformorientierten Bestrebungen, der Bezug zu Musik und Schrift-Bild wie auch die herausragende Übersetzung formaler Aspekte zwischen den Medien. Ausgehend von einem umfangreichen Konvolut und dokumentarischem Material aus der Sammlung der Universität für Angewandte Kunst Wien – die einen einzigartig grossen Bestand aufweist und im Herbst 2022 den ersten Teil der Ausstellung über sie zeigt – ist das Werk von Dicker-Brandeis wiederzuentdecken.
Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog (DE / ENG).
Eine Kooperation mit Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien
Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin Graphische Sammlung ETH Zürich, in Kooperation mit Cosima Rainer, Stephanie Kitzberger und Robert Müller, Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien.
Friedl Dicker-Brandeis
Flirtendes Paar II, 1921–1923
Aquarell, Feder auf Papier
36.4 × 35.4 cm
Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien
Inv.-Nr. 12.209
Foto: Manuel Carreon Lopez, kunst-dokumentation.com
Mit freundlicher Unterstützung der Dr. Georg und Josi Guggenheim Stiftung, des Omanut Forums für jüdische Kunst und Kultur, des Österreichischen Kulturforums Bern, sowie jenen Fördergeber*innen, die anonym bleiben möchten.
Heutzutage sind Themen wie Globalisierung, der Klimawandel und das Anthropozän in aller Munde. Sie haben auch einen grundlegenden Einfluss darauf, wie das Verhältnis zwischen Mensch und Pflanze interpretiert oder gar neu gelesen wird. In der Ausstellungsintervention in Vaduz wird diese Relation unter dem Aspekt einer «Politik der Pflanzen» in den Blick genommen und als Ausstellung in der Ausstellung präsentiert. Grenzziehungen, die Frage nach dem Eigenen und Fremden, nach der Dominanz von Kultur oder Natur, aber auch ökonomische Interessen, Spekulation oder geopolitische Dimensionen natürlicher Ressourcen geraten in den Fokus.
Ausgehend vom eigenen Bestand sind verschiedene – grösstenteils zeitgenössische – künstlerische Positionen zu entdecken, die sich mit diesen aktuellen Themen beschäftigen. Das kann ein kritischer Kommentar sein wie etwa derjenige von Melanie Smith (geb. 1965), die in ihrer Serie «Fordlandia» Henry Fords missglückten Versuch beleuchtet, mit dem er Mitten im brasilianischen Dschungel eine Kautschuk-Fabrikation westlichen Zuschnitts aufbauen wollte. Oder es kann eine künstlerische Umsetzung sein wie bei Sebastian Utzni (geb. 1981), der in seiner Serie «Herbarium Turicum» anhand von Neophyten (nicht-heimische Pflanzen) die Frage aufwirft, ab wann etwas ausländisch und ab wann etwas heimisch ist. Schliesslich kann auch das Zusammenspiel von natürlichen und urbanen Prozessen zur Sprache kommen, wie es Monica Ursina Jäger (geb. 1974) in ihren Collagen «shifting topographies» herausgearbeitet hat. Sie alle (und weitere mehr) bieten einen facettenreichen Blick auf die Politik der Pflanzen.
Eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz
Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin
Monica Ursina Jäger
Shifting topographies. 10, 2018
Chlorophyllin, Aquarell, Gummi Arabicum, Graphit, Papierschnitt und Collage [Postkarte, Klebband] auf Velin
28.1 × 20.8 cm
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. 2020.356
Es mag überraschen, dass der Kanton Tessin nur selten in Deutschschweizer Kunstausstellungen thematisiert wird. Gerade mit der Schönheit seiner Natur, dem mediterranen Klima und seiner «Italianità» zieht das Tessin nicht nur Reisende, sondern auch immer wieder Kunstschaffende in seinen Bann.
Aufgrund der geografischen Nähe entwickelte sich über Jahrhunderte hinweg eine kulturelle Nähe zu Italien. Doch mit der Eröffnung des Gotthardtunnels 1882 entstand erstmals eine schnelle und direkte Verbindung zwischen dem Süden und Norden der Alpen, die auch den Austausch zwischen Kunstschaffenden beförderte. Beispiele dafür sind die Kolonie auf dem Monte Verità in Ascona, die unter anderem Hans Arp (1889–1966) und Sophie Taeuber-Arp (1889–1943) besuchten, oder das Atelier Lafranca in Cerentino, wo François Lafranca (*1943) mit Künstler:innen wie Gottfried Honegger (1917–2016), Flavio Paolucci (*1934) und Francine Mury (*1947) zusammenarbeitet.
Die Ausstellung bietet einen Einblick in die künstlerische Tätigkeit im Kanton Tessin vom 17. Jahrhundert bis heute. Anhand der Bestände der Graphischen Sammlung ETH Zürich wird ein reichhaltiges Spektrum an künstlerischen Positionen gezeigt, welche die Vielfalt der Kunst im Tessin illustrieren.
Kuratorin: Saskia Goldschmid, Graphische Sammlung ETH Zürich
Zeitgleich findet im MASI Lugano die Ausstellung «Von Albrecht Dürer bis Andy Warhol. Highlights aus der Graphischen Sammlung ETH Zürich» statt.
Serge Brignoni
Ohne Titel (Komposition in Rot)
Blatt aus: Serge Brignoni, Kunstmappe Schweizerische Mobiliar, 1971
Farblithographie auf Velin
34.5 × 34.7 cm
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. 2006.49.2
Die ETH Zürich besitzt mit ihrer Graphischen Sammlung eine einmalige Preziose: 1867 als klassische Studien- und Lehrsammlung gegründet, hat sie sich inzwischen zu einer Institution entwickelt, die das Verständnis und die Vermittlung für Kunst auf Papier aktiv fördert – weit über die ETH hinaus. Heute zählt die Graphische Sammlung ETH Zürich zu den bedeutendsten und umfangreichsten Museen ihrer Art in der Schweiz wie auch im internationalen Vergleich. Von Albrecht Dürer bis Louise Bourgeois, von Rembrandt bis Miriam Cahn und von Francisco de Goya bis Andy Warhol – grosse nationale und internationale Namen sind genauso vertreten wie junge Kunstschaffende. Ihre rund 160’000 Werke repräsentieren auf einzigartige Weise die Kunstgeschichte vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart.
Bisher waren punktuell einzelne Schwerpunkte der Graphischen Sammlung ETH Zürich in externen Ausstellungen gezeigt worden. Doch nun wird im Museo d’arte della Svizzera italiana (MASI) in Lugano zum ersten Mal überhaupt ein umfangreicher Querschnitt des hochkarätigen Bestandes präsentiert. Rund 300 Werke von so bekannten Kunstschaffenden wie Rembrandt, Goya, Picasso, Warhol und Bourgeois sind in der Ausstellung zu entdecken. Die Präsentation der Highlights bietet einen Augenschmaus für Besucher:innen. Zugleich vermittelt sie Hintergrundinformationen zum Kontext der Entstehung, Verwendung und Wertschätzung der Werke durch die Jahrhunderte hindurch.
Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter Katalog (DE / ENG / IT).
Kuratorin: Dr. Linda Schädler, Leiterin
Zeitgleich findet in der Graphischen Sammlung ETH Zürich die Ausstellung «Fokus Tessin. Künstler:innen in der italienischen Schweiz» statt.
Andy Warhol
Campbell’s Soup – Cream of Mushroom
Blatt aus der zehnteiligen Folge «Campbell’s Soup Can», 1968
Siebdruck
89.2 × 58.6 cm
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. D 1321
© The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / 2022, ProLitteris, Zurich
Die Ausstellung «Lill Tschudi. Die Faszination des modernen Linolschnitts», die im Winter 2021/22 in der Graphischen Sammlung ETH Zürich zu sehen war, wird im Herbst 2023 in einer überarbeiteten Form in Wien in der Universitätsgalerie gezeigt.
Diese Kooperation bietet sich aus zwei Gründen an: Die Glarner Künstlerin Lill Tschudi (1911–2004) ging 1929 nach London, um sich an der Grosvenor School of Art für Linolschnittkurse einzuschreiben. Ihr Lehrer Claude Flight (1881–1955) begeisterte sich für den Werkstoff des Linoleums wegen Franz Čižek (1865–1946), dem österreichischen Maler und Kunstpädagogen, der an der «Angewandten» den Linolschnitt als innovatives und gestalterisches Ausdrucksmittel anwendete. In der sogenannten Čižek-Schule liess er seine Schüler mit einfach geschnitzten Formen experimentieren, um ihren Sinn für Bewegung zu schärfen. Nach einer persönlichen Begegnung begann Flight ab 1919 nicht nur selbst in Linol zu arbeiten, sondern später auch Teile von Čižeks Methodik im eigenen Unterricht zu integrieren.
Die lebenslange Faszination von Lill Tschudi für diese Technik ist gleichzeitig auch auf ihr grosses Vorbild, die österreichische Tiermalerin Norbertine Bresslern-Roth (1891–1978) zurückzuführen, deren farbenprächtige Linolschnitte sie bereits als junges Mädchen für sich entdeckt hatte.
Um diese Parallelen herausarbeiten zu können, wird der eigene Bestand an ikonischen Werken der Künstlerin mit aufschlussreichen Originalen aus dem Bestand von Kunstsammlung und Archiv der Universität für Angewandte Kunst Wien ergänzt.
Eine Kooperation mit Kunstsammlung und Archiv der Universität für Angewandte Kunst Wien
Kuratorenteam: Cosima Rainer, Stefanie Kitzberger und Robert Müller (Wien) sowie Alexandra Barcal (Graphische Sammlung ETH Zürich)
Lill Tschudi
Telephone Engineers, 1932
Colour llinoleum cut on Japanese paper
30.2 × 20.2 cm
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. 1933.87
Stetige Bewegung und Formveränderung sind die Wesensmerkmale der Wolke. Indem sich die Wolke in ihrer mobilen Vielgestaltigkeit erfolgreich jeglicher Fixierung entzieht, ist es ihr im Umkehrschluss möglich, alles zu sein: vom sublimen Sehnsuchtswesen und bedeutungsschwangeren Gebilde über Wohnstatt der Götter bis hin zu nichts, als einem Haufen kondensierten Wassers.
Wenn aber das Wesen der Wolke in ihrer fortwährenden Beweglichkeit und Gestaltmetamorphose besteht, wie soll sie dann im Bild festgehalten werden? Ist eine auf Papier oder Leinwand gebannte Wolke per se eine gefangene oder gar tote Wolke? Die Bilder der Ausstellung zeigen, wie die Wolke den Ortswechsel vom Himmel aufs Papier mit Gewinn überstehen kann. Vorausgesetzt der Wolkenfänger versteht sein Handwerk. Denn in den graphischen Künsten ist jede der vielen Techniken geeignet, einem anderen Aspekt der Wolke zu huldigen und will deshalb gezielt eingesetzt sein.
Spätestens seitdem Johann Wolfgang von Goethe in einem Gedicht die Einteilung der Wolkentypen durch den Meteorologen Luke Howard dichterisch reflektierte, wird die Kraft der Wolken gefeiert, Kunst für Wissenschaft zu begeistern. Und sind die Namen, die Howard den Wolken gab – Cirrus, Cumulus und Stratus (lateinisch Haarlocke, Haufen und hingebreitete Decke) – nicht wiederum Ausweis von dessen Poesie?
Diesem anregenden Verschmelzungspotenzial der Wolke wird in der Ausstellung Rechnung getragen. Die Perspektive von Kunstschaffenden aus sieben Jahrhunderten – darunter Lucas van Leyden, Lorenzo Tiepolo oder Meret Oppenheim – wird durch Werke aus dem schier unerschöpflichen Fundus des Bildarchivs der ETH-Bibliothek ergänzt, das hier vor allem durch Fotografien von den Naturwissenschaftlern und Forschungsreisenden Arnold Heim und Walter Mittelholzer vertreten sein wird.
Kuratiert von: Susanne Pollack (Graphische Sammlung ETH Zürich) und Nicole Graf (Bildarchiv der ETH-Bibliothek)
John Martin
Luzifer betrachtet den Aufstieg zum Himmel
Illustration zu John Miltons „The Paradise Lost“
Mezzotinto
372 x 271 mm
1825
Graphische Sammlung ETH Zürich
Inv.-Nr. D 38526