Freude am Scheitern: Lauren Klotzmans Meat Joy Error Failure
«SOME CONTEXT 4 U»
Unsere Zeit wird mit verschiedensten Begriffen zu beschreiben versucht. Leben wir in der «post-industriellen Gesellschaft», dem «Informationszeitalter» oder doch in der «technotronischen Ära»? Unabhängig von der Bezeichnung steht fest, dass digitale Medien unser Leben nachhaltig verändert haben. Heute akzeptieren wir positive wie negative Aspekte der digitalen Umwälzung als business as usual und letztere als notwendige Übel bei der Teilnahme an der gesellschaftlichen Realität. Im Gegensatz dazu hinterfragen post-digitale Praktiken die Annahme, dass der Computer als Meta-Maschine mit Fortschritt gleichgesetzt werden könne. Neben Auswirkungen auf die gesellschaftliche Realität untersucht Post-digitales auch verschiedene Charakteristiken des Digitalen selbst. Es wird genauso die sterile Ästhetik des High-Tech wie die Allgegenwart von qualitätslosem Trash kommentiert.
«HOW TO TRANSFER FILES» / ERROR
Lauren Klotzmans Print-on-Demand Publikation Meat Joy Error Failure von 2015 befindet sich an dieser «post-digitalen» Schwelle zwischen analogem Objekt und digitalem Code. Sie konfrontiert uns in ihrem Werk mit der Masse an digitalen Daten, indem sie die immaterielle Fehlermeldung einer fünfminütigen (illegalen) Videoaufnahme von Carolee Schneemanns berühmter Performance Meat Joy zu einem ganze 5‘527 Seiten langen und acht Bände umfassenden Gedicht verarbeitet. Trotz dieser (Un)Menge an Information bleibt die Erfahrung der ursprünglichen Performance grundlegend unzugänglich. Statt der «Freude am Fleisch» oder der versprochenen Anleitung zum Datentransfer aus der Buchbeschreibung auf der Seite des Print-on-Demand Anbieters Lulu.com, erhalten wir eine Ansammlung an Zeichen. Die Sinnlichkeit von Meat Joy scheint verloren. Gleichzeitig entwickelt der sonst im Hintergrund der Programme laufende Code ein unabhängiges – und auffallend bildliches – Dasein. Sollen wir das Werk lesen? Betrachten? Gekonnt ignorieren? Klotzman beschreibt ihr Werk als Poesie. Aufbauend auf Roman Jakobsons Theorie der Poesie als Sprache in ihrer ästhetischen Funktion scheint dies berechtigt. Die Aufgabe der Poesie wäre demnach nicht primär Inhalt zu vermitteln oder etwas auszudrücken. Dennoch: Ist die Ästhetik des Codes als neue Maschinenästhetik wirklich alles was bleibt, wenn sich digitales Wissen in Fehlermeldungen verwandelt?
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Der Begriff des Post-Digitalen geht auf den Musiker Kim Cascone zurück. Für ihn besteht die post-digitale Praxis darin, eine Ästhetik der Störung beziehungsweise des Scheiterns zu zelebrieren: Statt der wahrgenommenen Glätte der Technologie im Alltag werden Fehler des Systems hier hervorgehoben und weiter verwertet. Darauf aufbauend könnte auch Klotzmans Fehler und Scheitern, Error und Failure, als eine Form der Heraushebung eines Störmoments im System gesehen werden. Sie erinnert uns daran, dass trotz der makellosen Oberflächen der Software die in digitalen Wolken gelagerte Information für uns fundamental opak bleibt. Code wird für und häufig auch von Maschinen geschrieben. Wissen ist kodifiziert. Wo da der Mensch ist, bleibt noch offen.